f horizont2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 10. Oktober 2019, Teil 16

Redaktion

Berlin (Weltexpresso) -  Die Geschichte in Jessica Kochs Roman spielt Ende der Neunzigerjahre. Dass die Verfilmung diesem Zeitrahmen treu blieb, war Voraussetzung – allein durch die HIV-Thematik hätte eine andere Zeit überhaupt keinen Sinn ergeben. Bezüglich des visuellen Konzepts stand man daher immer wieder vor Herausforderungen, erinnert sich Kristina Löbbert.

„Unsere Aufgabe ans Visuelle war, dass wir natürlich den Neunzigern treu bleiben und da auch genau sein müssen, dennoch wollten wir nicht, dass es quasi ein historischer Film wird. Er muss auch in der heutigen Zeit funktionieren. Der Zuschauer sollte nicht im Kino sitzen und denken: ‚Damals, wie lustig, was wir für Klamotten getragen haben...‘. Es sollte sehr heutig wirken.“ Tim Trachte ergänzt: „Wir wollten definitiv nicht ständig über die historische Ausstattung spielen. Das war einfach nicht Thema. DEM HORIZONT SO NAH würde ich auch nie als in-einer-bestimmten-Zeitverankert bezeichnen.“ Dennoch war eine Retro-Anmutung angedacht, um ein nostalgisches Gefühl zu transportieren, das etwas Warmes und Beschützendes mit sich bringt.

DEM HORIZONT SO NAH zeichnet sich durch warme Farbgebung und Aufnahmen im Breitbildformat aus. Der Regisseur und sein Stammkameramann Fabian Rösler hatten sich im Vorfeld schnell auf anamorphische Bilder geeinigt. „Das Scope-Format ist ideal, wenn man nah an die Figuren ran will, aber trotzdem ganz oft zwei Menschen im Bild haben will. Zudem wollten wir eine gewisse Distanz wahren, unseren Figuren Raum lassen, damit es nicht zu plakativ wird und droht ins Klischee zu verfallen“, überlegt Trachte.

Die Farben der Bildgestaltung hielten Trachte und Rösler sehr luftig, mit flachen Kontrasten und einem Touch Technicolor-Look. „Wir wollten nicht zu tief in die Schwärzen abrutschen und dem Film den Anstrich eines Sozialdramas geben. Er sollte auch hier eher märchenhaft wirken.“ Unterstützend setzte Kameramann Fabian Rösler teils auch mit altem Glas gebaute anamorphotische Optiken ein, die fehlerhaft waren. „Dadurch wirkten die Bilder milchig und die Kontraste wurden noch weicher“, erklärt Trachte.
Beim Drehen selber verfolgten Tim Trachte und Fabian Rösler dann kein strenges Konzept. „Wir wussten, dass wir immer relativ nah an unsere Hauptfiguren ran wollten, und zwar mit normalen, breitwinkligen Brennweiten. Gerade, wenn Jessica und Danny eng sind oder sich küssen, hatten wir Optiken, mit denen wir auf einen halben Meter ran konnten und so wirklich dabei waren und nicht störend zugeschaut haben. Auch wenn wir den Schauspielern dadurch auf die Pelle gerückt sind - es hat trotzdem gut funktioniert“, erklärt Trachte.

Neben dem insgesamt detailfreudigen Umgang der Szenenbildnerin Christiane Krumwiede war für Kristina Löbbert eine große Leistung dieser Abteilung der Jahrmarkt, der zu Beginn und am Ende des Films eine Rolle spielt: Hier lernen sich Jessica und Danny kennen. Nach einer ersten Begegnung am Schießstand sitzen sie gemeinsam in einem Fahrgestell namens Raupe. „Die Kirmes war ein großer Aufriss. Da haben wir lange überlegt, wie wir das machen. Wir konnten ja keinen bestehenden Jahrmarkt nehmen, der voller Gegenstände ist, die es in den Neunzigern gar nicht gegeben hätte. Und einen bestehenden leer zu räumen, war keine Option“, schmunzelt Löbbert. Schließlich entschied sich das Team dazu, sich bei einem Verleih für alte Fahrgestelle eine eigene Kirmes zusammenzustellen. „Da haben wir uns ein paar Sachen herausgepickt und anliefern lassen und das Ausstattungs-Team hat die Buden bestückt. So hatten wir ein paar Nächte unsere eigene Kirmes“, so Löbbert.

