Bildschirmfoto 2020 02 03 um 01.53.55Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 30. Januar 2020, Teil 25

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Warum es so lange gedauert hat, bis Frauen einen solchen Film wie LITTLE WOMEN drehen dürfen? Das wäre einen eigenen Film wert, der die Geschichte der Frauenemanzipation im Filmgeschäft auf der Leinwand zeigte. Seien wir erst einmal froh, daß wir die Kraft, die Entschlossenheit, die Klugheit und Cleverness von vier Schwestern hier verfolgen können.

Schreiben durften die Frauen schon sehr viel länger und das Schreiben von Frauen über Frauen wurde mit den Schwestern Brontë  geradezu Kult. Begonnen aber hatte es im englischsprachigen Raum mit Jane Jane Austen(1775–1817), die noch unter ihrem Namen, also als Frau, veröffentlichte. Die drei Brontës mußten in biedermeierlichen/viktorianischen Zeiten unter männlichen Pseudonymen auftreten: Charlotte (1816–1855 und Pseudonym: Currer Bell)., Emily Brontë (1818–1848; P.: Ellis Bell) und Anne Brontë (1820–1849), die sich Acton Bell nannte. Die Schwestern Brontë waren schon länger tot, als in den USA Louisa May Alcott (1832-1888) die Jugendbuchtetralogie LITTLE WOMEN im Jahr 1868 veröffentlichte, die tatsächlich ihre Kindheits- und Jugenderlebnisse mit ihren drei Schwestern schildert.

Wie schade, daß man bei Neuverfilmungen nicht zumindest in ausgewählten Kinos die zuvorigen Fassungen sehen kann. Das wären in diesem Falle

Vier Schwestern (Film), ein 1933 nach dem Roman entstandener Film von George Cukor (Originaltitel)Kleine tapfere Jo, ein 1949 nach dem Roman entstandener Film von Mervyn LeRoyLittle Women (1978), ein 1978 nach dem Roman entstandener FernsehfilmBetty und ihre Schwestern, ein 1994 nach dem Roman entstandener Film von Gillian Armstrong

Und nun zur geglückten Neuverfilmung von Greta Gerwig! Die steht und fällt mit der wunderbaren Verkörperung der Jo durch Saoirse Ronan, Alter Ego der Autorin, aus deren Perspektive der Roman erzählt wird, wobei der Film darüber hinausgeht und auch andere Schriften, auch Tagebücher und Briefe nutzt. Jo ist übrigens auch in den obigen Filmen von berühmten Schauspielerinnen dargestellt worden: Katharine Hepburn Wionna Ryder, Elizabeth Taylor, ach nein, die spielte Amy, die hier Florence Pugh darstellt. Fehlen noch Meg (Emma Watson) und Beth (Eliza Scanlen), die erst später auftreten, denn tatsächlich beginnt es mit den peinlichen, weil gelogenen Versuchen der jungen Jo, die von ihre geschriebenen Geschichten an den Mann, also den Verleger zu bringen. Erst sagt sie, sie vermittle nur für eine Freundin, dann engagiert sie sich so, wie man es nur bei eigenen Werken tut, das ist leichthin und doch historisch schwer auf die Leinwand gebracht und wird noch übertroffen, wenn Mr. Dashwood (Tracy Letts) gönner- und onkelhaft die junge Autorin belehrt, daß ihre literarische Heldin am Schluß natürlich verheiratet oder tot sein müsse. Ja, Geld gibt es auch, aber für einen Anfänger und für eine Frau halt weniger.

Wir sehen Jo dennoch beschwingt nach Hause eilen und diese Beschwingtheit behält der Film bei, immer ist etwas in Bewegung, vor allem die Haare, die im Stil der Zeit lang sind, aber immer wieder in Knoten und Hochfrisuren gebändigt, was bei den anderen klappt, bei Jos hellen roten Haaren allerdings das Unbändige ihrer Natur auch in den wild fliegenden Locken zeigt. Die Kleider! Die möchte man beim Schauen ganz gerne selber tragen, denn sie machen Figur!, rauschen durch die Gegend und erzeugen für die Trägerinnen einen Bedeutungszuwachs.

Warum das so wichtig ist, hat damit zu tun, daß die Geschichte ja keine großen dramatischen Ereignisse bringt, sondern uns sieben Jahre lang den Alltag der vier Schwestern von der Jugend ins Erwachsenenleben begleiten läßt. Und jetzt wird es interessant. Was können junge Dinger in einer Zeit, wo Frauen weder Gymnasien besuchten, noch an Universitäten studierten, noch die meisten Ausbildungen machen durften ? Heiraten, ist die erste Option und so bleiben junge Männer, bzw. Heiratskandidaten durchaus eine Option in einem Frauenhaushalt, denn der Vater ist im Krieg abwesend und die Mutterfunktion hat ja Jo übernommen.

Dramaturgisch geschickt werden die Schwestern mit ihren Interessen und Charaktereigenschaften eingeflochten und man muß dabei einfach sagen, daß auch diese drei einfach hinreißend besetzt sind. Passend jede einzelne. Denn Meg sieht man an der Nasenspitze an, daß für sie eine gute Heirat das eigentliche Ziel ist, das sie zielstrebig anstrebt, die beiden anderen sind wie die Älteste künstlerisch interessiert und auch begabt: Beth verschreibt sich der Musik und ist auch ansonsten ein empfindsamer Mensch, der für die anderen sorgt; die vierte Schwester Amy will Künstlerin werden, Skulpturen schaffen, wozu man Material und Raum braucht, die Selbstbezogenheit und den Egoismus, den Künstler gerne in Anspruch nehmen, hat Amy allemal.

Es gibt viele kleine Sticheleien der Schwestern untereinander, aber erst recht, wenn die altjüngferliche Tante March (Meryl Streep) Jo bescheidet, sie solle heiraten, um reich zu werden, was sie selbst nicht nötig hatte, weil sie schon reich war. Auch ein Argument für und gegen Ehen!

Man amüsiert sich also köstlich in diesem Film, aber niemals auf Kosten der vier jungen Frauen, die jede für sich völlig anders, dennoch der Akzeptanz der Regisseurin gewiß sein kann.

Foto:
© Verleih

Info:
Darsteller
Jo (Saoirse Ronan)
Meg (Emma Watson)
Amy (Florence Pugh)
Beth (Eliza Scanlen)