Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 22. August 2013

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eine Frechheit. Eine Frechheit ist, wie so manche Kinokritiker angesichts ihrer mit Recht positiven Besprechung der Verfilmung von FEUCHTGEBIETE sich gleichzeitig als Literaturkritiker geben und anmaßend und abwertend über die Kinovorlage, den Roman von Charlotte Roche schwafeln, wie gerade in der morgendlichen Sendung in hr 2.

 

FEUCHTGEBIETE

 

Warum wir uns ärgern? Nicht darum, weil einer ein Buch nicht mag, sondern weil Aussagen wie: „Der Film ist gut, aber er hat es auch nicht schwer, besser zu sein als das Buch.“ oder sogar: „da gehört nicht viel dazu, besser zu sein als der Roman“, Wertungen in die Welt setzt, die keine argumentative Grundlage haben, vom Leser und Hörer also Glauben an den, der das sagt, voraussetzt. Das ist lächerlich. Grundsätzlich. Nun gehören aber wir zu denen, die in mehreren Besprechungen damals das Buch als sehr interessant und richtig gut und auch überhaupt nicht schlecht oder nur eklig qualifiziert hatten.

 

Deshalb werden wir im Zusammenhang mit dem Anlaufen von FEUCHTGEBIETE drei der damaligen Besprechungen wiederauflegen. Denn leider gehört es im Zeitungsgeschäft dazu, daß nicht so alt, so sehr Schnee von gestern wird, wie besagte Zeitung von gestern. Das kann eine Internetzeitung leichter als die aus Papier korrigieren. Aber nun zum Film.

 

Unglaublich, was David Wnendt aus Literatur machen kann. Man nennt so etwas kongenial, wenn ein Regisseur eine literarische Vorlage mit Mitteln des Kinos zu einem mitreißenden Film macht, der dem Zuschauer gar keine Zeit läßt, sich Ekelgefühlen oder anderem hinzugeben, weil er gebannt dieser jungen Frau, diesem Mädchen an der Schwelle zum Erwachsen werden zusieht, ja zusammen mit ihr auf gerade dieser Schwelle sitzt. Uns hat es überaus gepaßt, daß sich die Energie, die die 18jährige Helen Memel oft gegen sich selbst und auch die Umwelt richtet und diese Ekelattacken einschließt, auch im Film aus ihrer Hoffnung, ihrem Wunsch, ihrer Sehnsucht speist, daß die Trennung der Eltern durch den äußeren Zwang, sie an ihrem Krankenbett zu besuchen, wiederaufgehoben werde und die Familie so vereint wird, wie sie einst war.

 

Daß die Selbstverletzungen von Helen eben auch der Absicht geschuldet sind, die Eltern ans eigene Krankenbett zu zwingen, darob dann beide Eltern sich wieder an den Händen nehmen, die Liebe, zumindest die Ehe fortsetzen und alle gemeinsam die Heilige Familie werden, wird nach diesem Film auch die Art und Weise des Lesens und Interpretieren dieses Romans beeinflussen. Zu Recht. Aber wie David Wnendt ein in unseren Augen unverfilmbares Buch verfilmt hat, das verdient nicht nur Respekt, sondern hat auch massiv mit der Auswahl seiner Hauptdarstellerin - er ist wohl auch ein Frauenfilmer, denn auch sein Film KRIEGERIN, von dem wir uns gar nichts versprachen, hat uns mitsamt der Hauptdarstellerin Alina Levshin begeistert - zu tun: Carla Juri aus der Schweiz.

 

Diese ist eigentlich zehn Jahre älter, aber überzeugt als 18jährige opponierende und lustvoll mit dem Heiligsten der Hygieneindustrie sowie dem Guten Benehmen spielende Tochter, die beim Versuch, über sich selbst die Eltern zu versöhnen, eine eigene kleine Person wird, von der man nach dem Film weiß, die wird es schon schaffen und ihren Weg gehen, trotz aller Probleme und Verletzungen, von denen die Analfissur – ja, wir wußten zuvor auch nichts mit diesem Begriff anzufangen und verwenden ihn nach und mit dem Film, als ob man täglich damit zu tun hätte - ja nur die derbste ist, weil seit Sigmund Freud die Begriffe, die 'anal' mit sich führen ihre besondere Bedeutung haben und schon Kinder lernen, Igitt zu empfinden, was mit ihren Ausscheidungen und ihrem hinteren Löchlein zu tun hat. Außerdem wischt man sich dort nur mit Toilettenpapier ab. Schon entstandene schmerzhafte Hämorrhoiden sind nichts, worüber man in Gesellschaft spricht, während jeder Herzinfarkt oder auch Krebserkrankungen in allen Stationen 'kommunizierbar' sind.

 

Aber diese Situationen sind ja nur das eine, die im Film schwungvoll abgehandelt werden, weil die Darstellerin der Helen selbst so schwungvoll daherkommt, im jugendlichen Überschwang auch auf dem Skateboard sicher wie eine Eins, umweht von Musik, sei es Punk oder Oper. Das andere sind die Selbstversuche mit der Sexualität und auch, eine beste Freundin zu haben. Diesen ungewöhnliche Film anzuschauen lohnt und wir sind schon auf den nächsten Film von David Wnendt gespannt.

 

 

DR. KETEL DER SCHATTEN VON NEUKÖLLN

 

Autobiographisch wird hier ein Berliner Arzt geschildert, der durch Raubzüge in Apotheken sich das Material verschaffte, arme Kranke kostenlos zu behandeln und mit Medikamenten zu versorgen. Der Film bringt durch die Gegenspielerin, die aus Amerika eingeflogen wird, um die Diebstähle aufzuklären, auch formal verschiedene Dinge interessant in Schwarz-Weiß zusammen.

 

 

KID-THING

 

Zehn Jahre müßte man sein und die Nerven der Kleinen haben, die die in der Spalte abgestürzte alte Frau durch Hinunterwerfen von Nahrung und Trank am Leben läßt, ohne sie herauszuholen.Aber vielleicht sind wir da dieser Frühreifen schon längst auf den Leim gegangen und sie erzählt uns Gespenstergeschichten?

 

 

MR. MORGANS'S LAST LOVE

 

Eindeutig hält diesen disparaten Film das Darstellerpaar zusammen. Michael Caine ist der trostlose, weil gerade verwitwete Alte, der durch das Zusammentreffen mit der jungen lebenslustigen Tanzlehrerin wieder an das Leben und auch an die Liebe glauben lernt.

 

 

UPSIDE DOWN

 

Romeo und Julia lebten einst in der selben Stadt Verona. Gerade die Nähe und damit die Feindschaft ihrer Familien machte ihnen zu schaffen. Hier kommen die beiden Liebenden von zwei benachbarten Planeten, was ganz neue Konstellationen mit sich bringt.