Bildschirmfoto 2019 09 26 um 22.50.33Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. September 2019, Teil 17

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Nein, so ein richtiger Horrorfilm ist MIDSOMMAR nicht. Eigentlich ist er noch noch schlimmer. Denn für das Furchtbare gibt es zwei Gegensätze, die Dunkelheit, die Abgeschiedenheit im Wald, in dem dann der böse Mensch in die Einöde einbricht – oder sein Gegenteil, der helle Sonnenschein, der lange Schatten wirft, in dem es heiß ist und weder Abkühlung kommt, noch es Abend wird, weil die Mitternachtssonne nichts mehr verbirgt.

Und die immerwährende ewige Sonne ist dann noch schlimmer als ihre Abwesenheit. Sie leuchtet alles aus, gibt keine Ruhe, durchleuchtet alles. Das wissen die zwei nicht, die als normales junges US-Bürgerpärchen wie so oft, wenn eigentlich Trennung angesagt ist, erst noch einmal miteinander auf Reisen gehen. Christian ( Jack Reynor) und seine Clique sind von seinem Freund Pele eingeladen - die Mitsommernacht wird am 24. Juni gefeiert, aber im Norden, wohin die Reise geht, geht die Sonne von Ende Mai bis Ende Juli nicht unter. Freundin Dani Ador ( Florence Pugh) kommt also mit, zumal sie als Studentin der Anthropologie an anderen Kulturen besonderes Interesse hat.

Ach doch, man sollte schon ihre Ausgangssituation schildern, die sie ins Bodenlose gestürzt hat, weshalb sie den USA gerne entrinnt. Ihre psychisch kranke Schwester hat sich umgebracht, zuvor aber die Eltern ermordet. Keine Hypothek, die man haben möchte, die aber andererseits erklärt, weshalb Dani sich einfügt in Sitten und Bräuche in Schweden, wo wir Reißaus nehmen würden. Das Auslöschen ihrer Familie ist aber auch der tiefere Grund, warum die innere Verbindung, die Liebe zu Christian erloschen ist. Dieser kann und will ihr nicht den Halt geben, den sie in dieser Situation braucht. Er will nicht und er kann nicht, denn er ist ein Egoist und der Empathie nicht fähig. Dafür wird er bestraft – sagen wir, eilen unserer Zeit, das heißt den Filmminuten aber zu weit voraus.

Die amerikanische Viererbande kommt in dem Dorf hoch oben in Schweden – gedreht wurde übrigens bei Budapest und auch dort brennt die Sonne gewaltig auf die wagenden Felder – an und hat gleich merkwürdige Erlebnisse. Ein Ehepaar stürzt sich von den Klippen in die Fluten, das, was kommt, wird noch doller, denn es geht in der Mittsommernacht um ein alle 90 Jahre auftretendes Ereignis, das gebührend vorbereitet wird. Schnell merken die vier, daß hier nicht lustig-luftig drauflos gelebt wird, sondern der Tagesablauf von einer Reihe von Ritualen rhythmisiert ist.

Und bevor wir die Handlung weiter schildern, eine deutliche Warnung an diejenigen, die nicht wissen, wie die Nazis mit derlei Ahnen umgegangen sind, die Weltuntergangssekten genauso anboten wie die Frische eines jungen unberührten Mädchens, das vor allem alten Männern Heil bringen sollte. All die verschrobenen Blut- und Boden-Mythologien in der Folge heidnischer Bräuche feiern hier fröhliche Urständ. Horror pur. Für solche Sachen interessiert sich besonders Josh (William Jackso), der eine Dissertation über die Hårga schreiben will, deren Stamm Freund Pelle entstammt. Und wie auch Christian die Sinne verwirrt sind, erkennt man daran, daß er auf einmal auch über die Bräuche und Riten dieser Gruppe forschen will, dabei hatte er sich noch nie für so etwas interessiert und verhält sich Josh gegenüber mehr als unkollegial.

Interessanter als der konkrete Ablauf, den man auch wegen der Spannung nicht verraten sollte und der grundsätzlich einen archaischen Opferritus zum Ziel – oder sollte man sagen: zur Erlösung - hat, ist die Frage, was uns der Regisseur damit sagen will, daß die hoffnungslose Dani in Nordschweden auflebt, daß sie, die von den eigenen Leuten eher belächelt, von den Fremden hochgeehrt wird, ja verehrt wird. Ob ihr blondes Haar dazu beiträgt, wissen wir nicht, auf jeden Fall wird sie hofiert, was sie zuläßt, ja genießt und was in ihrer Wahl zur Maikönigin gipfelt, nachdem alle anderen den Parcours wegen Erschöpfung abbrechen mußten.

Wir erleben die Verwandlung einer schwachen amerikanischen Seele, die wie ein Schwamm alle Überlebenshilfen im Norden Schwedens aufsagt, auf daß sie stärker werde und die anderen schwächer. Was passiert. Unheimlich. Und das alles auf dem Hintergrund nordischer Folklore, die mit ihren Runen – Entschuldigung, aber für Deutsche ist das noch immer fatal besetzt – auch großdeutsche Phantasien zum Ausdruck bringen. Sehr speziell das Ganze, aber nicht schlecht gemacht.

Uns allerdings hatte Ari Asters erster Film HEREDITARY, auch ein Horror-Schocker mehr überzeugt.

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Info:
Darsteller

Dani             Florence Pugh
Christian      Jack Reynor
Mark            Will Poulter
Josh .          William Jackso
Pelle            Vilhelm Blomgren

Regie & Buch Ari Aster
Kamera:Pawel Pogorzelsk

USA 2019, 147 Minuten