Ausstellung im Deutschen Filmmuseum Frankfurt ab 30. Oktober

 Anna von Stillmark

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Fassbinder, welch wichtiger Filmemacher für seine Generation und für die Filmwelt des Planeten. Wie sieht es mit dem so früh Verstorbenen heute aus? Nachgespielt, verfremdet, zitiert, neu bewertet. Auf ganz unterschiedliche Weise beziehen sich zeitgenössische Videokünstler und -künstlerinnen auf die Filme Rainer Werner Fassbinders (1945-1982).

 

Die Ausstellung „Fassbinder – JETZT!   Film und „Videokunst“ veranschaulicht vom 30.Oktober bis zum 1. Juni 2014 die aktuelle Bedeutung eines der wichtigsten deutschen Nachkriegsregisseure. Ausgewählte Videoarbeiten stehen in der Präsentation

Ausschnitten aus Fassbinders Filmen gegenüber.

 

Die Kamera umkreist einen Mann und eine Frau – diesen „magischen“ Moment der ersten Begegnung eines Liebespaares inszenierte Fassbinder im Melodram MARTHA (1973) als schwindelerregende 360°-Kamerafahrt. Diese berühmte Szene ist eine Hommage an die Illusionskraft des Kinos und bricht diese zugleich über die extreme Künstlichkeit der Begegnung. Von den Grausamkeiten der späteren sadomasochistischen Beziehung des Paares ist hier noch nichts zu spüren. Immer wieder durchbrach Fassbinder die vollständige Identifikation des Zuschauers mit dem Geschehen und sensibilisierte ihn somit für die Mechanismen des Kinos. Die in Pakistan geborene Künstlerin Runa Islam dekonstruiert und verschärft in TUIN (1998) dieses Fassbindersche Verfahren, indem sie genau diese Szene verfremdet wieder aufführt. In ihrer Installation steht der Besucher inmitten von drei Leinwänden, er bekommt einen Blick hinter die Kulissen, sieht die Kamera und die für sie im Kreis gelegten Schienen. Zusätzlich kann er selbst um eine

Leinwand schreiten und somit die Kamerafahrt körperlich nachvollziehen.

 

Die Niederländer Jeroen de Rijke / Willem de Rooij inszenieren in MANDARIN DUCKS (2005) stereotype Figuren der Oberschicht und kritisieren sie mittels theatralischer Überzeichnung. Künstlich, affektiert und dennoch treffend charakterisieren sie ihre Figuren, die von ökonomischen Interessen und einer vergeblichen Suche nach sexueller Bestätigung getrieben sind. Letztlich erscheinen sie misanthropisch, deformiert und sich selbst entfremdet: Ihre Ängste und Träume nähren sich vor allem aus gesellschaftlich, mehr noch medial geprägten Wunschbildern: Es geht um äußeren Erfolg, Reichtum und

Ehre, darum, begehrt und bewundert zu werden, etwas Besonderes zu sein. De Rijke und de Rooij veranschaulichen die Wechselwirkungen zwischen individuellem Schicksal und gesellschaftlichen Strukturen. Ohne sich direkt auf Fassbinder zu beziehen, werden Äquivalenzen deutlich, denn Fassbinder verfolgte einen ähnlichen Ansatz und wendete dazu vergleichbare ästhetische Strategien an. „Es ist die Gesellschaft, die den Menschen

schlecht macht“, erklärte der Filmemacher 1974.

 

Der Vergleich zwischen Film und Videokunst soll Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede erfahrbar machen und wechselseitige Interpretationsimpulse ermöglichen. Die Arbeiten der KünstlerInnen zeigen, was Fassbinders Ära mit der heutigen Zeit verbindet, was beide aber auch unterscheidet. Damit greift die Ausstellung einen Ansatz Fassbinders auf. Dieser hat stets betont, dass die Kenntnis der Geschichte für das Verständnis der Gegenwart unerlässlich ist. Übergeordnet reflektiert der Vergleich, wie das Kino aktuelle

künstlerische Medien prägt und führt zu der Frage, inwiefern die Grenze zwischen Film- und Videokunst im digitalen Zeitalter verschwimmt.

Die Ausstellung präsentiert in Kooperation mit der Rainer Werner Fassbinder Foundation Berlin zahlreiche Originaldokumente aus dem Rainer Werner Fassbinder Archiv, welche die Arbeitsweise des Regisseurs beleuchten. Begleitend ist eine Retrospektive im Kino des Filmmuseums zu sehen sowie eine Filmreihe, die den Einfluss Fassbinders auf das Kino der Gegenwart, von Pedro Almodóvar bis François Ozon, thematisiert. Es erscheint ein Katalog in deutscher und englischer Sprache.

 

Teilnehmende KünstlerInnen:

 

Tom Geens (geb. 1970, Belgien)

Runa Islam (geb. 1970, Bangladesch)

Maryam Jafri (geb. 1972, Pakistan)

Jesper Just (geb. 1974, Dänemark)

Jeroen de Rijke / Willem de Rooij (geb. 1970 Niederlande, gest. 2006, Ghana /

geb. 1969 Niederlande)

Ming Wong (geb. 1971, Singapur)

 

bis 1.Juni 2014

 

INFO:

 

Eröffnung: Dienstag, 29. Oktober, 19 Uhr

 

 

Die Ausstellung ist eine Kooperation mit der Rainer Werner Fassbinder Foundation

Berlin. Sie wird gefördert vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain und der Stadt Frankfurt

am Main. Weiterer Kooperationspartner ist die B3 Biennale des bewegten Bildes.

 

www.deutsches-filminstitut.de

www.deutsches-filmmuseum.de