Serie: 13.Festival des Mittel und osteuropäischen Films in Wiesbaden vom 10. bis 16. April, Teil 10

 

Romana Reich

 

Wiesbaden (Weltexpresso) – Die Festivalsektion Beyond Belonging versammelt unter einem jährlich wechselnden Themenschwerpunkt auch Filme, die nicht in Mittel- und Osteuropa produziert wurden, sofern der Bezug zur Region sichtbar bleibt. Die dritte Ausgabe nimmt mit dem Gender Check! ein hochbrisantes gesellschaftliches Spannungsfeld der mittel- und osteuropäischen Länder in den Blick.

 

Dieser Blick zeigt zunehmende Emanzipationsbewegungen von Frauen und sexuellen Minderheiten stehen in vielen Gesellschaften einem Erstarken patriarchaler Werte und der Religion gegenüber. Das Programm der Sektion setzt sich mit den Geschlechterverhältnissen auseinander, beleuchtet in seiner Mischung aus historischen und neueren Werken sich verändernde Rollenbilder, Beziehungsmodelle und den gewandelten Blick auf Sexualität – mit der These, dass sich gesellschaftliche Ambivalenzen, Fortschritte, aber auch Rückschritte besonders deutlich an diesen Themenfeldern zeigen.

 

Schon in Ernst Lubitschs NINOTSCHKA (USA 1939) und dem Meilenstein der Tschechischen Neuen Welle TAUSENDSCHÖNCHEN – KEIN MÄRCHEN (Tschechoslowakei 1966) von Věra Chytilová werden Geschlechterverhältnisse und Gender-Stereotypen thematisiert und auf den Kopf gestellt. Mit diesen Klassikern, einer Mischung aus aktuellen Dokumentar- und Spielfilmen sowie einem Kurzfilmprogramm betrachtet das diesjährige Beyond Belonging- Programm den Themenkomplex „Gender“ aus ganz unterschiedlichen Perspektiven: So wird in den Dokumentarfilmen 2 IN 1 (Russland 2010, Svetlana Sigalaeva) und THE NEW SAINT (Niederlande, Belgien 2010, Allard Detiger) das russische Männerbild – mal sexuell emanzipatorisch, mal traditionsbewusst religiös – in den Fokus gerückt.

 

Der Teddy-Award Gewinner der diesjährigen Berlinale IM NAMEN DES … (Polen 2012, Małgorzata Szumowska) zeigt einen polnischen Priester im Konflikt zwischen seinem Glauben und seiner Homosexualität. Im Spielfilm IM SCHLAFZIMMER (Polen 2012, Tomasz Wasilewski) wiederum versucht eine Frau aus den Schranken eines estgefahrenen Lebens und Beziehungsmodells auszubrechen, während MAMA ILLEGAL (Österreich 2011, Ed Moschitz) moldauische Mütter begleitet, die im Ausland die traditionell männliche Rolle des Brotverdieners übernehmen. Die Generation You Tube und das weibliche Selbstverständnis heutiger Teenagerinnen in Russland steht im Vordergrund des filmischen Experiments ICH LIEBE DICH NICHT (Russland, Estland 2012, Pavel Kostomarov, Alexandr Rastorguev). Einen amüsanten und überraschenden Blick hinter die Geschlechterkulissen wagt schließlich die Liebeskomödie TIGER IN DER STADT (Slowakische Republik 2012, Juraj Krasnohorsky).

 

 

Podiumsdiskussion: Gender Trouble im aktuellen osteuropäischen Kino?

 

Der staatlich proklamierten Gleichstellung von Frauen und Männern im Sozialismus folgten insbesondere im postsowjetischen Raum Backlash und Retraditionalisierung. So agieren feministische Gruppen in Russland, Weißrussland und der Ukraine überwiegend in repressiven Zusammenhängen, die religiös-ideologisch verankert sind. Nicht zuletzt der Prozess gegen die Aktivistinnen der Gruppe Pussy Riot hat dies deutlich gemacht. Auf dem Balkan und im Kaukasus hatten wiederum bewaffnete Konflikte direkten Einfluss auf die Geschlechterbilder – zahlreiche Filme haben dies zum Thema gemacht, wie die Arbeiten der beiden bosnischen Regisseurinnen Aida Begić und Jasmila Žbanić zeigen. In Mitteleuropa, beispielsweise Polen, sieht es wieder anders aus …Zahlreiche Filme aus Mittel- und Osteuropa befassen sich mal offensiv, mal spielerisch mit dem gewandelten Blick auf Sexualität, Intimität und Beziehungen – Anlass genug, sich mit einer Podiumsdiskussion dem Thema zu widmen: Wie reagieren FilmemacherInnen auf sich verändernde Geschlechteridentitäten und Sexualitätsverständnisse? Wie behandeln sie gesellschaftliche Ambivalenzen und Ausdifferenzierungsprozesse anhand dieser Themen – kurzum: Wie werden Geschlechterrollen in ihren Filmen gespiegelt oder auch unterlaufen und aufgebrochen? Diese und ähnliche Fragen sollen mit FilmemacherInnen und TheoretikerInnen diskutiert werden.

 

 

PodiumsteilnehmerInnen

 

Moderation: Gaby Babić, goEast

 

 

Langfilmprogramm

 

Alpha: 11.04. / 18:00 Uhr

TIGRE V MESTE / TIGER IN DER STADT / TIGERS IN THE CITY

Regie: Juraj Krasnohorský, Slowakische Republik 2012, 90 Min / Deutschlandpremiere

Weiteres Screening: Alpha, 13.04. / 14:00 Uhr

In Anwesenheit des Regisseurs

 

Festivalzentrum: 11.04. / 20:00 Uhr

YA TEBYA NE LYUBLYU / ICH LIEBE DICH NICHT / I DON’T LOVE YOU

Regie: Pavel Kostomarov, Alexandr Rastorguev, Russland, Estland 2012, 85 Min

In Anwesenheit des Produzenten

 

Murnau-Filmtheater: 11.04. / 20:00 Uhr

NINOTCHKA / NINOTSCHKA / NINOTCHKA

Regie: Ernst Lubitsch, USA 1939, 115 Min

 

Caligari: 13.04. / 13:00 Uhr

W IMIĘ ... / IM NAMEN DES ... / IN THE NAME OF

Regie: Małgorzata Szumowska, Polen 2012, 96 Min

 

Murnau-Filmtheater: 13.04. / 14:00 Uhr

SEDMIKRÁSKY / TAUSENDSCHÖNCHEN – KEIN MÄRCHEN / DAISIES

Regie: Věra Chytilová, Tschechoslowakei 1966, 76 Min

 

Festivalzentrum: 13.04. / 20:00 Uhr

W SYPIALNI / IM SCHLAFZIMMER / IN A BEDROOM

Regie: Tomasz Wasilewski, Polen 2012, 72 Min

Weiteres Screening: Programmkino Rex, Darmstadt, 14.04. / 20:15 Uhr

In Anwesenheit des Regisseurs

 

Festivalzentrum: 14.04. / 20:00 Uhr

MAMA ILLEGAL / MAMA ILLEGAL / MAMA

 

Festivalzentrum: 14.04. / 20:00 Uhr

MAMA ILLEGAL / MAMA ILLEGAL / MAMA ILLEGAL

Regie: Ed Moschitz, Österreich 2011, 95 Min

In Anwesenheit des Regisseurs

Weiteres Screening: Palatin, Mainz, 15.04. / 20:00 Uhr

 

 

www.filmfestival-goEast.de