f machden3Film von Marine Francen als DVD ab 13. Dezember

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Freiwillig leben sie nicht im Matriarchat, die älteren Frauen und ihre heiratsfähigen Töchter. Aber als in diesem Bergdorf in der Provence um 1851 die Konterrevolution in Form der Soldaten Louis Napoléons einzieht, werden alle Männer des Dorfes, Republikaner, verhaftet und verschleppt. Alle. Als ein Schuß fällt, liegt Roses (Iliana Zabeth) Mann tot am Boden. Und das alles, damit ein Napoléon III. installiert werden kann.

FREIHEIT, GLEICHHEIT, SCHWESTERLICHKEIT könnte der Filmtitel auch heißen. Denn zurück bleiben die Frauen, hilflos und ohne Kenntnis, was da in der Welt geschieht, unter ihnen Mutter Marianne (Géraldine Pailhas) mit ihrer noch 16jährigen Tochter Violette (Pauline Burlet) und ihrem jüngeren Sohn Quentin (Auguste Wilhelm) . Aber niemand außerhalb des Dorfes weiß darum, eben auch nicht, daß die Männer allesamt weg sind, so abgelegen ist die kleine Gemeinde, in der nun die Frauen die Arbeit der Männer mitübernehmen, wie es in der Landwirtschaft üblich und möglich ist. Wirken die Anfangsbilder der einziehenden Soldaten, aus extrem naher Sicht doppelt gefährlich, so daß man sich vor den aufbäumenden Pferden im Kinosessel zusammenduckt, sind diese überwältigenden Bilder wohl auch absichtsvoll dunkel und gegen Abend aufgenommen, so findet danach das männerlose Zusammenleben der Frauen wie mit einem Weichzeichner in zarten Farben in einer hellen, gedämpft farbenfrohen Landschaft statt.

Doch, doch, sie arbeiten hart, diese Frauen, denn Feldarbeit ist schwer; aber dennoch sind sie zufrieden, wie sie alles schaffen und vermeiden jede Aufmerksamkeit, suchen keinen anderen Ort auf, keinen Markt, leben sich selbstgenügend, alles andere wäre zu gefährlich, würde sich herumsprechen, daß keine Männer, also auch kein Schutz für die Frauen da ist.

Die Mädchen allerdings phantasieren über die Jahre junge Burschen herbei. Und als sie eines Tages zusammensitzen, wie alle diese Filmaufnahmen von einer gelassenen Schönheit der Natur und sehr eigenen jungen Frauen, die Charaktergesichter haben und ihren eigenen Kopf dazu, da sprechen sie von ihren Träumen, von einem Gatten, von der Hochzeit und von Kindern. Und als sie übermütig werden, versichern sie sich gegenseitig, wenn dann doch mal ein Mann auftauche, daß sie den dann teilen wollten. Gleiches Recht für jede, sozusagen. Alle stimmen zu.

Und tatsächlich taucht ein einsamer junger Mann auf, Jean (Alban Lenoir ), der sich als Schmied ausgibt und einen anständigen Eindruck macht. Er trifft auf Violette, die wir schon die ganze Zeit über besonders im Bild hatten Sie ist die einzige, die von ihrem Vater das Lesen und Schreiben erlernt hatte und darin die Dorfjugend unterrichtet, die nun von der Dorfältesten auserkoren wird, dem Gast ein Zimmer zu zeigen und sich um sein Wohlergehen zu kümmern.

Die jungen Mädchen schauen sich bedeutungsvoll an, doch alles läuft noch züchtig ab, aber wir spüren bei den ersten Gesprächen von , daß sich die beiden etwas zu sagen haben. Erst recht, als er sein vielfach durchgelesenes Buch, es ist Voltaire, ihr anbietet, und als er mitbekommt, daß sie lesen kann. Sie revanchiert sich und wird ihm beim täglichen Abendessen, das sie ihm vorbeibringt, vorlesen. Beim langen Gedicht von Victor Hugo ist es um ihn geschehen. Verzaubert schaut er sie an und sie hat sowieso keine Alternative.

Das ist so ruhig und stimmig erzählt, wie der ganze Film leise, leicht und gewichtig daherkommt. Die beiden werden also ein Liebespaar und sie kommt hinter sein Geheimnis, daß er auf der Flucht. ist. Offen erzählt er ihr den Grund. Er hat einen Mann getötet, der ihn ermorden wollte. Also reine Notwehr. Und als die junge Liebe so richtig blüht, muß sie ihm die Verabredung der jungen Dinger beichten, denn die bemerken, wie sich Violette total verliebt. Er ist erst entsetzt, will sich dann alles überlegen und stimmt drittens zu. Er wird begatten. Denn auch ,wenn einige Fleischeslust empfinden, ist der tiefere Grund, in der Frauenkommune Kinder zu gebären.

Als er fragt, was denn die Männer dazu sagen, wenn sie zurückkommen, sind sich die Frauen sicher, daß nach dieser Zeit keiner mehr auftauchen wird. Und doch ist es dann einer, der auch von anderen erzählt , die noch nach Hause kommen, aber auch, wer schon tot ist, wie der Vater von Violette.

Jean weiß, daß er weiterziehen muß und er weiß auch, daß die schwangere Violett ihr Kind im Dorf gebären wird; beide hoffen, daß sie sich wiedersehen. Ein schöner, ein sanfter, ein politischer Film, der noch dazu das Regiedebüt von Marine Francen darstellt, aber eher etwas (Alt)meisterliches hat

Bisherige Berichterstattung über den Film in WELTEXPRESSO

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Foto:
© Verleih

Info:

DAS MÄDCHEN, DAS LESEN KONNTE (OT: Le Semeur)
von Marine Francen
mit Pauline Burlet, Alban Lenoir, Géraldine Paihas u.a.
Frankreich 2017
98 Min. 1:1,33 DF + OmU
FSK ab 12 b

Darsteller
Pauline Burlet ...          Violette
Géraldine Pailhas ...    Marianne
Alban Lenoir ...           Jean
Iliana Zabeth ...           Rose
Françoise Lebrun ...    Blanche
Raphaëlle Agogué ..   Louise
Barbara Probst ...       Jeanne
Anamaria Vartolomei .Joséphine
Margot Abascal ...      Philomène

DVD Googmovies ab 13. Dezember
DV 18369-8, EAN 4015698 080100