Redaktion
Berlin (Weltexpresso) - Rache ist oftmals der primäre Antrieb, wenn ein grundloser Akt der Gewalt das Leben unschuldiger Menschen kostet. Auf Gewalt mit Gewalt zu reagieren, ist eine überaus menschliche Reaktion, die nicht nur Auswirkungen auf einzelne Menschen hat, sondern auf die Gesellschaft als Ganzes.
Mein Ansatz war 7500 als hyperrealistisches Thrillerdrama zu inszenieren, das die Dynamik dieses Teufelskreises betrachtet und eine der schwierigsten Fragen unserer Zeit stellt: Wie können wir diesen Kreislauf durchbrechen? Diese große Frage wollte ich in einer minimalistischen und klaustrophobischen Kulisse durchspielen – dem Cockpit eines Passagierflugzeugs.
Der Film beginnt mit Bildern einer Überwachungskamera, die uns den Eindruck von Sicherheit und Kontrolle vermitteln sollen. Schon bald wird uns schmerzhaft bewusst, dass absolute Sicherheit nur eine Illusion ist. Diesen Bildern folgt Banalität. Zwei Piloten gehen ihrer Arbeit nach, wie jeden Tag. Alltag wird in methodischem Detail gezeigt. Die beiden Piloten dominieren dieses riesige Flugzeug und seine Technologie, nur um später festzustellen, dass all diese von Menschen geschaffene Technologie uns doch nicht vor uns selbst schützen kann.
Einer der beiden Piloten ist der Protagonist, Kopilot Tobias Ellis. Er ist ein ganz normaler Typ mit ganz alltäglichen Problemen. Er ist kein Held. Er steht für uns alle – ein Jedermann, der ein ganz normales Leben führt, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass er sich eines Tages womöglich mitten in einer Katastrophe wiederfinden könnte.
Das Flugzeug startet wie immer. Urplötzlich bricht Gewalt aus, die gerade abgehobene Maschine wird von Terroristen in ihre Gewalt gebracht. Tobias ist im Cockpit eingeschlossen, und mit ihm das Publikum. Es gibt keine Fluchtmöglichkeit. Obwohl sich Tobias in „Sicherheit“ befindet, ist er gezwungen, Entscheidungen auf Leben und Tod zu treffen. Soll er die Tür zum Cockpit öffnen, um den Forderungen der Entführer Folge zu leisten, die damit drohen, alle Passagiere und den Rest der Crew zu töten? Oder soll er sie ignorieren, um eine noch größere Zahl von Opfern zu verhindern?
Tobias kann die Entführer nur auf den körnigen Bildern eines Schwarzweißmonitors sehen, als schemenhafte Figuren aus der Ferne. Seine Perspektive erinnert an die Bilder, wie wir sie alle aus den Medien kennen, wenn es um Terrorismus geht – seien es Videos aus Überwachungskameras oder in schlechter Qualität festgehaltene Propaganda-Aufnahmen. Diese Bilder zeigen indes nur einen Ausschnitt.
Im Verlauf des Films lernen wir auch einen der Entführer kennen, der zunächst nur ein unklarer Schatten ist, ein Umriss, bevor er seine Anonymität verliert. Diesem Radikalen geben wir ein Gesicht, eine Stimme. Und einen Namen: Vedat. Er ist einer der Angreifer. Aber er ist auch immer noch nur ein Junge, ein Kind, dessen Radikalität auf die Probe gestellt wird, als erstmals Blut fließt.
Vor einigen Jahren rekrutierte ISIS viele Männer, Frauen und Kinder und lockte sie aus ihrem sicheren Leben in Europa, um sie für ihren Kampf einzuspannen. Ich erinnere mich an eine Reportage über einen jungen Mann, er war wohl kaum älter als 18 Jahre, geboren und aufgewachsen in Deutschland, der in einen, wie er selbst fand, „gerechten“ Kampf für den Islamischen Staat in Syrien zog. Als er nach Hause zurückkehrte, wurde ihm bewusst, wie falsch diese Überzeugung war. Der Blick in das desillusionierte Gesicht dieses Jungen bewegte mich und diente als Inspiration für die Figur des Vedat.
7500 ist eine realistische Geschichte über all die verschiedenen menschlichen Tragödien hinter einem terroristischen Angriff.
Innerhalb der Grenzen eines eng abgesteckten Raums erforscht der Film fatale Abhängigkeiten, die Angst des Unbekannten, die Kehrseite der globalisierten Welt – und stellt die schwierige Frage, ob ein Täter nicht vielleicht auch ein Opfer sein könnte.
Am Ende des Films wird Tobias, ein junger Mann, der im Verlauf der Geschichte so viel verloren hat, akzeptieren müssen, dass er sein Leben fortan mit der ständigen Frage nach dem Warum führen muss. Warum ist das alles passiert? Gleichzeitig ist es ihm gelungen, den Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen. Doch das ist kein heroischer Akt. Es ist keine große Geste. Es bedeutet einfach nur, dass er statt Hass und Rache zu wählen, lernen muss, den eigenen Schmerz, die eigene Trauer zu akzeptieren.
Foto:
© Verleih
Info:
mit
Joseph Gordon-Levitt
Omid Memar
Aylin Tezel
Murathan Muslu
Carlo Kitzlinger
u.a.
Regie:
Patrick Vollrath
Drehbuch:
Patrick Vollrath und Senad Halilbasic
KINOSTART: 26. Dezember 2019
Länge: 92 Minuten