Horizont nahSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 10. Oktober 2019, Teil 18

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) - Die 18jährige Jessica (Luna Wedler) geht nach dem Abitur 1999 nicht wie ihre Freundinnen zum Studieren in eine andere Stadt, sondern sie hilft ihren Eltern Johanna (Victoria Mayer) und Rufus (Stephan Kampwirth) bei deren Catering-Familienbetrieb.

Bei einem Job während eines Fotoshootings sieht sie ein gut aussehendes männliches Model, das sie kurze Zeit später wieder auf der Kirmes trifft. Es ist der 20jährige Danny (Jannik Schümann). Er ist nicht nur attraktiv, sondern auch charmant, erfolgreich und reich. Er wohnt zusammen mit der etwa gleichartigen Tina (Luise Befort) in einer teuren Wohnung.

Danny ist nicht nur vermögend und umwerfend, er betreibt zusammen mit seinem Trainer Dogan (Frederick Lau) auch Kickboxen auf Wettkampfniveau und möchte noch in diesem Jahr in den USA an der Weltmeisterschaft teilnehmen. Doch schon recht bald merkt Jessica, dass Danny große Stimmungsschwankungen hat und dann niemanden an sich heran lässt.

Bald erfährt Jessica, dass Danny ein dunkles Geheimnis verbirgt, denn er wurde von seinem Vater missbraucht und mit HIV infiziert. Und was ist das eigentlich für ein Verhältnis zu seiner Mitbewohnerin Tina?

Doch Jessica glaubt an eine gemeinsame Zukunft und will für ihre Liebe kämpfen, auch wenn sich Danny immer mal wieder zurückzieht, egal wie lange ihr Zusammensein anhalten wird. Sie will unter allen Umständen an ihrer ersten großen Liebe festhalten, notfalls auch gegen den Widerstand ihrer Eltern, ihrer Freundinnen, von Dannys ehemaligem Sozialarbeiter Jörg (Denis Moschitto) und sogar von Danny selbst...


"Dem Horizont so nah" beruht auf dem gleichnamigen Erstlingsroman von Jessica Koch, erschienen im März 2016, der zum Bestseller wurde und über 800.000-mal verkauft wurde. Die Geschichte beruht auf Jessica Kochs eigenen Erlebnissen, allerdings betont sie selbst, dass das Buch ein Roman und keine Dokumentation sei.

Der Film wird häufig mit dem Kinoerfolg "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" (2014) oder auch "Drei Schritte zu Dir" (2019) verglichen, doch das ist ganz sicher zu hoch gegriffen. Es ähnelt mehr der harmlos-kitschigen Teenager-Romanze "After Passion" (2019), in dem eine junge Frau sich ebenfalls in einen jungen geheimnisvollen Mann mit schwerer Kindheit verliebt.

Da die Story doch recht kitschig daherkommt, versuchen der Regisseur Tim Trachte und die Drehbuchautorin Ariane Schröder, den Film als ernst zu nehmendes Drama einer ersten großen Liebe überschattet von einer tödlichen Krankheit und einer unglücklichen Kindheit zu inszenieren. Doch leider bleibt vieles blass, auch wenn sich der Film Zeit lässt, um Dannys Geheimnis und auch seine Beziehung zu Tina zu entwickeln.

Die Story wäre an vielen Stellen kaum zu ertragen, würde nicht Luna Wedler die Hauptrolle als Jessica spielen. Die Schweizer Schauspielerin hat schon in "Das schönste Mädchen der Welt" (2018) als Roxy überzeugt. Hier nimmt man ihre jede Regung als Jessica ab, egal ob sie lacht, sich streitet, verliebt schmachtet, weint oder verzweifelt ist. Vor allem ihre Performance macht den Film sehenswert.

Jannik Schümann spielt seine Rolle als gut aussehender erfolgreicher junger Mann mit einer schwierigen Vergangenheit glaubhaft. Allerdings kann Danny ganz sicher als Fotomodell arbeiten, aber es ist doch recht unwahrscheinlich, dass ein Mann mit HIV in einer Sportart wie Kickboxen auf internationalem Niveau starten darf, in dem es regelmäßig zu Blutungen kommen kann. Diese Szenen wirken auch wenig glaubhaft - vor allem, weil es andere Szenen gibt, in denn Danny verletzt wird und sich von niemandem behandeln lässt, der nicht Erfahrung mit dem Umgang von HIV-Erkrankten hat.

Während Stephan Kampwirth und Victoria Mayer als Jessicas Eltern doch recht blass bleiben, versuchen Luise Befort als Dannys Mitbewohnerin Tina, die ebenfalls eine schreckliche Kindheit hatte, Denis Moschitto als Dannys und Tinas ehemaliger Betreuer und Frederick Lau als sein Trainer Dogan das Bestmögliche aus ihren eindimensionalen Charakteren und ihren wenigen Szenen heraus zu holen.

Dazu kommt, dass Dannys Krankheit bis kurz vor dem Ende eigentlich nur abstrakt ist. Jessica, ihre Eltern, ihre Freundinnen und auch die Zuschauer wissen es zwar, aber es zeigen sich eigentlich keine Auswirkungen, außer dass die Beiden beim Sex Vorkehrungen treffen müssen. Gerade hierdurch unterscheidet sich "Dem Horizont so nah" von den oben genannten "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" und "Drei Schritte zu Dir", bei denen die Krankheiten integrale Bestandteile der Stories sind.

Insgesamt erreicht "Dem Horizont so nah" bei weitem nicht das Niveau von "Das Schicksal ist ein mieser Verräter". Es ist ein leider doch rechter formelhafter etwas schnulziger Film entstanden, der aber ganz sicher für die (weiblichen?) jugendlichen Kinobesuchern genug Herz und Schmerz bereithalten wird, damit bei der einen oder anderen Szene ihre Augen feucht werden. Deshalb ist der Film trotz der platten und vorhersehbaren Geschichte für diese Zielgruppe gerade noch sehenswert.

Zusatz: Jessica Koch hat nach Dem Horizont so nah auch noch zwei Prequels über Dannys Leben geschrieben und veröffentlicht: Dem Abgrund so nah über Dannys Kindheit und Dem Ozean so nah über den Hintergrund der Beziehung zwischen Danny und Tina. Beide Bände sind ebenfalls 2016 erschienen.

Foto: Danny (Jannik Schümann) und Jessica (Luna Wedler) © Studiocanal GmbH

Info:
Dem Horizont so nah (Deutschland 2018)
Genre: Drama, Romanze, Romanverfilmung
Filmlänge: 109 Min.
Regie: Tim Trachte
Drehbuch: Ariane Schröder nach dem Roman Dem Horizont so nah von Jessica Koch
Darsteller: Luna Wedler, Jannik Schümann, Luise Befort, Frederick Lau, Denis Moschitto, Victoria Mayer, Stephan Kampwirth u.a.
Verleih: Studiocanal GmbH
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 10.10.2019