Bildschirmfoto 2020 02 27 um 01.09.3470. Berlinale vom 20. 2. - 1. 3.2020, WETTBEWERB, Teil 14/18

Claudia Schulmerich

Berlin (Weltexpresso) – Eigentlich müßte dieser Film, der um eine massive Demenz kreist, VATER UND TOCHTER heißen, wo wir es mit den VÄTER UND SÖHNEN sehr viel häufiger haben. Die glücklichen Augen von Molly (Elle Fanning), als ihr geistig verwirrter Vater Leo (Javier Bardem) gegen Ende des Films ihren Namen nennt, den er zuvor vergessen hatte, obwohl sie sich wieder rührend den ganzen Tag um ihn gekümmert hat, wird man nicht vergessen.

Letzten Endes hält Molly tatsächlich nicht nur ihren Vater aufrecht, sondern auch diesen Film zusammen, der sich einen Tag lang nach und nach in den Erinnerungsfetzen des Leo als dessen Leben zusammenstückelt. So imaginiert der mittelerfolgreiche Schriftsteller – seine zweite Frau Rita (Laura Linney), die Mutter von Molly wurde als Autorin weit erfolgreicher, was beide die Ehe kostete, wie sie meint - im Heute die Vergangenheit. Wenn er also im Bett in seiner Wohnung in New York liegt, die Pflegekraft seine Dinge ordnet, SCHNITT, sieht man ihn im Bett liegen zu anderen Zeiten und Orten. Zwei Lebensabschnitte sind es, von denen der erstere der bedeutender ist. Er lebt in seiner Heimat Mexiko mit seiner aufregenden Frau Dolores (Salma Hayek), die ihn bewegt mitzukommen, wobei nicht ganz klar ist, ob nur zum Totengedenken an den kleinen Sohn Hector, wie es zu Allerseelen beispielsweise mit vielen Kerzen an den Friedhöfen Brauch ist, oder ob sie mit Leo dem Sohn in den Tod nachfolgen möchte. Leo fühlt sich schuldig, weil er nicht wie sonst den Kleinen zur Schule gebracht hatte, dieser alleine ging und überfahren wurde.

Immer wieder wird diesen Szenen gefolgt, die die sowieso dramatische Landschaft Mexikos mit dem Lebensdrama füllen. SCHNITT Dagegen fallen die Begleitumstände auf der griechischen Insel ab. Zwei junge Frauen kreuzen den Weg des Schriftstellers, deren eine ihn an seine Tochter erinnert. Er weiß nicht, ob er nach Mexiko zurückgehen sollte...

SCHNITT Sehr viel intensiver und rührender ist die Gegenwart,der Hauptteil des Films,  ist doch Molly von einer so tiefen Liebe zu ihrem Vater durchdrungen, daß sie die gröbsten Probleme meistert. Er will nicht aufstehen, sie aber hatte sich extra freigenommen, um ihn zu zwei Ärzten zu begleiten. Als er dort in die Hose macht, ist sie es, die auch diese Situation meistert und ihre Hosen auszieht und ihn in ihre steckt. So wird das ein Wahnsinnstag, weil er zwischendurch stiften geht und die Polizei ihn sucht, er aber von Ausländern gefunden betreut wird. Daß sie ihres Vaters wegen, weil er sich an keinen Zeitplan gehalten hat, nun auch ihren zugesagten, enorm wichtigen, weil lukrativen Auftrag verliert, ist ärgerlich, aber alles ist diesen Moment wert: wenn der Vater ihr in die Augen blickt und MOLLY sagt.

P.S. In der Pressekonferenz wird Sally Potter erzählen, daß ihr Bruder schon in jungen Jahren an Demenz erkrankte und zwei Jahre später starb. Daß diese Krankheit zwar fürchterlich war und sein Ende auch, daß sich aber dennoch auch anderes, Wunderbares in dieser Zeit ereignete, weil in ihrem kranken Bruder eine neue Persönlichkeit gewachsen war.

Foto:
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Info:
Regie, Buch: Sally Potter

Darsteller
Javier Bardem (Leo)
Elle Fanning (Molly)
Salma Hayek (Dolores)
Laura Linney (Rita)