Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 27. Oktober 2011, Teil 1
von Romana Reich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wieder eine Woche, in der bedeutende Filme und im übrigen besonders viele anlaufen. Wir haben 15 gezählt und das kann keiner mehr bewältigen, weshalb diesmal bei den meisten nur auf den Filminhalt hingewiesen wird. Anders sieht es aus mit „Hotel Lux“. Da hatte Weltexpresso gerade ein gleichnamiges Buch vorgestellt, das eine sinnvolle Ergänzung zum Film ist, weil der als Komödie daherkommt, aber in sich wichtiges Geschichtswissen mitträgt. Und nicht nur das Wissen, sondern auch die Atmosphäre, im Guten wie im Schlechten. Deshalb fordern wir zum Besuch dieses Films am allermeisten auf, auch wenn andere künstlerisch bedeutender sind. Aber Filme erhalten ihre Bedeutung nicht nur durch ihre künstlerische Gestaltung, sondern auch durch innere Aussage. Wie hier.
HOTEL LUX
Herrlich die Eingangsszenen im Varieté. Denn das war eine Kulturchose in den Zwanziger und Dreißiger Jahren, wo die Deutschen führend in diesem Genre waren, was heute in Frankfurt der Tigerpalast tradiert. Überhaupt ist der Anfang von so viel Schwung getragen, daß die Darsteller Michael Bully Herbig als Komiker und Stalin-Parodist Hans Zeisig und sein Kollege Jürgen Vogel als Hitler-Parodist zu unserem Vergnügen ausloten, wieviel sie ertragen, die Hitlerschergen, die mitten im Protest und militantem Auftreten, dann laut zu lachen anfangen, sich aus lauter Unsicherheit, wie sie das einzuschätzen haben, als Scherzkekse geben und dann auch noch um Autogramme bitten, während der Varieté-Direktor und sein Ensemble Blut und Wasser schwitzt und der Maskenbildner, schwul und Kommunist am meisten.
Sie merken also schon, es geht rund in diesem Film von Leander Haußmann, in dem es viel zu lachen gibt, auf sehr ernsthaftem geschichtlichen Hintergrund, denn das Hotel Lux in Moskau, in dem dieser Zeisig landet, auf dem Weg nach Hollywood, wie er glaubt, das gab es wirklich und war das Gästehaus der Kommunistischen Internationale, kurz Komintern genannt, wohin sich viele deutsche – eigentlich deutschsprachige, denn auch Österreicher und Schweizer waren dabei - Kommunisten und Sozialsiten vor den Nazis retten konnten. Allein die Rettung entpuppte sich bei den meisten als Falle, denn die stalinistischen Säuberungen, die den Kommunismus nur in Stalinscher Prägung und das war keine theoretische zulassen wollten, bedeutete den Tod von mehr Linken in Rußland, als es Hitler in Deutschland gelungen war .
Doch wir meinen, daß im Film dieses Hotel Lux sehr gut die Atmosphäre von Heim und Heimlichkeit, von Verlaß und Verlies darstellt. Über den dunklen langen Fluren, wo Kinder beim Abtransport der Mutter sich zuraunen: „Sie ist eine Trotzkistin“, das Schlimmste also und damit die eigene Mutter mit Zustimmung der Kinder den Tod finden wird, ist etwas, was einem beim Lesen solcher Dinge nie so unter die Haut gehen kann, wie in der lebendigen Darstellung. Solche Szenen von gegenseitigem Verrat gibt es zu Hauf und wir meinen insgesamt, daß es sich sehr sehr lohnt, diesen Film anzuschauen, nicht allein, weil er gut gespielt ist, was man von Jürgen Vogel weiß und was man von Bully Herbig nun eindrucksvoll lernt.
Nein, das Entscheidende ist, daß er furchtbare deutsche und russische Geschichte in eine, naja vielleicht sogar Klamotte einpackt, die aber eine so wichtige und im deutschen kulturellen Gedächtnis nicht verankerte Wahrheit transportiert, daß wir laut und deutlich „Ja-Sagen“ zu diesem Film. Wir teilen die Meinung unserer Kollegin, die zum gleichnamigen Buch der österreichischen Kommunistin Ruth von Mayenburg „Hotel Lux“ aus dem Elisabeth Sandmann Verlag eine Rezension verfaßt hatte, daß das Buch, das die wirklichen Erlebnisse der Autorin, die also Rußland und das Hotel Lux überlebte, niederschreibt, sehr gut geeignet ist, die schreckliche Wahrheit, die hinter dem Film steckt, durch historische Fakten zu vertiefen.