Serie: Rund um FEUCHTGEBIETE von Charlotte Roche, Teil 1/4
Hanswerner Kruse
Berlin (Weltexpresso) – Vor Kurzem wurden die „Feuchtgebiete“ beim Filmfestival in Locarno und zur Uraufführung in Berlin gezeigt. Der erwartete Skandal blieb aus, stattdessen schien es nach einigen Presseberichten so, als sei das subversive Buch zu einer sozialpädagogischen Schmonzette eingedampft worden.
Möglicherweise wurde die Hauptdarstellerin Carla Juri falsch verstanden, die in Gesprächen betonte, sie hätte die Rolle gar nicht spielen können, wenn sie nicht die Einsamkeit und Isolation des Scheidungskinds Helen gespürt hätte: „Für meine Interpretation der Rolle finden sich genügend Hinweise im Buch. Mit ihren Provokationen überspielt Helen ihre Hilflosigkeit und ihren Schmerz, den sie nie zugeben würde. Jedoch ist sie dabei nicht selbstmitleidig - das macht sie zur Heldin!“
Regisseur David Wnendt erhielt etliche Absagen von angefragten Schauspielerinnen für Helen, obwohl das Produktionsteam den Film nicht auf die ekligen Facetten reduzieren wollte. Aber er sagte auch, „Helens Familiengeschichte und Kindheit erklärt vieles, aber eben nicht alles.“ Die Verfilmung der „Feuchtgebiete“ hätte ihn aus drei Gründen interessiert: „Diese Frauengeschichte wird sehr humorvoll erzählt, die Filmarbeit war eine Herausforderung für mich, weil das Buch als ‚unverfilmbar’ galt und es hat mir Spaß gemacht, mit viel Musik zu arbeiten.“
Charlotte Roche hielt sich aus der Dreharbeit völlig heraus und sah den Film erst nach der Fertigstellung. Sowohl sie als auch Regisseur Wendt hatten davor mächtig Angst. Doch die Roche war begeistert: „Das ging ja so geil los - und dann die neuen Stellen mit den Eltern oder dem Avocadobäumchen, die der Vorlage hinzugefügt wurden.“ Sie bekennt, „wäre der Film schlecht geworden, würde ich die Werbung nicht mitmachen.“ Auch in diesem Gespräch ist „die Pipi Langstrumpf der Pornografie“ (Roche) so unbefangen, fröhlich und bissig, wie in ihren TV-Sendungen oder als ihr alter ego Helen. „Mein Geld habe ich in Immobilien angelegt“, erzählt sie, „und am Liebsten repariere ich selbst die Klos.“ Als ein Kollege dazu eine dumme Bemerkung macht, kontert sie: „Natürlich gehe ich im Blaumann dahin mit nichts drunter an.“
Trotz aller Komik betont sie den Anspruch ihres Buchs, den sie auch im Film realisiert sieht: „Ich finde es gut, dass der Film für 16-Jährige freigegeben ist. Die Jugendlichen erleben einen Gegenpol zum gesellschaftlichen Druck, den eigenen Körper ‚optimieren’ zu müssen und sich vor Allem zu ekeln. Die dürfen ja nicht nach Mensch riechen und kein einziges Haar am Körper haben.“
Die Autorin ist glücklich mit der Verfilmung: „Der Film ist streckenweise sehr ruhig und zart. Bei dieser Vorlage hätte man ja auch einen ekelhaften Skandalfilm machen können.“
Foto: Charlotte Rocher und Carla Juri
INFO:
Eine FILMAUSGABE des VOLKSBESTSSELLERS hat der Verlag DUMONT herausgebracht. Mit Fotografien von Peter Hartwig, die zwischen die Seiten 128 und 129 als Block eingefügt sind, allerdings reichlicher hätten ausfallen können. Lesenswert ist angefügt: ES IST EIN RICHTIGER TRIP, ein Gespräch zwischen Charlotte Roche, Produzent Peter Rommel und Regisseur David Wnendt, mit denen sich der Lektor des Verlages, Stephan Kleiner, am 19. Juni 2013 in Berlin unterhalten hatte.