Redaktion
Santiago (Weltexpresso) –Wann entstand Ihr Interesse am Reggaeton-Tanz?
Bevor ich mich mit diesem Film beschäftigte, hatte ich kein spezielles Interesse an Reggaeton. Aber im Verlauf der Arbeit am Film ist mir dieser Tanz- und Musikstil immer näher gekommen. Ich kann verstehen, warum die gesamte junge Generation Chiles, von der ich im Film erzähle, auf diese Musik abfährt. Reggaeton hat einen Rhythmus, der alles durchdringt – so wie alle starken popkulturellen Elemente. Du bist hier und du bist gezwungen damit zu leben. Es ist eine kulturelle Praxis, die ihre eigene ethische und ästhetische Existenz hat. Sie begann mich immer mehr zu interessieren. Im Moment liebe ich sie fast.
Beschreiben Sie Ihre Heldin Ema in Ihren eigenen Worten. Was will sie vom Leben?
Ema ist ein Paradigma: Sie ist eine Figur bestehend aus vielen Persönlichkeiten. Sie ist Tochter, Mutter, Schwester, Ehefrau, Liebhaberin und Anführerin. Sie ist sehr stark und präsentiert eine markante, schöne Art der Femininität. Sie betreibt einen Individualismus, der auf ihre Umwelt fast unerbittlich und absolut wirken muss. Sie weiß sehr genau, was sie will und sie ist überdies auch fähig, alle um sich herum zu verführen und ihr Schicksal selbst zu gestalten. Sie will Mutter sein und eine Familie haben. Vielleicht ist das, was sie am meisten bewegt und motiviert, die Liebe.
Beschreiben Sie Emas und Gastóns Dynamik. Was bindet sie aneinander?
Sie sind ein Paar, das viele Gemeinsamkeiten hat: Ihren Beruf, ihre kulturellen Interessen, das Tanzen. Sie verbindet eine tiefe Liebe. Ich glaube, sie wirken nur von außen wie ein dysfunktionales Paar, aber am Ende zeigt sich, dass sie zusammengehören.
Wo fanden Sie Ihre weibliche Hauptrolle Mariana Di Girolamo?
Ich sah ein Bild von Mariana in einer Zeitung. Ich wollte sie kennenlernen und traf sie in einem Café. Bereits nach zehn Minuten Gespräch bot ich ihr dann die Titelrolle des Films an. Sie hat etwas Rätselhaftes an sich, das mich sehr beeindruckt hat, ein starkes Mysterium. Sie ist eine Person mit vielen Schichten – intellektuell, physisch, sinnlich. Man kann sie aus vielen Blickwinkeln her sehen und lesen. Mariana macht etwas sehr Starkes mit Ema: sie wird zu einem Vehikel, zu dieser elektrisierenden Pop-Punk-Energie des Films, welche die Zuschauer verführt, sich auf unbekannte Pfade vorzuwagen, die aufregend, provokant und fesselnd sind.
Sie sind für Ihre „Autopsien der Vergangenheit“ bekannt. Ist Ihr jüngster Film eine Autopsie der Zukunft?
Ich denke nicht, dass der Film eine Autopsie der Zukunft ist. Er ist eher ein Zeugnis der heutigen Zeit. Die Leute aus der Generation, die der Film behandelt, sind in diesem Jahrhundert geboren oder gegen Ende des vergangenen, und sie gehören einer neuen Generation an, die ohne falsche Befangenheit zu tanzen weiß. Sie drücken sich durch ihre Körper und durch Musik in einer Art aus, die komplett anders ist, als die meiner Generation. Dies ist mein erster Film, der im heutigen Chile spielt, in dem ich von einer Generation spreche, die nicht meine eigene ist. Es war ein sehr erhellender und faszinierender Prozess.
War die Arbeit mit Gael Gracía Bernal diesmal anders als bei den vorangegangenen Filmen?
Gael ist einer der stärksten spanisch-sprechenden Schauspieler, die es aktuell gibt. Er ist ein geerdeter Typ, brillant und ein großartiger Freund. Auf seine Art ist er ein Genie. Es ist immer wieder ein Vergnügen und eine Ehre mit ihm zu arbeiten.
Was würden Sie sich wünschen, was die Zuschauer von diesem Film mitnehmen?
Ich weiß nicht, was der Zuschauer aus dem Film mitnehmen wird, weil der Film kein in sich geschlossenes Stück ist. Der Film gibt Raum, einen Riss, durch den der Zuschauer eindringen und auch wieder austreten kann, so dass jeder den Film auf der Grundlage seiner eigenen Biographie lesen kann. Dadurch wird EMA für jeden Einzelnen zu einem anderen Film.
Foto:
© Verleih
Info:
Besetzung
Ema Mariana Di Girolamo
Gastón Gael García Bernal
Raquel Paola Giannini
Aníbal Santiago Cabrera
Polo Cristián Suárez
Stab
Regie Pablo Larraín
Drehbuch Guillermo Calderón, Pablo Larraín, Alejandro Moreno