Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 6. Juni2013; Teil 1
Romana Reich
Berlin (Weltexpresso) – Fortsetzungen von Filmen gibt es – neben den geplanten Serien - oft dann, wenn der Erfolg überraschend besonders groß war, wie es mit den Filmen um Celine und Jess passierte. Wir wollten vorschlagen, daß Kinos auch heute die beiden 'alten' Filme aufführen, um sie mit heutigen Augen hintereinander sehen zu können.
BEFORE MIDNIGHT
Das hat sich herumgesprochen, daß Regisseur Richard Linklater mit seinen Hauptdarstellern Julie Delpy und Ethan Hawke den dritten Teil der Liebesgeschichte wagte, die im ersten Film vorsichtig als spontane Geschichte begann. Und weil das so ist, muß jede Filmkritik über diese filmische Langzeitstudie eines Liebespaares im dritten Akt auch mit dem Anfang beginnen. Das war im Sommer 1995, als Jess, der von Europa und den Europäerinnen begeisterte Jungamerikaner, der zufällig mit der Französin Celine, süß und blond, im Budapester Zug sitzt, diese motiviert, mit ihm in Wien auszusteigen und den Tag zu verbringen, was BEFORE SUNRISE hieß und bedeutete.
Der Film war und ist einfach ein Ausdruck dessen, was spontanes Verhalten zu jeder Zeit möglich macht, aber eben bei Jungen und spontan Verliebten auch angenehm anzuschauen ist, wie sie altklug über das Leben, das vor ihnen liegt regen, denn noch sind sie ungebunden und frei und nutzen hingebungsvoll den Tag in Wien, Prater einschließlich, auch eine Liebeserklärung an Wien. Die nächste ist dann eine an Paris. Neun Jahre später, also 2004 sehen wir in BEFORE SUNSET, wie beide in der Hauptstadt der Liebe aufeinandertreffen und alles ganz anders ist, aber das eine gleich: das von einander Angezogensein, daß nach Liebe drängt.
Wiederum neun Jahre später erleben wir in BEFORE MITNIGHT, daß tatsächlich aus dem Liebespaar ein Paar wurde, wobei sich Jess deshalb von seiner Frau in Amerika getrennt hatte und also auch den Sohn zurücklassen mußte; er selbst lebt mit Celine in Paris, wir sehen ihn aber am Anfang als rührend besorgten, aber auch etwas nervig stocksteifen Vater seinen Sohn ans Flugzeug bringen, das diesen aus den gemeinsamen Sommerferien in Griechenland nach Hause expediert. Allein, was sich daraus und aus den folgenden Telefonanrufen des Sohnes, die immer Celine gelten, über Erziehung und Männer und Frauen sagen ließe, könnte ein Buch füllen.
Der nächste Schnitt zeigt uns Celine und die zwei Töchter – süße, gescheite, blonde Zwillinge, ganz die Mama - die auf Jess im Auto warten, denn jetzt geht es zurück zur griechischen Ferienstätte, die wie in einem Werbefilm uns die schönste Seite Griechenlands zeigt und auch, wie gut betuchte kulturell interessierte Europäer es miteinander gut aushalten können. Eine Ferienidylle, die nur Risse zeigt, wenn man neben den netten Worten der vier Paare sich die Gesichter der Partner beim Reden des jeweils anderen genau anschaut. Aber darum geht es nicht. Es geht nur um Celine und Jess.
Witzig fanden wir, wie man sich im Film immer wünscht, es möge doch gut gehen mit den beiden. Denn der Film handelt von dem, was alle kennen, die Partnerschaften eingehen, vom allmählichen Alltagstrott, der auch darin besteht, daß bei guten Beziehungen täglich, ja stündlich ausgehandelt werden muß, wer in diesem Fall das Sagen hat, und all den Verletzungen, die ein gemeinsames Leben eben auch zurücklassen. Selbst wenn SZENEN EINER EHE, dieser Epochenfilm von Ingmar Bergmann von 1973, diese neue Art, auf intellektuell sprachlicher Ebene eine Ehe zu führen ins Dramatische steigerte, sind wir doch in der Richtung der Auseinandersetzungen, die wir mit Celine und Jess erleben, als sie als Geschenk eine gemeinsame Nacht im Luxushotel, also ohne die Kinder, geschenkt erhalten, gut dabei.
Gut dabei ist auch Celine, denn – wirklich fast wie immer – sind es die Frauen, die den verbalen Schlagabtausch in Szene setzen, auch besser beherrschen, die aber auch den Sachen stärker auf den Grund gehen, als – in der Masse – Männer, die einfach in Ruhe leben wollen. Das ist im Film wunderbar gemacht, die Dialoge, die von allen dreien stammen, gehen ans Herz und die Nieren und unser Verständnis für die Partner wächst, denn jeder argumentiert aus seiner Sicht, während wir selbst bei unseren Auseinandersetzungen eben doch die eigene Perspektive wichtiger finden. Oder geht es Ihnen anders?
Wir finden diesen Film rundherum ansehenswert und sind – Inshallah – auch in neun Jahren wieder dabei.
P.S. Lesen Sie auch unsere Filmkritik, die auf der Berlinale 2013 entstand, wo der Film lief.
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kino/1380-before-midnight