f pav1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Dezember 2019, Teil 5

Kirsten Liese

Berlin (Weltexpresso) - Im brasilianischen Dschungel will Luciano Pavarotti ein Konzert geben. Selbstvergessen probt der Opernstar vor leeren Reihen im Teatro Amazonas in Manaus, in dem schon Enrico Caruso aufgetreten ist. Mit solchen traumverlorenen Bildern aus den 1990er Jahren, den einzigen, die Pavarotti zeigen, wie er für sich ganz alleine singt,  eröffnet der amerikanische Regisseur Ron Howard seinen Dokumentarfilm „Pavarotti“.

Die erstmals öffentlich gemachten Privataufnahmen erinnern unweigerlich an Werner Herzogs Film „Fitzcarraldo“, in dem Klaus Kinski als exzentrischer Abenteurer ein Opernhaus im  Urwald errichten will. Schöner könnten sich  Kino und Musiktheater nicht miteinander verbinden.  Passend dazu folgt die Dokumentation „Pavarotti“ der Struktur einer Oper in drei Akten.

Der erste widmet sich dem Aufstieg des 1935 geborenen Bäckerssohns aus dem norditalienischen Modena zum erfolgreichen Opernsänger. Der zweite  widmet sich der Karrierephase mit den drei Tenören, im letzten stehen Pavarottis Crossover-Erfolge mit Popstars im Zentrum.

Klug korrespondiert die Struktur des Films mit der ausgewählten Musik. Jede Arie unterstreicht ein großes Thema in der Biografie Pavarottis.

Der Einfaltspinsel Nemorino in Donizettis „Liebestrank“ steht für seine Bodenständigkeit und seine Naivität, mit der er in eine Theaterwelt hineinwuchs.

In dem bettelarmen Rodolfo aus „La Bohème“, seiner Paraderolle,  fand der Tenorissimo in jeder Hinsicht einen Wesensverwandten. Wie diese Bühnenfigur  liebte Pavarotti die Frauen und tat - mit dramatischen Krankheitsfällen konfrontiert - alles, was in seiner Macht stand, um Angehörigen, die ihm nahe standen, zu helfen.

Nicoletta Mantovani, Pavarottis Witwe, hat zahlreiche Videos aus ihrer persönlichen Sammlung für die Hommage zur Verfügung stellt. Die ungewöhnliche Beziehung zwischen dem korpulenten, bärtigen Frauenheld und der 34 Jahre Jüngeren, die mit einer außerehelichen Affäre begann, hat  das katholische Italien damals in Aufruhr versetzt. Der Film nähert sich dieser Episode mit dezentem Ton, was ihm gut tut. Eine Meinung über den von der Klatschpresse hochgekochten Skandal kann sich jeder selbst bilden.

Etwas unterbelichtet bleibt der Film  im Hinblick auf Pavarottis Darstellungskunst, warum er auf der Bühne so überzeugen konnte, wo doch seine schauspielerischen Fähigkeiten immer wieder kritisiert wurden. Das liegt daran, dass sich der Regisseur in erster Linie für den Kassenmagneten Pavarotti interessiert, der Oper für die Massen zugänglich machen wollte, in Fußballstadien auftrat, mit seinen Managern die Erfolgsgeschichte der „Drei Tenöre“ in die Wege leitete und sich für seine Benefizkonzerte mit Popstars eine gigantische Marketingmaschine zunutze machte.  – Eine Haltung, an der sich anspruchsvolle Opernfreunde freilich auch reiben können.

Und natürlich lässt es sich Regisseur Ron Howard nicht nehmen, die rührende Begegnung zwischen dem „Tenor des Volkes“  und Lady Diana nach einem verregneten, spektakulären Konzert in London zu erzählen: „Der Maestro saß neben Diana und die beiden verstanden sich auf Anhieb glänzend“, erinnern sich Zeitzeugen, die Prinzessin und der Künstler wurden gute Freunde und organisierten ein Konzert für das Rote Kreuz.

Mit Placido Domingo, José Carreras, Angela Gheorghiu, Carol Vaness und Vittorio Grigolo kommen zwar auch einige Kollegen aus der Opernwelt zu Wort. Ausgerechnet aber Pavarottis wichtigste, noch lebende Bühnenpartnerin und langjährige Weggefährtin Mirella Freni, die wie der Tenor im selben Jahr in Modena geboren-, sogar von derselben Amme versorgt wurde und in legendären Aufführungen von Puccinis „La Bohème“ an seiner Seite stand, kommt im Film nicht vor.

Überzeugender gelingt die Annäherung an den Menschen Pavarotti mit seiner ansteckenden Lebensfreude,  auch wenn über seine Krisen und Selbstzweifel wenig zu erfahren ist. Wie der Sänger sie innerlich durchlebte und bewältigte, behielt er  wohl für sich. Dazu passt der Satz „aber mein Geheimnis bleibt in mir verschlossen“ in der Arie  „Nessun dorma“ aus Puccinis „Turandot“. Nicht zufällig hatte Pavarotti damit seine größten Erfolge.

Foto:
© Verleih

Info:
MIT
LUCIANO PAVAROTTI
BONO, JOSÉ CARRERAS, PLÁCIDO DOMINGO , PRINZESSIN DIANA,  SPIKE LEE,  STEVIE WONDER,  NELSON MANDELA u.v.a.

STAB
Regie RON HOWARD
Drehbuch MARK MONROE