Beim Score arbeitete Tim Trachte mit Michael Kamm zusammen, der u.a. durch die Filmmusiken von Baran bo Odars Regiewerken für Aufmerksamkeit gesorgt hatte. Und gerade bei der Songauswahl war es Trachte wichtig, nicht übers Ziel hinauszuschießen. „Sicher gibt es auch Settings, bei denen sich eine Art Überhöhung angeboten hat.“ Etwa, wenn Jessica und Danny zum zweiten Mal mit der Raupe fahren. Da läuft ein Song von Foreigner. „Der passt da einfach perfekt. Er passt zum Augenblick und dem Retrocharme der Raupe.“ Trachte hat darüber hinaus auch Songs aus den Neunzigern eingesetzt, „aber auch nicht durchweg. Manche Stücke sind aus der Jetztzeit, darunter auch Singer-Songwriter-Stücke. Die Songs sollten nie die Führung übernehmen. Die Texte der Lieder sollten nicht zu sehr den Film erklären, dürfen die Geschichte nicht anschreien.“

Eine weitere Besonderheit bei der Entstehung von DEM HORIZONT SO NAH war die Geschwindigkeit, mit der das Projekt mit dem Dreh beginnen konnte: Anfang 2018 wurde die Finanzierung angeschoben. Oft ein langwieriger Prozess. Doch hier konnte schon im Herbst desselben Jahres gedreht werden. „Man hatte das Gefühl, dass sich alle gefreut haben – einschließlich der Förderer in NRW und Bayern bis hin zu unserem Partner Seven Pictures –, dass mal ein anderer Stoff fürs kommerzielle Kino daherkommt. Sonst werden ja zu 99 Prozent Komödien und Family-Entertainment-Stoffe eingereicht“, erzählt Trachte. 

DEM HORIZONTSO NAH wurde von Mitte September bis Mitte November 2018 gedreht. Hauptdrehort waren Köln und Umgebung. Ein paar Tage München sowie, zum Abschluss, ein paar Tage in Portugal in der Nähe von Lissabon. In Portugal entstanden die Szenen, die im Drehbuch in den USA spielen. Laut Kristina Löbbert habe man vorab mit dem Gedanken gespielt, wirklich in die USA zu reisen. „Das wäre aber irre aufwändig gewesen mit all den Regularien, Arbeitsvisa etc. und in unserer Zeitspanne nicht zu schaffen. Deshalb haben wir eine Alternative gesucht.“ In Portugal, an der Küste, fand die Crew schließlich ihr Amerika. „Das Land ist ideal, um Amerika in allen möglichen Breitengraden zu erzählen. Es gibt Pinienwälder, Anmutungen von den Rocky Mountains, riesige Strände, Steilküsten... und das alles nah beieinander“, schwärmt Löbbert. Für sie war besonders der abschließende Dreh in Portugal ein Highlight des ganzen Filmprojektes: „Wir waren alle schon so zusammengewachsen, das Wetter hat fantastisch mitgespielt, und es gab für mich immer wieder Momente hinter dem Monitor, wo mir die Tränen geflossen sind, und ich mich dann schnell in die Dünen verdrückt habe. Das war schon sehr ergreifend.“

Foto:
© Verleih

Info:
Dem Horizont so nah (Deutschland 2018)
Regie: Tim Trachte
Drehbuch: Ariane Schröder nach dem Roman Dem Horizont so nah von Jessica Koch
Darsteller: Luna Wedler, Jannik Schümann, Luise Befort, Frederick Lau, Denis Moschitto, Victoria Mayer, Stephan Kampwirth u.a.

Abdruck aus dem Presseheft