Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Situation ist nicht neu ist, ist sogar konstitutiv für ein Filmgenre innerhalb der Polizeifilme, wo nämlich das Verhör – so könnte dieser Film, ein Krimi?, ja und nein – gut heißen, wenn es nicht schon so viele Filme gleichen Namens gäbe. Kurzum: es geht um den Klassikger, hier der Kommissar, da einer der verhört wird.
Und schon hier muß man gleich halt rufen. Denn so war es gar nicht. Verhöre sind die Zwiegespräche, wo einer durchaus aus Verdachtsgründen zu einem Verbrechen von der Polizei befragt wird, die ja nicht namenlos ist, sondern durch ihr Personal vertreten werden, hier durch den Kommissar Buron (Benoit Poelvoorde). Und das, was zum Verhör ausartet, ja zu einem verbalen, wenn auch nicht intellektuellen Spießrutenlaufen für den Befragten Fugain (Grégoire Ludig), das war gut gemeint und ist ganz einfach. Denn Fugain hatte das Pech, daß er beim nach Hause kommen über einen stolperte, der sich als tot herausstellte, weshalb er umgehend die Polizei rief. Und das war sein Fehler!
Der Kommissar hält sowieso die Szenerie für eindeutig, glaubt also, daß der Fund nur vorgetäuscht ist und der angebliche Zeuge der eigentliche Mörder ist und verhört und verhört...Fugain hingegen wollte ja nur vom Fund berichten, tut das auch, wird aber so viel gefragt, daß er neben den klaren Sachverhalten immer noch was dazuerfinden muß, damit der Kommissar zufrieden ist, der nicht locker läßt, auch jetzt nicht und überhört, daß sein Verdächtiger, eigentlich nur sein Zeuge, müde ist, Hunger hat, ach was, er nutzt dessen Abgeschlagenheit sogar aus, weil er sicher weiß, daß der irgendwann so durcheinander ist, daß er sozusagen aus Versehen die Wahrheit sagt.
Das Tolle an der Situation ist eigentlich, daß der, der da zuhört hin- und hergerissen ist zwischen diesen beiden Typen. Denn wechselweise findet man den einen blöd, hält also zum anderen. Zuerst ist die Sympathie klar beim angeblich Verdächtigen, weil man den Kommissar einfach für unerträglich hält in seiner Impertinenz, dann passieren aber Sachen...und schon muß man aufpassen, nicht das zu verraten, was in der Polizeistation so alles passiert. Denn da kommen noch weitere Figuren ins Spiel. Hauptkommissar Buron muß nämlich mal kurz das Dienstzimmer verlassen, will den Zeugen/Verdächtigen aber nicht alleine lassen und bittet seinen Kollegen, den wir schon als Tollpatsch erlebt hatten, auf Fugain aufzupassen.
Wie das aussieht, das gehört zu dem, was nicht verraten werden darf. Und auf einmal registrieren wir endlich, daß bei den vielen Antworten von Fugain wirklich etwas nicht stimmt. Und das hat Gründe, die nun nach und nach ans Licht kommen. Es ist nämlich Fugain nicht einfach nach Hause gekommen in dieser Nacht, sondern er ist aus seiner Wohnung nach einer Auseinandersetzung mit seiner Frau ganze sieben Mal nach unten gelaufen, aber eben immer wieder in die Wohnung, da bringt man schon durcheinander, wer gerade das Haus verlassen hatte, als er den Toten fand oder welche Autos gerade parkten. Bei sieben Mal verschieben sich einfach die gemerkten und gefühlten Dinge.
Die Hauptsache aber ist etwas anderes. Denn eigentlich ist die oben geschilderte Situation ganz klar eine Klamotte und alle Darsteller überziehen zudem, aber man nimmt alle diese Übertreibungen nicht als lächerlich wahr, sondern einerseits als bittere Komik, ja Satire, mit dicken Kübeln von schwarzem Humor. Grotesk ist, was man da sieht und hört. Man ist fassungslos, wie hemdsärmelig, wie unverschämt der Kommissar mit dem Zeugen/Verdächtigen umgeht. Eindeutiger Machtmißbrauch. In dessen Fängen möchte man nicht stecken. Und beim gegenseitigen Nichtverstehen, denn Fugain ist wirklich unschuldig, kommt dem Zuschauer unwillkürlich Kafka in den Sinn, weil alles derartig aus den Fugen gerät, daß die Absurdität wie zwangsläufig erscheint – und keine Kraft, die Halt sagt und aufklärt. Starke 73 Minuten, die Regisseur Quentin Dupieux uns beschert.
Foto:
© Verleih
Info:
Darsteller
Hauptkommissar Buron Benoît Poelvoorde
Louis Fugain Grégoire Ludig
Philippe Marc Fraize
Fiona Anaïs Demoustier
Sylvain Buron Orelsan
Champonin Philippe Duquesne
Franchet/Carine Lustain Jacky Lambert
Narta Jeanne Rosa
Daniel Vincent Grass
Louise July Messéan
Darsteller
Hauptkommissar Buron Benoît Poelvoorde
Louis Fugain Grégoire Ludig
Philippe Marc Fraize
Fiona Anaïs Demoustier
Sylvain Buron Orelsan
Champonin Philippe Duquesne
Franchet/Carine Lustain Jacky Lambert
Narta Jeanne Rosa
Daniel Vincent Grass
Louise July Messéan