Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 6. Juni2013; Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) – Nicht, weil dieser Film wer weiß wie gut wäre, sondern weil er den größten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts in seinen Bildern und Lebensfragmenten zeichnet, von dem die Deutschen immer noch zu wenig wissen: Max Beckmann.

 

 

MAX BECKMANN: DEPARTURE

 

Ein Grundproblem von Künstlerfilmen bleibt, wie im Film sich Werk und Leben des Protagonisten gegenseitig durchdringen können, wo man zwar die den Kundigen sprechenden Werke auf der Leinwand zeigen kann, aber aus dem Lebensbereich nur auf die Aufnahmen zurückgreifen kann, die vorhanden sind und gerade so wichtige Lebensabschnitte wie Flucht und Exil verständlicherweise zu kurz kommen.

 

Immer wieder werden darum aus Künstlerviten Spielfilme biographisch aufgehübscht, weil dann die Phantasie der Zuschauer Zucker erhält, wie es gerade in dem französischen Film RENOIR auf liebenswerte Weise geschah, wo Vater Maler und Sohn Regisseur ein Denkmal gesetzt wurde, wo es keiner so genau nimmt, ob das alles so gewesen ist, wie es im Film aufscheint. Mehr ein Zeitdokument im Spielfilmformat als ernsthafte Biographie.

 

Um eine solche geht es aber Michael Trabitzsch, der schon in seinem Film über ERNST LUDWIG KIRCHNER gezeigt hatte, wie sehr ihn die Nachkriegszeit nach dem Ersten Weltkrieg, die Weimarer Republik und die Nazizeit in Hinblick auf das Schicksal derer beschäftigt, die ausgegrenzt und verboten doch genau diejenigen waren, die als epochemachende Maler der Moderne erst nach der zweiten Nachkriegszeit des 20. Jahrhunderts, nach 1945 auch in Deutschland zu Heroen werden durften.

 

Kirchner war da schon längst tot, durch einen Selbstmord am 15. Juni 1938 im Exil bei Davos. Aber auch Max Beckmann, der 1884 in Leipzig geboren war und in den Zwanziger Jahren an der Städelschule in Frankfurt Professor für Malerei war, bis ihn die Nazis direkt 1933 vertrieben, starb schon am 27. Dezember 1950 in New York, mit 66 Jahren, wo nach dem bekannten Udo Jürgens Schlager das Leben ja erst anfängt. Warum er nach dem Krieg nicht zurück nach Deutschland ging, bleibt eine Frage, die man aber einem Toten nicht stellen kann, zumal damals eben Rückkehrer nicht als die eigentlichen Helden der Wirklichkeit sofort Professuren und hervorragende Künstlerateliers gestellt bekamen. Und einer wie Beckmann gehörte zudem zu denen in der Neuen Welt, die mit ihrem Werk reüssierten.

 

Das alles ist eine schwierige Gemengelage für einen Film, der – wie gesagt – sowohl das Werk wie das Leben des Künstlers ernst nimmt und vermitteln will. Von daher ist wohl die erste Filmentscheidung diejenige gewesen, nicht am Gesamtwerk entlang und damit auch an der Entwicklung von Beckmann orientiert – wie es die drei großen und wirklich exzellenten Ausstellungen 2011 machen konnten, die die Landschaften in Basel, die Porträts in Leipzig und das Spätwerk in Frankfurt zeigten – eine Gesamtschau zu versuchen, sondern an ausgewählten Werken, hier drei der insgesamt zehn Triptychen, für die Beckmann auch berühmt wurde, das Werk zu verdeutlichen und das Leben durch die vorhandenen Filmaufnahmen, Fotos, Selbstzeugnissen wie Tagebücher oder Briefe und Zeugnisse der Freunde durchscheinen zu lassen.

Und schon sind wir ungenau. Denn der Film leitet uns – oberflächlich – auch anhand seiner Selbstporträts durch Beckmanns Leben. Und die Aussage: oberflächlich, ist hier ganz und gar nicht abwertend dem Filmemacher gegenüber gemeint, sondern aufwertend als Leinwandoberfläche, auf der Beckmann sich in seiner Entwicklung jeweils so zeigt, wie er gesehen werden wollte. Und wenn es nur durch sich selbst war. Dieses fast romantische, aber schon perfekt selbstsichere Porträt in Florenz, der Lebemann im Anzug mit Krawatte und lässiger Zigarette, ein hombron, wie die Spanier sagen täten, die Maske vorm Gesicht als Gaukler, Zigeuner, fahrender Geselle eben, dieser Beckmann zeigt sich uns in vielen Facetten und bleibt immer der in sich Ruhende, ein Zeuge seiner Zeit, der sich nicht privat begriff, sondern sehr selbstbewußt und bewußt eben, seine figurative Malerei inmitten einer in den USA zunehmenden Abstraktion als die eigentliche Aussage ansah, die Malerei gesellschaftlich liefern konnte.

 

Doch wir finden den Film gelungen, weil er etwas zuwege bringt, was eine Kunst ist: einen Menschen, einen Maler nicht von außen vorzuführen, sondern von innen wie im Selbstgespräch sich über sein Werk zu definieren, dieses zu klären und zu erklären. Daß Beckmann dabei auch auf die Hilfe seiner Aficionados: Didier Ottinger, Reinhard Spieler und Uwe M. Schneede angewiesen ist, hilft, in einem Film Kunst zu transportieren. Denn in nicht lehrhaften, sondern eher begeisterten Passagen legen diese drei Bekcmann-Experten vor den drei A-Triptychen ABSCHIED, ANFANG und ARGONAUTEN offen, woher ihre Begeisterung rührt und welche Botschaft sie in diesen Gemälden selbst erkennen, bzw. wovon sie wissen, was Beckmann ausdrücken wollte.

 

Und wenn nach dem Film auch nur ein Zehntel der Zuschauer sich auf ins Museum machen, hier in Frankfurt ins Städel gehen und sich vor allem seine Bilder aus der Frankfurter Zeit, aber auch andere anschauen, sich einen Katalog kaufen, sich die Bücher über ihn besorgen, dann ist der Film auf fruchtbaren Boden gefallen, denn in der Tat müssen wir heute nicht mehr nur die armen Exilanten bedauern, sondern das deutsche Volk, denen die Nazis ihre besten Köpfe weggemordet oder ins Exil getrieben haben.