Redaktion
München (Weltexpresso) - Zunächst müssen Sie noch einmal erzählen, was sie dazu gebracht hat, Das geheime Leben der Bäume zu schreiben – und warum ausgerechnet dieses Buch so ungemein erfolgreich geworden ist?
Grundsätzlich muss ich erst einmal sagen, dass ich mich nie als Schriftsteller oder Autor gesehen habe. Ich bin Förster. Das war immer mein Traumberuf und ist es auch heute noch, ihm gehört meine ganze Leidenschaft. Zum Schreiben hat mich meine Frau gedrängt: Sie war es, die mir nahegelegt hat, das niederzuschreiben, was ich den Menschen bei meinen Führungen durch den Wald in den letzten 30 Jahren erzähle. Weil sie gerne auch nachlesen wollten, was sie gehört hatten, es aber keine entsprechende Literatur gab, hatte meine Frau die Idee, ich müsse das übernehmen. Schreib das doch mal auf! Ich habe mich überreden lassen: So bin ich zum Schreiben gekommen.
Vor Das geheime Leben der Bäume hatte ich bereits 15 Bücher verfasst und dabei eher pessimistisch über den Zustand der Forstwirtschaft und der Wälder in Deutschland berichtet, womit ich mich politisch natürlich nach wie vor auseinandersetze. Zum Lesen ist das natürlich nicht so schön. Man kann sich der Sache aber auch anders nähern. Man kann nämlich erst einmal erzählen, was für wunderbare Wesen Bäume überhaupt sind, was viele auf diese Weise gar nicht wissen. Im Vorfeld der Buchveröffentlichung wurde auch von vielen Seiten, insbesondere der Presse, abgewunken: Die dachten, das ist stinklangweilig – ein Buch über Bäume, naja, was soll daran schon so toll sein... Wichtig ist, denke ich, eine positive Grundhaltung. Man kann schon kritisch sein, wobei das in diesem Buch überhaupt nicht im Vordergrund steht, aber es wäre gut, wenn es ein Happy End gibt. Das Schöne ist: Das ist auch gar nicht ausgeschlossen, auch in Bezug auf Klimawandel und all diese Dinge.
Sind Sie wirklich optimistisch?
Wir sagen uns gerne, dass es die heile Welt nicht mehr gibt, wer von der vermeintlich heilen Welt träumt, betreibe Eskapismus. Ich glaube, das stimmt nicht. Unser Problem ist, dass wir Natur über Jahrhunderte viel zu technisch gesehen haben, als große Maschine, als Räderwerk, als seien die Bäume unbeseelte Bio-Automaten, die um uns herum arbeiten. Jetzt weiß man, dass die scharfe Trennung zwischen Tier und Pflanze gar nicht existiert. Die konservative Wissenschaft überholt momentan die Esoterik. Beispielsweise wurde in den letzten Jahren erforscht, dass Pflanzen richtig Schmerzen empfinden können. Die Wissenschaft untermauert, was die Esoteriker lange schon vermuten. Das reicht so weit, dass wir mittlerweile wissen: Bäume können zählen, haben ein Gedächtnis, können sich erinnern und Wissen weiterreichen. Das hätte man höchstens, wenn überhaupt, im Reich der Tiere vermutet. Tatsächlich betreiben wir mit unserem Wunsch nach der heilen Welt keinen Eskapismus. Vielmehr ist es so, dass wir uns als Menschen von der Natur entfremdet haben. Langsam kehren wir wieder zum Normalen zurück: Bäume sind fühlende Wesen – und warum auch nicht? Das fühlt sich auch richtiger an. Mit dem Bauch haben wir das schon immer gewusst.
Und das vermittelt Ihr Buch?
Der Reiz des Buches besteht aus einer Mischung aus erstaunlichen Fakten, die aber so aufbereitet sind, dass auch Laien sie leicht lesen können, und einer positiven Grundhaltung: Wir können etwas verändern. Das macht Mut. Der Mensch ist ein soziales Wesen, aber außerhalb unserer Gemeinschaft ist in der Natur alles Kampf. Das ist eine weitverbreitete Ansicht, mit der viele von uns groß geworden sind. Sie beruht allerdings auf einer Fehlauslegung des Begriffes Evolution. Darwin spricht in seiner Theorie vom „Survival of the fittest“, also „Der Stärkste überlebt“. Das ist aber falsch: „Survival of the fittest“ bedeutet „Der Passendste überlebt“ – so wurde das von Darwin auch gemeint. Wer sich in ein System einpasst, der drängt sich ihm nicht auf, sondern interagiert mit ihm: Kooperation. Es lässt sich wissenschaftlich mittlerweile nachweisen, dass Bäume, die gut kooperieren, besonders alt werden, dass es besonders stabile Ökosysteme sind. Das sehen wir gerade jetzt, nach diesen trocken-heißen Sommern: In den alten Reservaten, in denen das System intakt ist, hat der Wald keinen Schaden genommen. Die Bäume kühlen sich gemeinsam herunter, unterstützen schwache Exemplare, dass sie nicht absterben. Die Gemeinschaft ist viel überlebensfähiger als die einzelnen Glieder. In Zeiten wie den unseren ist das eine höchst politische Erkenntnis.
