f MiraiSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos am 28. und ab dem 30. Mai 2019, Teil

Claus Wecker

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Schon von jeher hat die Familie einen hohen Stellenwert im japanischen Film. Was es für ein Kind bedeutet, in einer Familie aufzuwachsen, hat schon Yasujiro Ozu 1932 in seinem Stummfilm »Ich wurde geboren, aber ...« einfühlsam geschildert. Es ist also ein solides Fundament, auf dem die immer beliebter werdenden japanischen Animationsfilme mit ihren niedlichen Kinderfiguren stehen.

Mit »Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft« kommt jetzt ein Anime in unsere Kinos, das den Vergleich mit Nippons klassischen Realfilmen nicht zu scheuen braucht. Mamoru Hosoda, Gründer des Animationsstudios Chizu und Schöpfer des Animes »Das Mädchen, das durch die Zeit sprang«, erzählt die Geschichte des kleinen Kun, der die Aufmerksamkeit und Liebe seiner Eltern verloren hat.

Dabei fing alles wunderbar an. Im Vorspann sehen wir in einzelnen Bildern das junge Paar, zuerst allein, dann mit Hund, dann sie mit Babybauch und schließlich Mutter und Vater mit dem kleinen Jungen – und sie schauen alle glücklich aus.

Weil sein Leben bisher so gut gelaufen ist, fiebert der kleine Kun seiner neugeborenen Schwester entgegen. Doch schnell stellt sich heraus, dass die Kleine die ganze Aufmerksamkeit der Eltern beansprucht. Für Kun gibt es nur noch Verhaltensmaßregeln: er darf seine Schwester nicht erschrecken und soll sie am besten ganz in Ruhe lassen. Entgegen seinen Vorschlägen wählen die Eltern für sie den Namen Mirai, was im Japanischen ›Zukunft‹ bedeutet.

Der gleichnamige Film beschreibt nun, wie Kun seine Enttäuschung und Wut ausdrückt und wie er allmählich zur Einsicht gelangt und von seinem eifersüchtigen Hass abgebracht wird. Und da dies in einem Anime geschieht, sind alle phantastischen Stilmittel nicht nur erlaubt, sondern geradezu geboten. So verwandelt sich das Stück Rasen mit dem Baum im Innenhof des modernen Heims der Familie in einen verwunschenen Garten, in dem der frustrierte Junge zunächst einen Prinz trifft, der ihm sein Leid klagt, das identisch mit seinem eigenen Schicksal ist.

Der Prinz, den Kun als den verwandelten Hund Yukko erkennt, steht am Beginn eines großen Versöhnungsprogramms. Denn AnimeMeister Mamoru Hosoda lässt mehrere Familienmitglieder aus Zukunft und Vergangenheit im Zaubergarten auftreten: Kuns Mutter als junges Mädchen, den Urgroßvater als mutigen Reiter und Motorradfahrer (gewissermaßen als männliches Gegenmodell zu Kuns sensiblen Vater), der seinen Enkel für Abenteuer begeistert. Mirai als junges Mädchen aus der Zukunft und in dieser Form als Kuns ältere Schwester steht im Mittelpunkt. Sie übernimmt gewissermaßen dessen Erziehung zum verständigen Familienmitglied, weil Kuns Mutter berufstätig ist und der Vater mit Haushalt, Homeoffice und Baby alle Hände voll zu tun hat.

Das klingt sehr pädagogisch und ist es auch. Aber wie gute Pädagogik ist es höchst vergnüglich, voller Ironie über die Unzulänglichkeiten der Erwachsenen und von einem tiefen Verständnis für die Bedeutung der Familie geprägt, die von dem magischen Baum im Garten symbolisiert wird. Mag sich die Welt verändern, die emotionalen Probleme bleiben von Generation zu Generation die gleichen. Die Therapie des kleinen Kun ist am Ende abgeschlossen, wenn er sich selbst als jungem Mann begegnet. Er akzeptiert nun seine Rolle in der Familie, während kleine und große Zuschauer viele eigene Erfahrungen in diesem wunderschön gezeichneten Anime wiedererkannt haben dürften.

Foto:
 Mirai und Kun © Studio Chizu

Info:
Genre: Animation, Fantasy, Drama
Filmlänge: 98 Minuten
Drehbuch und Regie: Mamoru Hosoda
Japanische Sprecher: Moka Kamishiraishi, Haru Kuroki, Gen Hoshino, Kumiko Aso, Mitsuo Yoshihara, Yoshiko Miyazaki, Koji Yakusho u.a.