f gom2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. Februar 2020, Teil 12

Redaktion

Berlin (Weltexpresso) - Ist die Femme fatale, die von Catrinel Marlon gespielt wird, eine rein filmische Fantasie und/oder die treibende Kraft der Film-noir-Geschichte?

Sie ist der Archetyp der Frau, die wir als Femme fatale kennen. Sie betrügt die Männer, manipuliert sie, damit sie gegeneinander antreten. Catrinel Marlon spielt diesen Köder wunderbar, als ambivalente und beunruhigende Figur, der es gelingt, andere zu manipulieren, ohne dass sie es merken. Ihr gelingt es, der Szene, in der sie Cristi küsst, das nötige Gewicht zu verleihen – ein Kuss, der vordergründig nur dazu dient, die Polizeibeamten, die sie überwachen, auf eine falsche Fährte zu führen. Es ist einer der Momente, in dem sie ihre volle Macht ausspielt. Im Film versteht sie es stets, ihre verschiedenen Rollen vor den Überwachungskameras zu spielen. Dabei meistert sie einige ziemlich spannende und grenzwertige Situationen. Gilda entkommt diesem ewigen Rollenspiel schließlich, offenbart sich nach und nach vor sich selbst und wird im Verlauf eine reale, wahrhaftige Frau. Und bleibt doch immer auch einfach eine Filmfigur.


Wie haben Sie Vlad Ivanov als diesen ambivalenten Polizisten inszeniert?

Vlad Ivanov hat schon oft in meinen Filmen mitgespielt. Ich habe mit ihm an unausgesprochenem Subtext und an seiner Stimme gearbeitet. Sie sollte tiefer klingen. Seine Figur ist etwas undurchsichtig. Er zeigt nicht viel Emotion – außer in einem entscheidenden Moment, wenn er mit der Mafia über Gildas Zukunft handelt. Er ist Hals über Kopf verliebt in sie. Die Wahrheit über die Figuren erfahren wir nur durch ihre Handlungen.


Er hat eine ungerührte Seite, die an Buster Keaton erinnert.

Ja, das ist seine Weise, die Kontrolle über die Situation zu bewahren. Dass er in allen denkbaren Situationen so ernst bleibt, lässt ihn komisch erscheinen.


Warum spielt Ihr besonderer Humor eine so große Rolle in Ihren Filmen?

Der Humor entsteht ganz von selbst. Vielleicht hängt das mit meiner Kultur zusammen. Meine Figuren sind sehr ernst. Sie glauben, dass sie die Herren über ihr Schicksal sind, aber das ist nicht der Fall. Ich sage zu den Schauspielern, dass sie jede Szene ernst nehmen sollen – und wenn sie ihnen noch so absurd erscheint. Zum Beispiel wenn der Polizist versucht, die Pfeifsprache zu erlernen. Es amüsiert mich, das Ungleichgewicht zwischen heroischem Anschein und der Realität herauszuarbeiten. Diese schrecklich ernste Seite unter allen Umständen verleiht meinen Filmen einen Hauch des Absurden.


Sparsame und starke Darstellung, auf den Punkt gedrechselte Dialoge, kurze und prägnante Szenen – warum ist dieser Film deutlich temporeicher als Ihre bisherigen Arbeiten ausgefallen?

Das Prinzip des Films findet sich in Transaktionen, dazu zählt auch die Transaktion von Worten. Die Dialoge sind hier keine Diskussionen über Ideen, sondern eine Art von knackigem und schnellem Schlagabtausch. Wie bei einem Pingpongspiel, Schlag um Schlag. Jede Figur ist gefangen in ihrer professionellen Rolle, die Polizisten und die Gangster haben eine funktionale Weise, miteinander zu sprechen. Da bleibt nicht viel Zeit, sich vorab Gedanken zu machen, weil sie ständig zur Handlung schreiten müssen.


Die erste Szene, die beinahe triumphale Ankunft auf La Gomera, legt die Basis für den Film: Cristi denkt, er befindet sich im Himmel, realisiert aber schnell, dass er abgehört und beobachtet wird. Er ist tatsächlich der Gefangene des Blicks anderer. Zeigen Sie das Ausmaß, in dem ständige Überwachung die Freiheit einer Figur reduziert? Was sagt Ihr Film über die heutigen Mittel der Kommunikation aus?

Mir gefiel die Idee, dass in einer zunehmend kontrollierten Gesellschaft, in der jeder seine Rolle zu spielen hat, eine sehr alte Form der Kommunikation der Schlüssel zur Flucht sein kann; der Kontrolle zu entkommen und der ständigen Machtspiele, die den Handlungen aller Figuren den Stempel aufdrücken.


Künstlichkeit wird in diesem Film groß geschrieben, jeder spielte eine Rolle? Was ist Ihr Bezug zur Realität?

Alles hängt miteinander zusammen. Die Figuren spielen Rollen, und ich spiele mit den Codes der Sprache und der Genres. Die visuellen Referenzen folgen dieser Idee. Ich habe den Film niemals anders gesehen. Jede Figur spielt eine Rolle für die anderen. Nur Cristis Mutter hat sich eine Form von Aufrichtigkeit und Realismus bewahrt.


Wie haben Sie den sehr präzisen Stil des Films gefunden?

Mein Kameramann Tudor Mircea und ich suchten nach einer visuellen Sprache, die sich auf Edward Hopper, Alfred Hitchcock und den klassischen Film noir bezieht. Arantxa Etchevarria Porumboiu, die künstlerische Leiterin des Films, die auch meine Frau ist, und ich beschlossen, den verschiedenen Kapiteln des Films die Farben des Regenbogens zuzuordnen. Jedes Kapitel trägt den Namen einer Figur, die eine wichtige Rolle in Cristis Geschichte spielt. Wir haben versucht, eine gewissermaßen distanzierte, abstrakte Ästhetik zu etablieren, um die Idee der Künstlichkeit und des Rollenspiels zu unterstützen.


Welche Rolle spielt die Musik, die von Iggy Pop zur „Carmina Burana“ reicht, in Ihrem Film?

Musik spielt eine starke und wichtige Rolle in diesem Film mit seinen schnellen Schnitten und Szenenwechseln, weil sie kurze Szenen durchdringt und einen schnell in der Welt einer Figur zu Recht finden lässt. Mir gefällt es auch, interessante Spannungen durch ungewöhnliche Musikstücke zu erzielen. Wenn man beispielsweise klassische Musik in Gewalt- oder Actionszenen verwendet. Das ist eine weitere Möglichkeit, mit den Konventionen des Genrefilms zu spielen und sich gleichzeitig darüber hinwegzusetzen.

Foto:
© Verleih

Info:
BESETZUNG

Cristi VLAD IVANOV
Gilda CATRINEL MARLON
Magda RODICA LAZAR
Kiko ANTONIO BUIL
Paco AGUSTÍ VILLARONGA
Zsolt SABIN TAMBREA

Drehbuch & Regie
CORNELIU PORUMBOIU