Fortsetzung folgt
Fotos:
© Verleih
Info:
Das geheime Leben der Bäume (Deutschland 2019)
Genre: Dokumentation, Natur
Drehbuch und Regie: Jörg Adolph
Naturaufnahmen: Jan Haft
Mit Peter Wohlleben u. a.
Verleih: Constantin Film Verleih GmbH
Abdruck aus dem Presseheft
Vor Das geheime Leben der Bäume hatte ich bereits 15 Bücher verfasst und dabei eher pessimistisch über den Zustand der Forstwirtschaft und der Wälder in Deutschland berichtet, womit ich mich politisch natürlich nach wie vor auseinandersetze. Zum Lesen ist das natürlich nicht so schön. Man kann sich der Sache aber auch anders nähern. Man kann nämlich erst einmal erzählen, was für wunderbare Wesen Bäume überhaupt sind, was viele auf diese Weise gar nicht wissen. Im Vorfeld der Buchveröffentlichung wurde auch von vielen Seiten, insbesondere der Presse, abgewunken: Die dachten, das ist stinklangweilig – ein Buch über Bäume, naja, was soll daran schon so toll sein... Wichtig ist, denke ich, eine positive Grundhaltung. Man kann schon kritisch sein, wobei das in diesem Buch überhaupt nicht im Vordergrund steht, aber es wäre gut, wenn es ein Happy End gibt. Das Schöne ist: Das ist auch gar nicht ausgeschlossen, auch in Bezug auf Klimawandel und all diese Dinge.
Sind Sie wirklich optimistisch?
Wir sagen uns gerne, dass es die heile Welt nicht mehr gibt, wer von der vermeintlich heilen Welt träumt, betreibe Eskapismus. Ich glaube, das stimmt nicht. Unser Problem ist, dass wir Natur über Jahrhunderte viel zu technisch gesehen haben, als große Maschine, als Räderwerk, als seien die Bäume unbeseelte Bio-Automaten, die um uns herum arbeiten. Jetzt weiß man, dass die scharfe Trennung zwischen Tier und Pflanze gar nicht existiert. Die konservative Wissenschaft überholt momentan die Esoterik. Beispielsweise wurde in den letzten Jahren erforscht, dass Pflanzen richtig Schmerzen empfinden können. Die Wissenschaft untermauert, was die Esoteriker lange schon vermuten. Das reicht so weit, dass wir mittlerweile wissen: Bäume können zählen, haben ein Gedächtnis, können sich erinnern und Wissen weiterreichen. Das hätte man höchstens, wenn überhaupt, im Reich der Tiere vermutet. Tatsächlich betreiben wir mit unserem Wunsch nach der heilen Welt keinen Eskapismus. Vielmehr ist es so, dass wir uns als Menschen von der Natur entfremdet haben. Langsam kehren wir wieder zum Normalen zurück: Bäume sind fühlende Wesen – und warum auch nicht? Das fühlt sich auch richtiger an. Mit dem Bauch haben wir das schon immer gewusst.
Und das vermittelt Ihr Buch?
Der Reiz des Buches besteht aus einer Mischung aus erstaunlichen Fakten, die aber so aufbereitet sind, dass auch Laien sie leicht lesen können, und einer positiven Grundhaltung: Wir können etwas verändern. Das macht Mut. Der Mensch ist ein soziales Wesen, aber außerhalb unserer Gemeinschaft ist in der Natur alles Kampf. Das ist eine weitverbreitete Ansicht, mit der viele von uns groß geworden sind. Sie beruht allerdings auf einer Fehlauslegung des Begriffes Evolution. Darwin spricht in seiner Theorie vom „Survival of the fittest“, also „Der Stärkste überlebt“. Das ist aber falsch: „Survival of the fittest“ bedeutet „Der Passendste überlebt“ – so wurde das von Darwin auch gemeint. Wer sich in ein System einpasst, der drängt sich ihm nicht auf, sondern interagiert mit ihm: Kooperation. Es lässt sich wissenschaftlich mittlerweile nachweisen, dass Bäume, die gut kooperieren, besonders alt werden, dass es besonders stabile Ökosysteme sind. Das sehen wir gerade jetzt, nach diesen trocken-heißen Sommern: In den alten Reservaten, in denen das System intakt ist, hat der Wald keinen Schaden genommen. Die Bäume kühlen sich gemeinsam herunter, unterstützen schwache Exemplare, dass sie nicht absterben. Die Gemeinschaft ist viel überlebensfähiger als die einzelnen Glieder. In Zeiten wie den unseren ist das eine höchst politische Erkenntnis.
Fortsetzung folgt
Fotos:
© Verleih
Info:
Das geheime Leben der Bäume (Deutschland 2019)
Genre: Dokumentation, Natur
Drehbuch und Regie: Jörg Adolph
Naturaufnahmen: Jan Haft
Mit Peter Wohlleben u. a.
Verleih: Constantin Film Verleih GmbH
Abdruck aus dem Presseheft