7Bildschirmfoto 2020 02 28 um 00.45.490. Berlinale vom 20. 2. - 1. 3.2020, WETTBEWERB, Teil 16/18

Claudia Schulmerich

Berlin (Weltexpresso) – Männer. Immer wieder Männer. Meist Männer in gleichgeschlechtlicher Liebe verbunden. Als ob das jahrhundertelange Verbot einen solchen Druck bei Filmemachern aufgebaut hat, daß Homosexualität immer wieder in dieser Konstellation als Leinwandgeschichte nötig ist.

Nur ist diese aus einem Grund dann doch anders, als der Film ausdrücklich angekündigt wird als einer. OHNE DIALOG. Aha, nicht ohne Ton, denn kaum sind wir mit einem Protagonisten auf der Straße wird es laut und selbst ein Wasserhahn kann so was von laut tropfen. Nur kommt den Menschen, die wir minutenlang betrachten, manchmal beim Nichtstun wie Schlafen oder Vor sich Hinstarren, kein Wort über die Lippen.

Ich hatte mir die jeweiligen Bildeinstellungen in der Minutenfolge genau mitgeschrieben. Nur ergibt sich daraus nichts Mitteilungswichtiges. Denn es sind Alltagsverrichtungen, die wir Miterleben oder die Ruhephasen dazwischen. Fangen wir lieber mit den Personen an, die wir in ihrer Stummheit beobachten. Mit KANG beginnt es. Er ist ein mittelalter Mann, den wir lange in völliger Starre vor uns sehen. So eine Kinoleinwand ist ja groß und ein Film von 127 Minuten lang.

Bleiben wir erst einmal bei Kang (Lee Kang-Sheng), der ein schmerzerfülltes, zergrübeltes Gesicht hat, was kein Wunder ist, denn er ist wirklich schmerzgeplagt. Wir sind es bald auch. Denn wir müssen mit ihm die Stationen seiner Schmerzdiagnose und -therapie durchleiden. Das Gerät um seinen Kopf ist wirklich allerhand, und die Prozedur, wie sein Nacken mit elektrischen Leitungen und kleinen Feuerstellen – nicht umsonst denkt man an eine neue Form der Lockenwickler, die es mal gab – bedeckt wird, läßt an solche Formen der Behandlung wie Akupunktur denken – und diese gibt es dann wirklich, auch noch die Nadeln.

Das tut uns schon beim Zusehen weh. Sehr viel später sind wir dann noch bei der Massage dabei und bei dem Eingeöle und dem Handauflegen, da liegt schon da etwas Erotisches in der Luft. Doch da passiert noch nichts, aus Andeutungen setzt sich die Handlung zusammen. Zum Verhältnis kommt es dann im Hotel mit mit Non (Anong Houngheuangsy). Aber jetzt sind wir unserer Zeit voraus, denn erst mal kommt NON überhaupt ins Bild.

Mit NON verbringen wir nun viele stumme Minuten, in denen nur das Geräusch fließenden Wasser Bewegung bringt. Er braucht das Wasser zum Säubern der Kräuter und des Gemüses. Dies geschieht in seinem kleinen Bad, neben dem öden kleinen gemieteten Zimmer mit den vielen Herdstellen. Die Wohnung liegt in Bangkok. In aller Ruhe wäscht er sehr sorgfältig den Salat, die Kräuter, den Fisch...

Gießt das Brauchwasser ab, wäscht neu. Also, ehrlich, so sorgfältig wird hierzulande das Grünzeug nicht gewaschen. Und all das viele Grün ist nur für seinen eigenen Topf. Das hat was Rührendes, aber auch Einsames, was wir sehen, denn er imaginiert über das Essen seine Heimat, das heimatliche Dorf. Non verbringt unglaublich viel Zeit für seine Reproduktion, fällt einem dabei auf. Woher er Geld hat, wissen wir da noch nicht. .

Der Berlinaletext sagt nun folgendes: „Tsau Ming-Liang vollendet, was er in JOURNEY TO THE WEST begann: Seine Bilder sind Emanationen der Langsamkeit und Gebrechlichtkeit...“

Mit der Vollendung meint er zweierlei. „Nach einem Bekenntnis in eigener Sache in AFTERNOON, bleibt er in RIZI stiller Beobachter der erotischen Begegnung zweier Männer, die die dunkle Seite der Wirklichkeit für eine Nacht vergessen und die vielleicht der Wahrheit ganz nah sind, bevor der Alltag zurückkehrt.“

Sehr lyrisch ausgedrückt. Was man sieht, sind einfach zwei Männer , die ....also nichts Neues unter der Sonne. Aber viel Wind und viele Leinwandminuten.

Foto:
© Verleih

Info:
Stab
Regie Tsai Ming-Liang
Kamera Chang Jhong-Yuan

Besetzung
Lee Kang-Sheng (Kang)
Anong Houngheuangsy (Non)