Bildschirmfoto 2020 02 07 um 17.19.41ZUM TOD VON KIRK DOUGLAS

Andreas Mink

Los Angeles (Weltexpresso) - Er hat seine Autobiographie «Der Sohn des Lumpensammlers» genannt. Dabei war der Vater von Kirk Douglas vor der Auswanderung nach Amerika in Russland ein Pferdehändler gewesen. Doch nachdem Herschel Danielovitch und seine Frau Bryna in dem Städtchen Amsterdam im ländlichen Zentrum des Gliedstaates New York gelandet waren, konnte er sein Metier nicht wieder aufnehmen. Stattdessen wurde der kräftige, jähzornige und dem Trunk ergebene Mann Lumpensammler. Er hatte neben dem am 9. Dezember 1916 geborenen Sohn Issur sechs Töchter.

Wie Douglas in seinen Memoiren schrieb, glänzte der Vater häufig durch Abwesenheit. Dies habe ihn selbst «aggressiv» und schwierig im Umgang mit anderen gemacht. Die als Betty Joan Perske geborene Schauspielerin Lauren Bacall hat ihn jedoch als freundlich und charmant beschrieben. Die beiden lernten sich Anfang der 1940er-Jahre an einer Schauspielschule in New York kennen.

Damals hatte Douglas bereits eine außerordentlich schwierige Kindheit und Jugend überstanden. Die Familie war bitterarm und der einzige Sohn hatte früh als Zeitungsjunge, Kellner oder Verkäufer von Snacks vor einer Fabrik ausgeholfen. Dabei wurde er immer wieder auch handgreiflich mit Antisemitismus konfrontiert und lernte, sich bei Schlägereien durchzusetzen. An der High School fiel er durch Talent als Ringer und Schauspieler auf. Zusammen mit exzellenten Noten konnte er damit den Dekan einer Universität in der Region im Jahr 1939 überreden, ihn gebührenfrei zu immatrikulieren. Insgesamt hatte er über 40 Jobs, ehe er nach dem Militärdienst bei der US Navy 1945 allmählich als Schauspieler in New York Fuß fassen konnte. Beim Eintritt in die Kriegsmarine hatte der junge Mann seinen Namen zu Kirk Douglas geändert. Er diente auf einem Patrouillenboot bei der Jagd auf feindliche U-Boote und wurde bei einer durch eine technische Panne ausgelösten Explosion 1944 so schwer verletzt, dass er entlassen wurde.

Auch die Anfänge als Schauspieler waren keineswegs leicht. Douglas hielt sich und seine erste Frau Diana Dill mit Gigs im Radio, für die Werbung und mit Nebenrollen am Broadway über Wasser. 1946 stellte ihn Bacall dann dem Hollywood-Produzenten Hal B. Wallis vor, der ihm in dem Drama «Die seltsame Liebe der Martha Ivers» neben Barbara Stanwyck eine erste Kinorolle gab. Douglas debütierte als unsicherer Gatte einer dominierenden Frau. Der Auftritt als «Schwächling» sollte eine Ausnahme in einem außerordentlich vielseitigen und von Glanzpunkten markierten Werk bleiben. Douglas wurde rasch als aggressiver, aber häufig auch komplexer und widersprüchlicher «tough guy» (knallharter Typ) populär. Schon 1947 bewies er sich in diesem Fach neben Robert Mitchum in dem Noir-Klassiker «Goldenes Gift».

Bis in die späten 1960er-Jahre blieb Douglas außerordentlich produktiv. Sein Durchbruch kam 1949 mit der Titelrolle in dem Boxer-Film «Champion», für den Douglas monatelang mit einem ehemaligen Preisboxer trainiert hatte. Er war stolz auf seinen athletischen Körper und übernahm einen Grossteil von Stunt-Aufnahmen selbst. Die anspruchsvolle Rolle brachte Douglas die erste von etlichen Oscar-Nominierungen ein. Er hat den Preis jedoch nie gewonnen, wurde aber nach zahlreichen anderen Ehrungen 1996 für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Die goldene Statue hat ihm Steven Spielberg überreicht.

