singingSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 15. Oktober 2020, Teil 13

Redaktion

London (Weltexpresso) - Mehr als 55.000 Chöre gibt es in Deutschland, sie haben geschätzt etwa 2,1 Millionen Mitglieder (Quelle: Deutscher Musikrat 2017/2018). Etwa ein Drittel davon ist organisiert im Deutschen Chorverband. Und die Trendkurve geht steil bergauf: Das Singen im Chor ist in, wie es seit der Blütezeit der Chöre in Deutschland im 19. Jahrhundert nicht mehr war. Insbesondere betrifft das junge Menschen, die für Zulauf in Scharen sorgen. Die Zeiten, in denen Chorgesang als eine Freizeitbeschäftigung für alte Menschen abgetan wurde, als etwas, das nur Senioren Spaß macht, sind passé. Die Einschätzung, die der Dichter Johann Gottfried Seume schon vor mehr als 200 Jahren abgab und die längst zum geflügelten Wort im deutschen Sprachgebrauch geworden ist, könnte kaum zeitgemäßer sein: „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder. Böse Menschen haben keine Lieder.“

In den letzten Jahrzehnten hat sich hierzulande einiges am Verständnis von Chor und Chorgesang geändert und so zur wachsenden Beliebtheit beigetragen. Man hat gelernt von den USA, Großbritannien oder Schweden, wo Folkmusik (im Gegensatz zum deutschen Volkslied) an sich einen anderen Stellenwert genießt und dadurch auch Teil der Populärkultur wurde – siehe Bob Dylan oder Joan Baez in den USA oder Fairport Convention in England: Die musikalischen Repertoires wurden erweitert. Neben traditionellem Liedgut hielt auch Pop Einzug in die Chöre. Der Umgang mit Musik wurde zwangloser, man öffnete sich modernen Einflüssen und Stilen, und mit dieser Öffnung kam auch die Jugend zurück, die Chöre heute nicht mehr als etwas Miefiges oder Altmodisches empfinden, sondern als Orte der positiven Begegnung, in denen Kommunikation und Gemeinsamkeit kein virtuelles Erlebnis sind. Chöre sind soziale Netzwerke, die mit beiden Beinen fest im Leben stehen.

Männerchöre, Frauenchöre, Knabenchöre, Mädchenchöre, Polizeichöre, Kirchenchöre, schwul-lesbische Chöre, Kneipenchöre, Sängerkreise, Liedertafeln... Die Liste der verschiedenen singenden Zusammenkünfte ist vielseitig und bunt. Vor allem Frauenchöre erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Nicht zuletzt durch den internationalen Durchbruch des belgischen Indie-Pop-Frauenchors „Scala“. Zudem geben sich Frauenchöre meist auch ungewöhnliche, witzige Namen: von Choryfeen über Signoritas und VocalBerries hin zu Les Sirenes, Vocal Orange oder Hansemädchen – die Lust und Freude am Singen steckt also gleich im Namen.

Die Bandbreite der Chöre in Deutschland ist groß. Grundsätzlich muss die Unterscheidung getroffen werden zwischen professionellen Chören für ausgebildete Sänger*innen, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten, und den Laienchören, in denen es um die reine Freude am Gesang geht. Dabei ist jede Art von Zusammenstellung und Ausrichtung denkbar, vom A-Capella-Chor hin zur Begleitung mit Band oder Orchester. Auch in den Schulen nimmt der Chorgesang im Musikunterricht wieder eine größere Rolle ein. Man weiß durchaus um die pädagogische Wirkung: Soziale Kompetenz wird gestärkt, man lernt Teamarbeit und bezieht Freude und Stärke daraus, dass man sein Können in ein größeres Gefüge einbringt. Erfolg feiert man im Chor nur, wenn man gemeinsam an einem Strang zieht.

Und schließlich ist Singen gesund. Es stärkt nachweislich das Immunsystem. Singen bestärkt die Förderung von Immunglobulin A. Dazu kommt, das ist keine neue Erkenntnis, dass der Körper beim Singen Neurotransmitter produziert, dessen Ausschüttung für Glücksgefühle sorgt. Ein Engagement im Chor ist gut für Geist und Seele. Es lässt Menschen aufeinander zugehen, fördert Freundschaften und Zusammenarbeit, gemeinsame Bewältigung von Problemen und Konflikten. Und wer könnte jemals etwas gegen Musik einwenden, gerade in Zeiten wie diesen der Trostspender Nummer eins.

Fun Facts zum Thema

In den Top 10 der Weltrangliste der besten Chöre (basierend auf einer Erhebung von Interkultur.com, deren Wettbewerben das Musica Mundi-Qualitätssiegel zugrunde liegt) befinden sich je zwei Chöre aus Südafrika (der Stellenbosch University Choir rangiert auf Platz 1), Russland und aus China. Der beste deutsche Chor in dieser Auflistung folgt erst auf Rang 54: Der Frauenchor 4x4 aus Heidelberg.

Wer singt, lernt tief ein- und auszuatmen, das heißt: bessere Sauerstoffversorgung des Körpers

Sänger sind weniger anfällig für Burnout als Nicht-Sänger (Studie der Goethe-Universität Frankfurt)

Beim gemeinsamen Singen wird das Kuschelhormon Oxytocin ausgeschüttet, das Angst und Stress abbauen kann (haben Wissenschaftler der Universität Hamburg herausgefunden); zudem stärkt das Singen die Abwehrkräfte und steigert das Wohlbefinden.

In Krankenhäusern ist Singen inzwischen fester Bestandteil des Therapieangebots

Kreative Chornamen: Es gibt den Seniorenchor „Heaven can wait“, exklusiv für Menschen ab 70+


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Info:
Mrs. Taylor's Singing Club (Großbritannien, 2019)
Regie: Peter Cattaneo
Drehbuch: Rosanne Flynn, Rachel Tunnard
Darsteller: Kristin Scott Thomas, Sharon Horgan, Jason Flemyng, Gregg Wise, Emma Lowndes, Amy James-Kelly u.a.
Verleih: LEONINEZahlreiche Choraktivitäten für Flüchtlinge wirken sich sehr positiv auf die Integration aus