f gom1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. Februar 2020, Teil 11

Redaktion

Berlin (Weltexpresso) - Woher stammt die Idee für Ihren Film?
Vor zehn Jahren habe ich eine Reportage über El Silbo gesehen, eine Pfeifsprache, mit der man sich auf der Insel La Gomera verständigt. Damals hatte ich gerade die Arbeit an meinem Film POLICE, ADJECTIVE abgeschlossen, in dem Sprache eine elementare Rolle für politische Zwecke spielt. Diese gepfiffene Sprache betrachtete ich als Möglichkeit, mich mit diesem Thema noch einmal auf andere Weise auseinanderzusetzen.


Ihr neuer Film ist kantiger, einfallsreich und scheint sich weniger mit der Realität auseinanderzusetzen als Ihre vergangenen Arbeiten. Woher kommt diese filmische Neuausrichtung?

Es stimmt, dieser Film ist anders als meine anderen Arbeiten, aber das war nicht beabsichtigt. Die Geschichte einer Geheimsprache, die für kriminelle Zwecke verwendet wird, bestimmte im Kern den narrativen Stil und die Inszenierung.


Was wollten Sie mit der Geschichte eines korrupten Polizisten und Doppelagenten rüberbringen?

Innerhalb des Kontexts einer sehr ambivalenten Polizeiuntersuchung erzähle ich die Geschichte des desillusionierten Polizisten Cristi, der auf La Gomera landet, um eine Frau, eine Femme fatale, zu treffen und eine Pfeifsprache zu erlernen. Von da ab werden die Dinge immer komplizierter und nichts läuft so, wie es geplant war. Der Polizist begibt sich auf eine Erweckungsreise, eine Art Abenteuer voller Irrungen und überraschender Wendungen.


Was drücken der englische Titel THE WHISTLERS und der rumänische Titel LA GOMERA aus?

Der rumänische Titel bezieht sich auf den Namen der kanarischen Insel, ein Ort der Zuflucht, ein verlorenes Paradies. Der andere Titel bezieht sich die geheimnisvolle Pfeifsprache, wie es sie auf vielen verschiedenen Orten auf der Welt gibt, ohne dass man wüsste, was ihre genauen Ursprünge sind. Ich würde vermuten, dass diese Sprache unsere ursprüngliche Sprache ist, bevor wir Menschen mit dem Reden begannen. Die Insel La Gomera ist eng verbunden mit der Tradition der Pfeifsprache. THE WHISTLERS klingt aber auch toll filmisch, fast wie THE SEARCHERS von John Ford.


Wie setzen Sie die Pfeifsprache ein, um den Film zu strukturieren?

Die Sprache Silbo Gomero ist wie ein Code für gesprochene Sprache – ähnlich wie Film ein Code für Realität ist. Also begann ich mit den Codes sehr unterschiedlicher Genres zu spielen – vom Detektivfilm oder Film noir über den Western hin zur Komödie. Ich wollte eine Geschichte mit Figuren erzählen, die lügen, die ein doppeltes Spiel spielen. 


In POLICE, ADJECTIVE aus dem Jahr 2009, dessen Handlung sich fast in Realzeit abspielt, kämpft ein idealistischer Polizeibeamter für ein faires Rechtssystem und gegen Korruption. Cristi, Ihr Polizist in LA GOMERA, ist desillusionierter, eine schwerer zu fassende Figur. Wie würden Sie diese etwas undurchschaubare Figur beschreiben?

Cristi glaubt nicht mehr an seine Berufung. Er beginnt, mit der Mafia zu arbeiten und Geld mit Drogenschmuggel zu verdienen. Er ist ein Mensch, der seinen Glauben verloren hat, in seinem Beruf, in seinem Privatleben. Und er sucht nach einem Ausweg aus der Sackgasse, als er nach La Gomera kommt. Als Polizeibeamter ist er Teil der Machtstruktur, aber relativ schnell findet er sich in einem Wirbelsturm der Ereignisse wieder, über die er keinerlei Kontrolle hat.


Wie haben Sie den eklektischen internationalen Cast zusammengestellt? 

Ich habe nach starken Typen gesucht, die einer Szene binnen kürzester Zeit mit wenig mehr als ihrer körperlichen Gegenwart ihren Stempel aufdrücken können, ein bisschen, wie man das aus den Klassikern des Film noir kennt. Ich hatte ein paar Referenzen. Gilda, gespielt von Catrinel Marlon, ist die Femme fatale. Magda, gespielt von Rodica Lazar, die Anklägerin, ist die Chefin von Cristi, eine starke und kalte Frau, die an Marlene Dietrich erinnert. Agusti Villaronga wählte ich die für die Rolle des Gangsterbosses, weil ich der Figur einen aristokratischen Anstrich geben und typische Mafiaklischees vermeiden wollte. Mir ging es um einen ungewöhnlichen und überraschenden Cast, und ich habe eher untypische Schauspieler in den jeweiligen Rollen besetzt.


Ist dieser sehr düstere Film als Kommentar auf menschliche Beziehungen und die heutige Gesellschaft zu verstehen?

Ja. In meinem ersten Film, 12:08 – JENSEITS VON BUKAREST von 2006, wird viel geredet, denken die Figuren über die Dinge nach und versuchen, die Revolution zu definieren, die schließlich die Macht stürzen soll, die so lange unangreifbar war. In diesem neuen Film finden sich die Figuren wieder in einer Welt, die von starken Ansichten dominiert wird, wo alle versuchen, anderen ihre Sichtweise aufzudrängen. Es ist ein ständiges Machtspiel, ein Kräftemessen. In einer finsteren Welt, in der alles ausgehandelt werden muss, funktioniert aufrichtige Kommunikation besser durch eine Geheimsprache, die es denen, die sie gemeistert haben, ermöglicht, sich der Kontrolle dieser sehr angespannten Beziehungen zu entziehen und auf diese Weise eine Art von Aufrichtigkeit zu bewahren. Die Geheimsprache ist entscheidend für Cristi, der sie für seine privaten Zwecke einsetzt, die nichts mit den kriminellen Gründen zu tun haben, aufgrund derer er sie erlernen musste.


Wir realisieren nicht sofort, dass Cristi abgehört und von der Polizei verdächtigt wird. Er ist keine Figur, mit der man sich unmittelbar identifiziert. Erst nach und nach offenbart der Film dem Zuschauer sein Geheimnis.

Cristi ist eine komplexe Figur. Ursprünglich glaubt er, Kontrolle über die Situation zu haben. Aber er irrt sich, weil er sich in einem Wirbelsturm wiederfindet, in einem schwindelerregenden Dreieck. Er ist nicht länger der Meister seines Schicksals. Schließlich erkennen wir, dass die stärksten Figuren die 9 Frauen in seinem Umfeld sind: Gilda, Magda und seine Mutter. Die Frauen halten die Fäden in der Hand und treiben die Handlung voran. Wir verstehen am Ende, dass die Frauen ihn führen. Seine Entscheidungen sind nicht seine Wahl!

FORTSETZUNG FOLGT

Foto:
© Verleih

Info:
BESETZUNG

Cristi VLAD IVANOV
Gilda CATRINEL MARLON
Magda RODICA LAZAR
Kiko ANTONIO BUIL
Paco AGUSTÍ VILLARONGA
Zsolt SABIN TAMBREA

Drehbuch & Regie
CORNELIU PORUMBOIU