Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 5. September 2019, Teil 2
Redaktion
Berlin (Weltexpresso) –Wie sehr verarbeiten Sie in PETTING STATT PERSHING auch eigene Erfahrungen?
Ich war in den 80ern Jugendliche, und meine Beobachtungen haben mich inspiriert. Ich war sehr in der Anti-Atomkraft- und Friedensbewegung und vielen Gruppen engagiert, u.a. habe ich Artikel gegen Neonazis und über Umweltschutz verfasst. Das andere war, dass ich in den Politgruppen oft die Jüngste war. So kam ich nicht selten in die Rolle der Beobachterin und erlebte, wie diese Gruppen funktionierten, die Spielchen, die amourösen Verflechtungen. Mich hat schon als Jugendliche beschäftigt, wie viele ihre Widersprüche so verwischen, dass sie die Ideale überhöhen, aber vergessen, wer sie wirklich sind, woher sie kommen, was sie vielleicht geformt hat. Petting statt Pershing ist ein Film über das Politische im Privaten, über die Widersprüche einer Gesellschaft, die in den 80ern noch sehr piefig war, vor allem was das Frauenbild anging.
PETTING STATT PERSHING ist ein Film zum Lachen, meist schreiben Sie ernstere Stücke. Wie wichtig ist der Humor in diesem Film?
Der Humor kommt aus den Figuren und den Situationen, er wandelt die Tragik, um sie erträglicher zu machen. Ich sage immer: Komik ist gewandelter Schmerz. Es gibt Dinge, die sich präziser ausdrücken lassen, wenn man sie komisch erzählt.
Was ist das Besondere an der Hauptfigur Ursula?
Sie ist stark, sie ist klug, sie ist aber auch ein ganz normales Mädchen mit Stärken und Schwächen. An ihr kann man vielleicht sehen, wie schwierig es für ein Mädchen ist, selbstbewusst auszubrechen. Dass sie es schafft, ist irgendwo auch ein kleines Wunder. Man sieht an ihr auch, wie viele das vielleicht nicht schaffen. Hier spielen die Alternativen, die ins Dorf kommen, natürlich eine Rolle.
Was waren die Herausforderungen bei PETTING STATT PERSHING?
Wenn der Humor einer Komödie stark aus dem Subtext und den Figuren kommt, ist das für Zuschauer nicht leicht zu erkennen. Die Entscheider halten oft ihre eigene Interpretation für den Film. Das war auch hier so, und es war nicht leicht, das zu vermitteln.
Die Komödie erzählt vieles über die unterschiedlichen Generationen, nicht nur innerhalb Ursulas Familie. Wie interessant ist es für Sie, die Reaktionen der unterschiedlichen Zuschauer-Generationen auf den Film zu sehen?
Schon bei meinem Kurzfilm „Der kleine Nazi“ haben sehr unterschiedliche Generationen den Film gesehen und sich davon angesprochen gefühlt, ich fände es schon schön, wenn ihn sehr unterschiedliche Menschen sehen, da er einen anderen Blick auf die 80er wirft.
Was sagen Sie zu Fridays for Future?
Eine tolle Bewegung, aber ich glaube, es reicht nicht, dass wir die Kinder auf die Straße schicken, damit wir uns selber besser und politischer fühlen können. Die Gesellschaft kann insgesamt wieder politischer werden, solidarischer, durchlässiger, die Menschen aktiver. Es gibt noch so viele Themen neben dem Umweltschutz: gravierende soziale Ungerechtigkeiten, lokal und auch über die Grenzen hinaus, da gibt es noch viel zu tun, und es wäre schön, wenn mehr Menschen wieder über ihren Tellerrand hinausblicken würden.
Über PETRA LÜSCHOW
Petra Lüschow absolvierte ein Studium der Theater-, Film und Literaturwissenschaft in Berlin und Wien und studierte anschließend an der HFF Potsdam Drehbuch und Dramaturgie. Seither arbeitet sie als Drehbuchautorin und Dramaturgin in Deutschland und der Schweiz. Sie schrieb unter anderem das Drehbuch für das Drama NACHBEBEN, das seine Premiere 2006 im Panorama der Berlinale feierte. Sie schreibt vor allem für das Kino, wie die Adaption von TANNÖD, oder auch für Reihen im Fernsehen wie TATORT oder Einzelstücke. Seit zehn Jahren unterrichtet Petra Lüschow zudem an der DFFB „Szenisches Schreiben“ und Dramaturgie mit dem Schwerpunkt „Offenes Erzählen“. Ihre erste Regiearbeit, die Situationskomödie DER KLEINE NAZI, gewann zahlreiche internationale Preise. PETTING STATT PERSHING ist ihr Spielfilmdebüt als Regisseurin.
Foto:
© Verleih
Info:
Produktion . Kordes &Kordes
Buch und Regie . Petra Lüschow
Deutschland 2018
Länge . 97 Minuten
Darsteller
Anna Florkowski
Florian Stetter
Christina Große
Thorsten Merten
Britta Hammelstein
Leon Ulrich
Hermann Beyer
Barbara Phillip
Zoe Moore
Oskar Boekelmann
u.a.
Kamera Jutta Pohlmann
Licht . Martin Bourgund
Szenenbild . Fabienne Niedlich, Eva Maria Röth
Kostümbild . Sandra Meurer
Abdruck aus dem Presseheft