Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das Wandern zu Fuß kann man fast als Modeerscheinung werten, was natürlich falsch ist, denn es ist die erste Fortbewegung des Menschen und mit den eigenen Füssen haben die ersten Menschen die Welt Meter für Meter erobert. Und trotzdem ist etwas Richtiges dran, daß Bewegen von Füßen modern ist, nachdem das 20. Jahrhundert das des Autos und der Flugzeuge war.
Dabei sind zwei Formen zu unterscheiden: das Laufen, und das Gehen. Das Laufen hatte seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts eine unglaubliche Renaissance, die bis heute anhält. Es ist völlig falsch, zu glauben, daß dies nur aus gesundheitlichen Gründen geschieht. Die Adrenalinchen machen glücklich. Und das hat auch mit Sucht zu tun. Das kann zwar auch beim Wandern eintreten, das Glück, es tritt sogar ein, dann aber meist ob der Umstände, was man unterwegs sieht, insbesondere die Gefühle, die sich in der Natur, im Wald einstellen. Und vor 200 Jahren, passend zur Welle der Romantik, nach der diese Zeit benannt ist, gab es eine Wanderungsbewegung, wenn man an den Spaziergang nach Syrakus von Johann Gottfried Seume im Jahre 1802 denkt, den Friedrich Christian Delius im Der Spaziergang von Rostock nach Syrakus 1995 in die Gegenwart paraphrasiert, womit er auf der Höhe der Zeit ist, da das Wandern wieder ‚in‘ ist. Übrigens auch Bücher darüber.
Und das Gehen? Das gehört natürlich zum Wandern, bzw. das Wandern zum Gehen. Tatsächlich gibt es wie beim Laufen auch hier zwei Richtungen. Das Gehen als Sport und das Gehen auf den Straßen, wozu wir eher sagen: durch die Straßen. Auch hier gibt es Differenzierungen, beispielsweise das Flanieren, wobei man sofort an Paris und andere Großstädte denkt. Und New York? Nein, da kommt keiner auf die Idee, vom Flanieren zu reden. Das hat mit Architektur und lebendigem Stadtleben zu tun, mit Boulevards und Plätzen. Und endlich sind wir bei Matt Green, der ein Geher vor dem Herrn ist und die Fortbewegung per Fuß sich zum Lebensziel machte, aber immer auch die mediale Verwertung dabei im Sinn hat. So ist 2010 seine Wanderung – aha, da sagen wir automatisch Wandern, obwohl es Gehen war – quer durch die USA, von Ost nach West, in 152 Tagen dokumentiert.
2012 begann er ein neues Projekt, ein ehrgeiziges Ziel. Er wollte täglich unterwegs sein, wirklich an sieben Tagen der Woche, und dies solange, bis er alle Straßen seiner Wahlheimat New York durchquert hat, einschließlich der Parks und anderer Grünflächen wie Friedhöfe. Festhalten wollte er die täglichen Gänge im Internet unter seinem Blog imjustwalkin.com. Tatsächlich war außer Wäsche und Kleiderwechsel der Rechner der einzige Gegenstand, den er brauchte. Also – weg mit der gut bezahlten Stellung und der Wohnung mitsamt der Einrichtung. Sein Projekt war verrückt genug, daß sich Freunde und dann Leser seiner täglichen Aufzeichnungen bereit erklärten, ihn bei sich wohnen zu lassen, denn er braucht ja nur des Nachts ein Bett, tags war er ja unterwegs! Auch ideal für die, die Urlaub machen und wegen der Haustiere oder zum Bewachen der Wohnung gerne ein Bett zur Verfügung stellen.
Die ersten Jahr läuft er allein, aber dann klinkt sich sein Freund Jeremy Workman ein, der ist Filmemacher und hat die Kamera dabei, läuft immer hinter ihm oder auf der anderen Straßenseite und so kommt unendlich viel Material zusammen. Zunehmend verwickelt Green Passanten in Gespräche, die aufgenommen werden, er hält aber auch selber kleine Vorträge, an 100 Tagen ist Workman mit der schweren Kamera dabei und hat 500 Stunden Filmmaterial. Also wird der fertige Film davon abhängen, wie er geschnitten wird. Und das macht keine Freude.
Anfangs fand ich den Film interessant, denn das Gehen durch New York bringt auch Erinnerungen, außerdem ist der Film nach Themen gegliedert, was auch Schwerpunkte beim Zuschauen ergibt. Aber zunehmend ödete mich der Film an, denn da wurde geredet und geredet, aber um nichts Wichtiges. All das, was wir an Reflexionen erwarten, denn das Gehen sollte doch quasi somnambule Gedanken ans Licht befördern, doch all das unterbleibt. Stattdessen werden wir mit Häppchen abgefüttert, die rasend schnell alle möglichen Straßen zeigen, was nach und nach nicht nur langweilt, sondern auch ärgert, weil man doch mehr Tiefe erwartet hätte, also Qualität, statt der gebrachten Quantität an Laufschritten.
Fotos:
© Verleih
Info:
Die Filmemacher
Regie / Produktion / Kamera / Schnitt Jeremy Workman
mit Matt Green
ausführende Produktion Jesse Eisenberg
Allen Altman
Cathie Altman
Filmmusik Carly Comando
Tom Rosenthal
© Verleih
Info:
Die Filmemacher
Regie / Produktion / Kamera / Schnitt Jeremy Workman
mit Matt Green
ausführende Produktion Jesse Eisenberg
Allen Altman
Cathie Altman
Filmmusik Carly Comando
Tom Rosenthal