f gloriamooreDie anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 22. August 2019, Teil

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Erstaunlich, überall, in den allermeisten Kritiken bekommt dieses Remake eines großen internationalen Filmerfolges aus Chile, den der chilenische Regisseur nun in Hollywood noch einmal verfilmt hat, eine ausgezeichnete Kritik – und noch erstaunlicher, seine Hauptdarstellerin Julianne Moore wird ob ihrer schauspielerischen Leistung in den Himmel gehoben – und wir fanden sie so was von blaß und glatt.

Glatt ist der ganze Film, der sicher manchen Freude macht, die die Originalversion nicht kennen. Dabei ist die doch gerade erst gelaufen, vom Gefühl her, so gut kann man sich an die zerrissene, müde und doch vitale Darstellung dieser Gloria durch die chilenische Schauspielerin Paulina García erinnern, die für diese Rolle auf der BERLINALE den Preis für die beste Darstellerin erhielt. Aber eh wir weiter vergleichen, erst einmal die Handlung.

Gloria ist eine gut erhaltene Mitfünfzigerin, die, nachdem die Kinder aus dem Haus sind, der Ehemann schon längst eine neue hat und ordentlich geschieden ist, es sich gut gehen lassen möchte. Wir treffen sie an der Bar eines Single-Clubs, wo sie am Martini nippt und im Takt der Musik mitwippt. Denn gleich wird sie tanzen, das ist ihre große Leidenschaft, wenn schon kein Mann da ist, dem sie gefällt – und nicht ganz unwichtig, der ihr gefällt. Immerhin ist sie schon 12 Jahre allein und hätte gerne doch sehr viel mehr vom Leben ihrer erwachsenen Kinder mitbekommen. Vor allem Sohn Paul könnte sie doch gut gebrauchen, könnte ihre Hilfe gebrauchen, denn sein Kind ist noch ein Baby und er quasi alleinerziehend, wenn auch nur, weil die Mutter sich auf einen Selbstfindungstrip begeben hat.

Die Tochter Anne hat einen schwedischen Freund, der als Profi-Surfer zurück in die Heimat will, Anne will ihn begleiten. Hochzeit und Kinder einbegriffen. Die Mutter ist fünftes Rad am Wagen. Alles in allem ist diese Gloria eine Frau in durchschnittlicher Situation und Position. Ihre Arbeit als Versicherungsangestellte erledigt sie zur Zufriedenheit aller und auch ihre alte Mutter besucht sie in passenden Abständen. Man hat den Eindruck von einem durchorganisierten Leben, dem nur eines fehlt: das überraschende Leben.

Dieses kommt unverhofft in Gestalt von Arnold. Der Gleichaltrige ist ein Ex-Militär und hat einen Abenteuerspielplatz für Erwachsene aufgezogen. Die beiden verstehen sich in allen Lebenslagen. Sie tanzen zusammen, sie lesen zusammen, Gedichte und anderes und dann schlafen sie zusammen. Das Problem, daß er dauernd von seinen Töchtern und auch seiner Frau angerufen wird, wird nicht kleiner dadurch, daß es sich um seine Ex-Frau handelt, die die Scheidung noch nicht so verkraftet hat, weshalb er sich um sie kümmern muß. Daß er finanziell die ganze Familie aushält, spricht ja eher für sein Verantwortungsgefühl, daß er aber ihre Anwesenheit und ihre Liebesbeziehung seiner Familie gegenüber verschweigt, was er in seinem Sinne auch aus Verantwortung gegenüber den Gefühlen von Töchter und Mutter ausgibt, das macht sie erst nachdenklich, dann verstört es sie.

Aber sie dreht den Spieß um, in die richtige Richtung. Sie nimmt Arnold mit zur Geburtstagsfeier ihres Sohnes Peter, wo er auch gleich ihren Ex-Mann Dustin mit neuer Frau Fiona kennenlernt. Ihr Faux pax läßt sie von der Schwangerschaft ihrer Tochter sprechen, wovon der Erzeuger aber noch keine Ahnung hat. Alles nicht schlimm. Doch dann verschwindet Arnold. Er ist einfach gegangen. Ihr sagt er dann, sie habe auf seinen Augenkontakt nicht reagiert, mit der er sie um Hilfe bat. Er fühlte sich als Außenseiter in diesem Familiennest. Sie aber kann ihm nicht verzeihen, daß er ohne ein Wort verschwand.

Doch steigert er sich jetzt zum Verehrer, der sie belagert, bis sie einwilligt, es noch einmal zu versuchen, denn im Kern können sie gut miteinander. Sie beschließen, nach Las Vegas zu fliegen, wo keine Familie auf ihn wartet. Und es geht gut, er ignoriert die Anrufe der Töchter, bis er dann doch wieder nachgibt und die Gespräche annimmt. Schon wieder ist alles kaputt. Er ist weg und sie genießt das Nachtleben allein, wacht dann ausgenüchtert irgendwo auf. Sie sitzt dann alleine ohne Rückflug im Hotel – und ruft ihre Mama an, die sie holt.

Jetzt ist es endgültig aus. Als sie seine Sachen wegschmeißen will, kommt ihr die Idee, ihn vor seiner Familie zu blamieren. Sie fährt dorthin, schießt auf ihn mit Farbe und lacht sich kringelig, als er total übergossen ist. Naja. Dann feiert sei mit auf der Hochzeit der Tochter ihrer Freundin und tanzt....

Wir haben uns auf die Wiedergabe kapriziert, weil uns der ganze Film einfach falsch vorkam, dessen Geschichte uns im chilenischen Vorbild berührte. Da ging es um was. Diesmal ist alles läppisch. Das fängt mit der Hauptdarstellerin an. Wer so glatte Haut hat, wer immer dasselbe Gesicht aufsetzt, der kann diese Gloria nicht glaubwürdig verkörpern. Der Film handelt doch von einer Frau, die nachdem sie ihr Leben dem Aufbau und Wohl einer Familie gewidmet hatte, jetzt noch einmal einen Aufbruch versucht. Wenn aber jemand aussieht wie aus dem Fitneßstudio und der Kosmetikfarm, fehlt der entscheidende Moment: der Alterungsprozeß, dem Gloria unterliegt und den sie außer Kraft setzen will.

Vielleicht erkannten wir diese Fehlstelle um so stärker, als wir in Pressevorführungen gleichzeitig WO IST KYRA? sahen, wo eine Michelle Pfeiffer vorführt, was es heißt, wenn die Haut papieren wird, Flecken erhält und die Müdigkeit in den Knochen steckt. Wir hätten eine solch ehrliche und gekonnte Darstellung von ihr nicht mal erwartet. Von Julianne Moore schon. Und deshalb sind wir mehr als enttäuscht von diesem glatten, zurechtgeschneiderten Nocheinmal von GLORIA, da können die Kolleginnen und Kollegen jubeln wie sie wollen. Ein richtig beliebiger Film.

Fotos:
© Verleih

Info:
DIE BESETZUNG
Julianne Moore          GLORIA BELL
John Turturro             ARNOLD
Caren Pistorius          ANNE
Michael Cera             PETER
Brad Garrett              DUSTIN
Holland Taylor           HILLARY
Jeanne Tripplehorn   FIONA
Rita Wilson                VICKY
Sean Astin                JEREMY