Bei Beginn der 1950er-Jahre gehörte Douglas bereits zu den grossen Stars des internationalen Kinos. Obwohl er auch in Routineproduktionen auftrat, überzeugte er neben Auftritten als Detektiv, Reporter oder Captain Nemo, als alkoholsüchtiger Jazz-Musiker Bix Beiderbecke in «Der Mann ihrer Träume» und 1956 als Vincent Van Gogh in «Vincent van Gogh – Ein Leben in Leidenschaft». Gleichzeitig errang Douglas zunehmend Kontrolle über seine Laufbahn und gründete 1955 eine eigene Produktionsfirma, die er nach seiner Mutter «Bryna Productions» nannte.

Der Star zeigte auch politisch Mut und setzte sich etwa wiederholt für die Zusammenarbeit mit dem Drehbuchautor Dalton Trumbo ein. Dieser war während der «Hexenjagd» auf Kommunisten in der McCarthy-Ära auf der «schwarzen Liste» der Branche gelandet und hatte nur unter Pseudonym (und für schlechte Bezahlung) arbeiten können. Dank Douglas wurde Trumbo 1960 von Stanley Kubrick als Autor für «Spartacus» verpflichtet und als solcher auch offiziell ausgewiesen. Douglas übernahm die Hauptrolle und wirkte zudem als Produzent. Die Rolle dürfte zumindest für die breite Öffentlichkeit als Höhepunkt seines Werks als Schauspieler gelten. Allerdings bleiben etliche seiner insgesamt sieben Filme neben Burt Lancaster ebenfalls Dauerbrenner – dies gilt ganz sicher für «Schiesserei am O. K. Corral» von 1957.

1963 bewies Douglas einmal mehr Gespür für brisante Stoffe und erwarb die Kino- und Bühnenrechte für «Einer flog über das Kuckucksnest» von Ken Kesey. Douglas brachte das Drama an den Broadway und trat selbst darin auf. Für das Kino übergab er die Rechte seinem 1944 geborenen Sohn Michael, der damit 1975 als Produzent einen Welterfolg erzielt hat.

Längst ein Weltstar, wandte sich Douglas nach 1980 dem Fernsehen zu, wurde mit Gattin Anne im Gesundheits- und Erziehungswesen philanthropisch tätig und schrieb neben mehreren Memoiren Romane und 2001 in «Climbing the Mountain» über seine Rückbesinnung auf das Judentum. Ausschlaggebend war Jahre zuvor ein schweres Flugzeugunglück gewesen. Allerdings hatte er bereits 1953 als Hauptdarsteller in «Der Gehetzte» ein Thema aufgegriffen, das noch viele Jahre später kaum Beachtung im Kino fand: Douglas spielte hier einen traumatisierten Holocaust-Überlebenden in Israel. Als «Climbing the Mountain» erschien, hatte Douglas bereits schwere Gesundheitsprobleme überstanden. Seine legendäre Selbstdisziplin half ihm 1996 bei der Überwindung eines Schlaganfalls, der ihn über Monate weitgehend gelähmt hatte. Kirk Douglas hat seine Erfolge auf eine Kombination von Selbstdisziplin, Talent und Glück zurückgeführt – letzteres sei jedoch ausschlaggebend gewesen.

Douglas hatte sich 1951 von seiner ersten Frau scheiden lassen und einige Jahre später die aus Nazi-Deutschland geflohene Produzentin Anne Buydens (1919 als Hannelore Marx in Hannover geboren) geheiratet. Insgesamt hatte er vier Söhne. Der 1958 geborene Eric erlag 2004 einer Überdosis Drogen. Am Mittwoch ist Kirk Douglas in seinem Haus in Beverly Hills verstorben.

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© tachles

Info:
Andreas Mink ist US-Korrespondent der JM Jüdischen Medien AG.

Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 7. Februar 2020