Jan-Ole Gerster
Berlin (Weltexpresso) - Das Drehbuch zu LARA erschien mir schon beim ersten Lesen wie ein kleines Wunder – eine kleine, große Geschichte. Auch wenn mir die titelgebende Hauptfigur augenscheinlich nicht ferner hätte sein können, so war sie mir doch merkwürdig nah und vertraut. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich zwar noch nicht genau benennen, was mich mit dieser sonderbaren Frau verband, aber dies zu ergründen war für mich das große Abenteuer in der Entstehung dieses Films.
Unter all ihrem vermeintlich niederträchtigen, widersprüchlichen und manipulativen Handeln entblättert sich im Fortlauf der Geschichte ein großer Schmerz – das Drama eines falsch gelebten Lebens. Lara ist eine Kämpferin, die bis zuletzt um die Deutungshoheit ihres Lebens ringt. Ob sie die Einsicht über eine falsche Entscheidung noch an sich heranlassen wird oder ob sie weiter insistiert, bleibt das Geheimnis des Films.
Do it or die trying. Mit dieser einfachen, aber sehr pragmatischen amerikanischen Redewendung konnte ich immer sehr viel anfangen. In meinem Studium an der Filmhochschule kam ich irgendwann an den Punkt, dass mich die Ehrfurcht vor dem Kino und die Ansprüche an meinen ersten Film ins Wanken brachten. Ähnlich wie Lara hatte ich Zweifel und Ängste, die mich fast davon abgehalten hätten, Regisseur zu werden. Es gab an meiner Filmschule auch ein, zwei Dozenten, die diesen Schritt sicherlich begrüßt hätten. Die Vorstellung, es jedoch nie probiert zu haben und mein Leben an diesem Traum vorbei zu leben, erschien mir allerdings grausamer als die Möglichkeit des Scheiterns. Nicht nur in künstlerischen Prozessen, sondern generell, wachsen wir gleichermaßen an Erfolgen wie an Misserfolgen. Es kann niemals darum gehen, reibungslos durch dieses Leben zu kommen. Unter diesem Aspekt ist LARA eine universelle und zeitlose Geschichte, weil uns die Frage nach einem erfüllten Leben und Lebensträumen alle betrifft. Am Ende geht es immer darum, die Einsamkeit einer wichtigen Lebensentscheidung auszuhalten, sich zu offenbaren und ein Wagnis einzugehen.
Blaž Kutin
Einen begrenzten Zeitraum im Leben eines Menschen besonders genau zu betrachten – das war der Ausgangspunkt meiner Geschichte über Lara. Welche Probleme und Dilemmata, Enttäuschungen und Illusionen begegnen uns, und wie gehen wir mit ihnen um? Denn sie machen uns zu dem, was wir sind – meistens gefangen im eigenen Leben und fast nie vollständig glücklich. Aber selbst wenn wir so unglücklich sind, dass wir wissen, wir müssten etwas ändern, kommen wir kaum weiter als bis zu dieser Erkenntnis. Wirkliche Veränderung braucht wesentlich mehr Zeit, und sie passiert fast nie dann, wenn wir es wollen. Ich glaube, dass unser Leben eine mühsame Entwicklung in kleinen Schritten ist, hin zur Verwirklichung des Bildes, das wir von uns selbst haben. Und ich glaube fest an die Tatsache, dass es – wenn es um Menschen geht – immer mehr als eine Wahrheit gibt.
Mein Lieblingsmaler war immer schon Amedeo Modigliani. Seine Portraits kann ich stundenlang ansehen, um mich in den Augen, der Mimik und dem Ausdruck seiner Modelle zu verlieren. Seine Gemälde bilden Menschen ab, nicht Ideen. Und es gibt – wenigstens für mich – nichts Faszinierenderes, als Menschen in all ihrer Komplexität zu zeigen. Oder, um es anders auszudrücken, nichts ist unterhaltsamer, interessanter und lohnender, als ihnen so nah zu kommen, dass wir sie ganz genau beobachten können. Denn etwas ist immer versteckt, etwas, das nie enthüllt oder erklärt werden kann und immer unserer Vorstellung überlassen bleibt – genau wie in einem Gedicht. Niemand versteht uns vollständig, nicht einmal wir uns selbst. Deshalb habe ich einen Film über einen Menschen geschrieben. Weil ein Mensch ein ganzes Universum ist.
FORTSETZUNG FOLGT
Foto:
Verleih Studiocanal
Info:
„Lara“, D 2019, 98 Minuten, Filmstart 7. November
Regie Jan-Ole Gerster
Mit
Lara Corinna Harfouch
Viktor Tom Schilling
Herr Czerny André Jung
Reinhofer Volkmar Kleinert
Viktors Vater Rainer Bock
Abdruck aus dem Presseheft
Viktor Tom Schilling
Herr Czerny André Jung
Reinhofer Volkmar Kleinert
Viktors Vater Rainer Bock
Abdruck aus dem Presseheft