Bildschirmfoto 2020 04 27 um 01.40.51LICHTER-On-Demand in Frankfurt auf dem Prüfstand: bestanden

Katharina Klein

Frankfurt am Mqain (Weltexpresso) - Auch wenn man persönlich nicht anwesend war, weder gemeinsam die Filme gesehen hat, noch mit anderen darüber diskutiert hat, von daher auch keine anderen Meinungen als die eigene, die Preisvergabe bleibt immer spannend, ist dies doch letzten Endes der Zweck des Festivals, mit der angenehmen Nebenwirkung, neue und alte Filme gesehen zu haben. 

Lisa Charlotte Friederichs Film „LIVE“ erhält den Preis als bester regionaler Langfilm des 13. LICHTER Filmfests. Der Kurzfilm „Nachtschicht“ von David Dybeck gewinnt den regionalen Kurzfilmpreis. Max Rainer darf sich über den LICHTER-Kurzfilmpublikumspreis für seinen Film „Die Vergänglichkeit des Bernd Hasselhuhn“ freuen. Der Sieger des Virtual Reality-Wettbewerbs ist „Aripi“ von Dmitri Voloshin. LICHTER-On-Demand, die Online-Ausgabe des 13. LICHTER Filmfest, endete am Abend mit einer Live-Übertragung der Preisverleihung auf Facebook

In Kooperation mit Festival Scope zeigte das LICHTER Filmfest vom 21. bis. 26 April 2020 auf einer speziell für das Festival entworfenen Streaming-Plattform aktuelles Weltkino zum Thema „Macht“, Glanzlichter des deutschen Films und das Beste aus Hessen und der virtuellen Realität. Rund 50 Filme, vorab aufgezeichnete Interviews mit Filmschaffenden und Podcasts ließen an sechs Tagen Festivalatmosphäre aufkommen.„Unseren Hauptförderern sind wir zu großem Dank verpflichtet. Als klar wurde, dass LICHTER nicht in gewohnter Form stattfinden kann, haben sie direkt entschieden, dass ihre finanziellen Zusagen bestehen bleiben. Nach dieser Entscheidung waren wir uns direkt einig: Jetzt die Menschen in der Quarantäne-Zeit allein lassen, das kommt für uns nicht in Frage. Wir bringen die Filmkultur einfach dahin, wo wir gerade die meiste Zeit verbringen: in die eigenen vier Wände“, sagt Festivaldirektor Gregor Maria Schubert.

Oberste Priorität für die LICHTER-Macher*innen hatte auch die Solidarität mit der Filmbranche. „Wir wissen, vor welch schwierigen Situationen unsere Festivalkinos und die Filmschaffenden stehen. Ein Großteil unserer Einnahmen aus LICHTER-On-Demand geht deshalb direkt an die Branche“, sagt Festivaldirektorin Johanna Süß.

Die Festivalmacher*innen beschritten mit LICHTER-On-Demand komplettes Neuland: „Als erstes deutsches Filmfestival mussten wir uns mit der Frage auseinandersetzen, wie eine Online-Alternative aussehen kann, zu der keiner kommen kann. In dieser Ungewissheit lag für uns ein großer kreativer Antrieb“, so Schubert. Mit Filmgesprächen, interaktivem Online-Voting für den Kurzfilmpublikumspreis, Daumenkino-Challenge, virtueller Festivalparty und Preisverleihung sorgte LICHTER dafür, dass auch im Netz Festival-Feeling aufkommen konnte.

Mit den Reaktionen auf LICHTER-On-Demand sind Schubert und Süß sehr zufrieden: „Wir freuen uns über die große Publikumsresonanz auf unser Online-Angebot. Auch von Seiten unserer Förderer und Partner haben wir sehr viel Lob für unsere Pionierarbeit erhalten.“

Die regionalen LICHTER Wettbewerbe

Aus neun Beiträgen im Regionalen Langfilm-Wettbewerb der Dr. Marschner Stiftung wird LIVE von Lisa Charlotte Friederich mit dem Weißen Bembel und einem Preisgeld in Höhe von 3.000 Euro geehrt. Im Kontext der Corona-Krise entwirft die Regisseurin eine Zukunfts-Dystopie mit einer bedrückend hohen Aktualität, einzig der Ausgangspunkt ist ein anderer: Wegen zu hoher Terrorgefahr sind öffentliche Veranstaltungen verboten, Begegnungen mit anderen Menschen sind kaum noch möglich und kulturelles Leben kann nur noch im virtuellen Raum erlebt werden. Eine Atmosphäre aus Angst und Isolation zermürbt die Menschen. Die beiden Geschwister Claire und Aurel stemmen sich gegen die Situation und planen ein illegales Live-Konzert.

