Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. September 2019, Teil 24
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eine ganz eigene Leinwanderfahrung bietet dieser Film über den letzten der großen Modeschöpfer, Ives Saint Laurent, – lächerlich, daß heute daraus Modedesign geworden ist, inzwischen wird alles und jeder designed - , die von Paris aus die eleganten Damen der oberen Zehntausend der Welt anzogen, eine Dokumentation, für den man erst einmal ihren Macher, Olivier Meyrou vorstellen sollte.
Der hatte die Aufnahmen 2001 begonnen, als der schon sehr kranke Yves Saint Laurent die Entwürfe für seine letzte Kollektion zeichnete, danach verkaufte er sein Modehaus an Gucci. Erst einmal erschrickt man, wenn man den aufgedunsenen, irgendwie unförmigen, gleichzeitig gebrechlichen, autistisch wirkenden älteren Mann erblickt, der sich auch seltsam bewegt, man erschrickt, wenn man den eleganten gutaussehenden Kerl noch in Erinnerung hat, der als Modeschöpfer – im Gegensatz zu Dior – so aussah, als ob er jederzeit an der Seite der Damen, die seine Kreationen trugen und bezahlten, als Begleiter auf den Festen an der richtigen Stelle gewesen wäre.
Dabei war alles ganz anders. Seit langem war Pierre Bergé sein Partner im Leben und im Modegeschäft, ein effektiver und tatkräftiger Mann des Diesseits und er bestimmt auch mit seinen Aussagen, seinen Interpretationen des Modemeisters diesen Film. Nicht unangenehm, aber doch wie ein Chefkurator über sein Meisterstück spricht, das selbst verstummt ist. Was der Fall war. Auch gegenüber dem Regisseur. Kein einziges Gespräch habe er mit ihm geführt, führen können, sagt Olivier Meyrou ganz offen. Da wollen auch wir schweigen, über die Silhouette, die unbeholfen durch Zimmer wandert, und die, den Stift in der Hand, die einst vergoldet war, nur Striche aufs Papier bringt, die nichts mit dem Zauber von damals zu tun haben. Da kommt man sich wie ein Voyeur vor, der unversehens in Privates eindringt und ist froh, wenn anderes in den Blick kommt.
Wir machen es wie der Film und richten den Blick rückwärts. Da gibt es genug Szenen, die das alte Paris als Modehauptstadt der Welt in den Blick nehmen, mit ihren Modehäusern, wo Ives Saint Laurent mit seinen Namenskürzeln eine entscheidende Rolle spielte. Wen zog er an? Es ging schon längst nicht mehr um die Abendkleider als Krone der Modeschöpfung, sondern um den Alltag. Um jeden Tag. Die neue Frau war längst berufstätig, braucht dafür Kleider – und Hosen. Tatsächlich ist Saint Laurent der Erfinder des Hosenanzugs der ab Mitte der Sechziger Jahre seinen Siegeszug antrat – und wohl nie mehr beendet wird. Saint Laurent und sein Le Smoking – den ersten hat öffentlich seine Muse Catherine Deneuve getragen - werden immer groß herausgestellt, aber natürlich haben Frauen wie Marlene Dietrich sich das schon vorher getraut, im Hosenanzug aufzutreten.
Der Spruch ist einfach zu schön, den Bergé immer wieder zitierte: „Coco Chanel gab den Frauen die Freiheit. Ives Saint Laurent die Macht.“ Der Hosenanzug wurde zur Arbeitskleidung für Frauen und ist es geblieben. Natürlich tritt man im Hosenanzug öffentlich anders auf, das galt für damals. Heute sind wir so weit, daß Frauen an den Spitzen von Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit auch Röcke tragen dürfen, wovon leider noch zu wenig Gebrauch machen.
Die Filmaufnahmen vom Skizzieren, dem Schneidern, dem Anprobieren und den fertigen Roben haben immer einen Reiz, weil sie nichts Endgültiges darstellen, sondern Menschen beim Tun zeigen, ein Herumwuseln und Aufgeregtsein, wie sie ankommen wird, die neue Kollektion, die Saint Laurent durchaus geschäftstüchtig – da hatte sicher Pierre Bergé seine Hände im Spiel – auch als Modelinie für die niederen Einkommensklassen – also uns – zweitverwertete. Beim Zuschauen des vielfachen Händespiels beim Kleidermachen mußte ich an den so schönen und doch gleich wieder vergessenen Film von P.T. Anderson AM SEIDENEN FADEN denken, dessen Couturier dem Pariser nachempfunden sein soll. Auf jeden Fall kannte der Regisseur die jetzt erst wieder aufgeführte Dokumentation, die auch vom inzwischen weiteren Biopic über Saint Laurent
Der Film wirkt wie von gestern. Das ist er auch, was aber gleichzeitig auch seinen Reiz ausmacht. Der Film ist 20 Jahre fertig, wurde sogar 2007 auf der Berlinale aufgeführt, aber seine weitere Ausstrahlung wurde auf Betreiben von Bergé verboten. War er sich zu diktatorisch oder war ihm das Bild von Saint Laurent zu unbeholfen und krank? Der starb am 2. 6. 2008 an einem kurz zuvor diagnostizierten Hirntumor; Bergé lebte bis 2017 und mit Änderungen, über die wir nichts wissen, läuft der Film jetzt an.
Foto:
© Verleih
Info:
Celebration
ein Film von Olivier Meyrou
Frankreich 2007/2018, 73 Minuten, französische OF mit deutschen UT