Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. Oktober 2020, Teil 3
Redaktion
Zürich (Weltexpresso) - Wie entwickelt sich die Figur Yakari im Lauf des Films?
Im Film, genau wie im ersten Comic, von dem wir uns für das Drehbuch haben inspirieren lassen, wird Yakari dank seines Mutes und seiner Selbstlosigkeit zum Helden. Es ist die Geschichte einer großen Freundschaft: Trotz der Ratschläge seiner Freunde, trotz der ungeheuren, wilden Natur, in der er sich durchschlagen muss, um zu überleben, schafft Yakari es, das Vertrauen von Kleiner Donner zu gewinnen.
Ich bin überzeugt, dass sich in gut erzählten Geschichten die Figuren nicht einfach durch ein Wunder in einen Helden verwandeln. Im Gegenteil: Wenn sie mit außergewöhnlichen Ereignissen konfrontiert werden, zeigen sie erst ihr wahres Ich. Sie waren dazu bestimmt. So ist es auch bei Yakari. Er wird nicht zum Draufgänger; er kämpft nicht, um die Tapferkeitsfeder zu bekommen. Nein: Er kämpft darum, der Freund von Kleiner Donner zu werden. Yakari entdeckt, dass die Begegnung mit dem Mustang ihm die Chance bietet, über sich.
Wie entwickelt sich das Verhältnis von Yakari und Kleiner Donner?
Es ist eine Freundschafts-, aber auch eine Liebesgeschichte. Zu Beginn deutet nichts darauf hin, dass so etwas wie Freundschaft zwischen ihnen möglich sein könnte (auch wenn Yakari noch so fest daran glaubt) – einfach, weil die beiden Persönlichkeiten so unterschiedlich sind. Yakari ist trotz seiner Begeisterungsfähigkeit und seines Großmuts noch ein unreifes Kind, und er stellt sich dumm an, als er Kleiner Donner zum ersten Mal nahekommt. Kleiner Donner ist seinerseits als Mustang ein Tier der Wildnis, dem nichts auf der Welt so viel bedeutet wie seine Freiheit. Eine Freiheit, die er nicht bereit ist einzutauschen, um mit den Menschen zu leben. Und doch lässt sich Kleiner Donner von dem jungen Sioux beeindrucken. Dieser gegenseitige Respekt macht sie zu den besten Freunden auf der ganzen Welt.
Welches waren Ihre Comic-Helden als Kind – und gehörte Yakari dazu?
Natürlich kannte ich Yakari: ein Klassiker, einer der ganz großen europäischen Comics. Mich hat immer die Reichhaltigkeit seines Universums angesprochen. Ich war beeindruckt von den einfachen und doch so grundlegenden Werten, die der Comic transportiert. Die Zeichnungen sind einfach wunderbar. Ich hatte kürzlich die Ehre, den Text des neuesten Yakari-Comics zu schreiben, und ich lernte dabei auch erneut das große Talent von Derib schätzen, der mit unglaublicher Energie auch nach 50 Jahren die Abenteuer des kleinen Sioux ins Bild setzt.
Sind ihre damaligen Comic-Helden auch diejenigen, die Sie in Ihrem Berufsleben inspiriert haben?
Schon, aber wenn man Drehbücher schreibt und Regie führt, lässt man sich zwangsläufig von ganz unterschiedlichen Dingen inspirieren. Von Comics, von der Literatur, der Musik und natürlich dem Kino – allen Arten von Kino. Comics sind eine ganz besondere Kunstform. Mit ihrer Erzählweise von Bild zu Bild haben sie eine enorme Kraft auf den Leser, seine eigene Phantasie spielen zu lassen.
Ich war immer großer Comic-Fan. Ich habe alle Sorten gelesen, alle Autoren der franko-belgischen Schule. Als Teenager war es wie ein Schock, die amerikanischen Comics zu entdecken. Später haben mich die französischen Autoren wie Moebius fasziniert, die in „Métal hurlant“ ihre visionären, grenzüberschreitenden Geschichten veröffentlicht haben. Der zweite Schock war die Ankunft der japanischen Mangas. Die japanischen Comics sind sehr kraftvoll, weil sie auf uralten Wurzeln, die teils tausend Jahre alt sind, beruhen.
Was macht für Sie den Unterschied zwischen Yakari und anderen Comic-Helden aus?
