Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wenn man die junge blonde Frau verzweifelt in der Behörde erlebt,wo sie nach ihrem Kind fragt, es fordert und ihm nachweint, weiß man erst einmal nicht so genau, um was es geht. Erst sehr viel später kann man den Anfang richtig interpretieren, daß es sich bei der jungen, sehr Blonden um Ema (Mariana Di Girolamo) handelt und daß das Kind, das sie wiederhaben will, nicht ihr eigenes ist, sondern ein angenommenes, das verantwortlich wurde für eine lebensgefährliche Verletzung von Emas Schwester, weshalb Ema das Kind zurückgab.
Durchschau man den Plot, ist es mit der spontanen Sympathie für eine solche Mutter, die ein Kind, das sicher schon traumatische Erfahrungen hinter sich hat und wie ein Gegenstand zurückgegeben wird, erst einmal vorbei. Ema ist Tänzerin in einer Compagnie, die von ihrem MannDoch Gastón (Gael García Bernal) künstlerisch betreut wird. Beider Kinderwunsch ging nicht auf, es werden auch keine mehr kommen, weshalb der kleine Polo (Cristián Suárez) adoptiert wird. Gastón geht es genauso wie uns und auch die Tänzerkollegen sind entsetzt, daß Ema den Knaben 'zurückgibt'. Doch der eigentliche Film entspinnt sich vor der Szene bei dem Jugendamt, wo Ema übrigens beharrlich versucht, Name und Adresse der neuen Pflegeeltern von Polo zu erfahren, was ihr nicht gelingt.
Doch ist dieses Geschehen nur wie eine Klammer im Film, in dem am Schluß Polo noch einmal auftaucht, weil sie mit ihm einen Tag verbringt: glücklich. Glücklich ist sie fast immer, weil sie das Leben liebt und das Leben sie, meint ihre Umwelt, die Ema in Bann schlägt. Es ist eben immer noch nicht für eine Frau selbstverständlich zu tun und zu lassen,was sie will. Aber es ist mehr. Es ist die überbürdene Lebensfreude, ein Verliebtsein ins Leben, Schwung, Begeisterung, Diesseitsfreude, die Ema für die Umwelt zu etwas Besonderem macht. Ihr Äußeres kommt dazu. Sie stylt sich. Weißblonde kurze Haare nach hinten gebürstet, irrisierend, irritierend für die anderen, die sich von ihr in Bann schlagen lassen und willig folgen. Denn sie hat nicht nur für sich selbst die Orientierung übernommen, sondern orientiert ihre Umwelt, könnte man freundlich sagen, was unfreundlich ausgedrückt eine Neigung zur Manipulation wäre. Es ist halt faszinierend, wenn man sich das Drumherum im Leben selber stricken kann, was ihr verziehen wird, weil sie bestrickend ist.
Sollte man im Nachhinein die Filmhandlung erzählen, stünde man etwas dümmlich da. Mindestens aus zwei Gründen. Man kann nicht. Das ist kein Film, der eine stringente Handlung abarbeitet, sondern ein Film, der Stimmung und Gefühl vermittelt. Und die Vielfältigkeit von einem einzigen Menschen zeigt. Denn wir und die anderen sehen in Ema all das, was sie sein könnte: die liebevolle Mutter, die strafende Mutter, die heißt Geliebte für Mann und Frau, ja das auch, die begabte Tänzerin, die vor allem nac der Reggaetonmusik tanzt, die Freundin, die Tante, das Kind, auch die liebevolle Ehefrau. Dazu kommt, worüber wir noch nicht sprachen, daß die Filmbilder diesem Flirren der Ema entsprechen. Sie sind farbenfroh und glutvoll, was paßt, denn immer wieder ist sie nachts unterwegs mit dem Flammenwerfer, also eine Doppelung, denn sie selbst brennt wie eine Flamme und entzündet andere. Man denkt, es sei für Mariana Di Girolamo die Rolle ihres Lebens.
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Info:
Besetzung
Ema Mariana Di Girolamo
Gastón Gael García Bernal
Raquel Paola Giannini
Aníbal Santiago Cabrera
Polo Cristián Suárez
Stab
Regie Pablo Larraín
Drehbuch Guillermo Calderón, Pablo Larraín, Alejandro Moreno