Die Jury, bestehend aus 3sat/Arte-Redakteurin Margrit Schreiber-Brunner, Regisseur Anatol Schuster und Ernst Szebedits (ehemaliger Vorstand der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung), lobte die Atmosphäre des Films, mit der die Sehnsucht nach Widerstand besonders zur Geltung komme. Trotz der kühl gezeichneten Charaktere inszeniere die Regisseurin mit großer Spannung und mit Bildern von faszinierender Ästhetik.

Besonders die gelungene Verbindung von Musik und Filmdramaturgie überzeugte die Jury: „Es ist die herausragende Musikkomposition, die hier eine große Kraft entwickelt und als Teil der filmischen Handlung die Bildebene tatsächlich ergänzt und kunstvoll erweitert. Dies ist als besonderes Verdienst der Musikerin und Koproduzentin Rike Huy hervorzuheben“, heißt es in der Jurybegründung. LIVE sei ein mutiger, ambitionierter Erstlingsfilm, der Impulse für experimentierfreudiges Filmschaffen setze.

Den Preis für den besten regionalen Kurzfilm erhält David Dybeck. In seinem Spielfilm Nachtschicht will der übermüdete René nichts lieber als ins Bett. Doch seine Arbeitsschicht in der Trinkhalle und eine verheißungsvolle Party lassen den langersehnten Schlaf in weite Ferne rücken. Arte-Redakteurin Catherine Colas und die beiden Regisseure Rolf Siber und Daniel Popat lobten die gesellschaftlichen Debatten zwischen Testosteron-Gehabe und täglichen Nervenzusammenbruch, die in dem Kurzfilm geführt werden. Dybeck darf sich über 1.000 Euro Preisgeld freuen. Lobende Erwähnungenerhielten Sinkende Schiffe von Andreas Kesslerund Wie erkenne ich einen Mann/eine Frau auf den ersten Blick – Rikes Tutorial von Rike Suhr.


Der LICHTER-Kurzfilmpublikumspreis ausgelobt vom Journal Frankfurt

Der Kurzfilmpublikumspreis hat dem Publikum von LICHTER-On-Demand die Möglichkeit gegeben, per Online-Voting ihren persönlichen Kurzfilm-Favoriten zu küren. Der Preis ist mit 1.000 Euro dotiert und geht in diesem Jahr an Die Vergänglichkeit des Bernd Hasselhuhn. In dem Achtminüter erzählt Regisseur Max Rainer von Bernd Hasselhuhns absurd-übertriebener Angst vor dem Altern. Restmüll (R: Merlin Heidenreich) und BASHE! (R: Aurelia Natalini) als zweit- und drittbeliebteste Filme erhalten tolle Preis-Pakete von Journal Frankfurt.


Der 4. VR Storytelling Award

Der LICHTER VR Storytelling Award geht in diesem Jahr an Aripi von Dmitri Voloshin. Bereits zum vierten Mal präsentierte das Festival narrative und dokumentarische 360-Grad-Filme in dem international ausgeschriebenen Wettbewerb. Die fünf Finalist*innen wurden von einer Jury bestehend aus VR-Regisseurin Ioana Matei (Procter & Gamble / Reality+), Susanne Ahmadseresht (Vrtual X / next.Reality Hamburg) und Kirsty van der Plas (VR Days Europe) aus über 70 Einreichungen ausgewählt. Die Zuschauer*innen konnten sich die VR-Filme über die LICHTER-Webseite in Zusammenarbeit mit VRdirect ansehen.


Initiative Zukunft Deutscher Film

Die zweite Ausgabe des Kongresses „Zukunft Deutscher Film“ findet nun im Herbst 2020 statt. Bis dahin halten die Initiatoren des Kongresses ihre Füße aber nicht still. Zu LICHTER-On-Demand startete eine Podcastreihe, die sich um die Auswirkungen der Corona-Kriseauf die Filmbranche dreht, die Bedrohung des Kinos durch Populismus und Rechtsextremismus thematisiert und mögliche Reformen im Zuge der Novellierung des Filmfördergesetzes im Jahr 2022 bewertet.

Foto:
©

Info:
Hauptförderer der 13. Ausgabe des LICHTER Filmfest Frankfurt International sind HessenFilm und Medien, das Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main, der Kulturfonds Frankfurt RheinMain sowie die Dr. Marschner Stiftung.

Hintergrund
Das Programm des LICHTER Filmfest Frankfurt International reicht von aktuellem Weltkino zum Thema „Macht“ über die Zukunft des deutschen Films bis hin zu den besten Filmen aus Hessen. Ursprünglich waren rund 100 Filme, Gesprächsrunden und weitere Begleitveranstaltungen für die 13. Ausgabe vom 21. bis zum 26. April 2020 geplant. Das Festival findet seit 2008 jedes Jahr im Frühling an verschiedenen Spielstätten in Frankfurt und in anderen Städten der Rhein-Main-Region statt. Im Rahmen des 11. LICHTER Filmfests erarbeiteten etwa 100 Filmschaffende bei einem Kongress die „Frankfurter Positionen zur Zukunft des deutschen Films“.