Dieses Werk ist inzwischen 50 Jahre alt. Dass es so lange Bestand hatte, liegt daran, dass ihre Schöpfer Derib und Job immer ein wunderbares Gleichgewicht gehalten haben: Sie haben ihre Hauptfigur mit außergewöhnlicher Willensstärke ausgestattet, aber Yakari ist eben auch großherzig und völlig selbstlos. Er würde niemals etwas tun, um dafür eine Belohnung zu erhalten. Was Yakari einzigartig macht, ist die traumhafte und spirituelle Dimension, die sehr stark spürbar ist und von Großer Adler verkörpert wird, der ihm die unglaublich wertvolle Gabe verleiht, mit den Tieren sprechen zu können. Mit dieser Kraft ist Yakari so sehr mit der Natur verbunden wie niemand sonst. Es ist ein Privileg, das aber auch mit Pflichten einhergeht: So wird er ganz natürlich zum größten Verteidiger der Tiere.
Hat Ihnen die Erfahrung als Regisseur der Fernsehserie bei der Arbeit am Kinofilm geholfen?
Ja – ich habe die Figuren und ihr Universum schon von Beginn an sehr genau gekannt. Weil ich dieses Epos so sehr liebe, wollte ich es auch bestmöglich ins Kino übertragen, mit dem größten Respekt vor der Vorlage. Ich hoffe, dass mir das gelungen ist.
Wie lief die Zusammenarbeit mit Toby Genkel? Wie haben Sie die Arbeit aufgeteilt?
Das hat sehr einfach und sehr effizient funktioniert. Toby hat uns von Anfang an bei der Story-Entwicklung unterstützt. Toby hat viele Ideen und einen wundervollen Sinn für Humor – er hat viele Sequenzen und Dialoge mit der nötigen Prise Humor versehen. Ein Film wie Yakari ist immer eine Gemeinschaftsproduktion, und wir sind stolz auf das Resultat.
Die Comicalben und die Serie erzählen vom Gleichgewicht zwischen den Menschen und der Natur, vom Respekt, den man den Tieren entgegenbringen muss – ist das eine Botschaft, die heute aktueller denn je ist?
Was das Werk von Derib und Job auszeichnet und was wir unbedingt im Film übernehmen wollten, war genau dieser Respekt. Zunächst geht es dabei um den Respekt zwischen den Menschen untereinander, und natürlich auch zwischen Kindern und Erwachsenen. Die Kinder leben in derselben Welt wie der Erwachsenen. Sie werden als eigenständige Menschen behandelt, sie werden nicht infantilisiert und nicht zum Spielen weggeschickt. Auch Yakaris Kampf um die Freundschaft zu Kleiner Donner ist nur mit gegenseitigem Respekt denkbar.
Die Welt von Yakari ist ein verlorenes Paradies; ein einzigartiger Moment in der Menschheitsgeschichte, in dem die Menschen in Harmonie mit der Natur lebten, in dem sie nicht mehr verbraucht haben, als für ihr Überleben notwendig war. All dies macht unsere Botschaft furchtbar aktuell. Vielleicht, weil wir uns mehr denn je die besorgte Frage stellen, welche Welt wir hinterlassen werden. Wir stellen fest, dass gerade die jungen Leute sehr sensibilisiert sind, was die Übel auf unserem Planeten betrifft – ich finde das sehr positiv. Wenn unser Film dazu beiträgt, eine Botschaft von gegenseitigem Respekt weiterzutragen, dann haben wir etwas Nützliches geleistet.
Foto:
Xavier Giacometti
©Dargaud Media
Info:
Yakari - Der Kinofilm (Frankreich, Deutschland, Belgien 2019)
Genre: Animation, Abenteuer, Kinder- und Familienfilm
Regie: Toby Genkel, Xavier Giacometti
Drehbuch: Xavier Giacometti in Zusammenarbeit mit Toby Genkel, basierend auf den YAKARI Comics von André Jobin (Text) und dem Claude de Ribaupierre (Zeichnungen), auch bekannt als Job und Derib
Deutsche Sprecher: Diana Amft, Hans Sigl, Patrick Bach, Mia Diekow, Marc Seidenberg u.a.
Verleih: LEONINE Distribution GmbH
Abdruck aus dem Presseheft