ALTES LAND von Dörte Hansen in der ZDF-Verfilmung mit der Hauptrolle für Iris Berben auf DVD, seit dem 11. Dezember bei Pandasturm
Romana Reich
Berlin (Weltexpresso) - Wenn Romane besonders erfolgreich sind, liebt eine Verfilmung immer nahe. Da der Roman von Dörte Hansen wie aus dem Nichts, aber kontinuierlich im Jahr 2015 die Bestenlisten eroberte und lange lange ganz oben blieb, lag eine Verfilmung besonders nahe. Auf der anderen Seite hat das Fernsehen seit einigen Jahren Mehrteiler, die die deutsche Geschichte in erkennbarer Form und geschichtlicher Deutlichkeit auf den Bildschirm bringen.
Es lag also nahe, daß und es liegt ebenso nach, daß dies, gerade recht zur Weihnachtszeit zu einer DVD gegossen wurde. Ein sinnvolles Geschenk. Für die Jugend sowieso, damit sie sieht, wie es mal vor längerer Zeit war. Sicher am interessantesten und auch widersprüchlichsten für diejenigen, die die Nachkriegszeit, besser sogar die Flucht aus dem Osten noch mitbekommen haben, und nun auch an ihren eigenen Erinnerungen zu knabbern haben; wiederum andere möchten das nicht sehen, weil sie im Heute leben und sich an vergangene Schrecklichkeiten – Fluchten sind immer brutal und schrecklich – genauso wenig erinnern mögen, wie an das Ankommen in einem Land, das einem fremd war und wo man nun ein Zuhause brauchte.
"Altes Land" spielt in einem Bauernhaus in der Landschaft südlich von Hamburg, die so heißt. Das Haus ist eines von denen, die für die Städter als typisches schönes Landhaus, Fachwerkhaus herhält, das aber für die, die darin wohnen, eine unendliche Fülle von Flickwerk, also ständige Arbeit, Renovieren, Verputzen etc. bedeutet. Bewohnt wird es von tatkräftigen Bäuerinnen, die mit der Arbeit und dem Drumherum umgehen können. Als allerdings Hildegard von Kamcke (Birte Schnöink) , die ostpreußische Adelige, ankommt, hat sie kein Kirschenessen, obwohl sie gerade im Bild Kirschen ißt, zumindest welche pflücken muß. Diese Arbeit ist sie nicht gewohnt und als die Tochter Vera kein Kleinkind mehr ist, läßt sie das Mädchen zurück und geht.
Das alles ist im Film leichter zu verstehen, wenn man das Buch kennt, aber ich finde Filme auch spannender, wenn man sich die Geschichte selber zusammenreimen muß. Dazu ist hier einiger Anlaß. Denn es wird ja nicht chronologisch gespielt, sondern die jeweiligen Rollen, die Personen also, werden über die Zeit von unterschiedlichen Schauspielern dargestellt. Und zwar auch nicht chronologisch, weshalb man sich – erst recht, wenn man nicht fernsehen- und kinoerfahren ist – nicht an den Namen der Schauspieler entlang hangeln kann. Auch das finden wir eigentlich spannend, wie hier der Zuschauer selbst navigieren muß, die einzelnen Personen zuzuordnen.
Die Verfilmung beginnt mit der erwachsenen, ja alten Vera (Iris Berben), die durch eine sehr herbe, sehr alte, aber in ihrer Dickköpfigkeit und abweisenden Art, einsichtige Darstellung findet, die nach so einem Leben natürlich wirkt, denn das ist immer die Folge von schlechten Erfahrungen – oder aber und hier wird‘s wichtig – man läßt das nicht zu, daß sich das Negative in einem ausbreitet und damit nicht zuläßt, daß das Leben locker und leicht wird. Als einziges bleiben ihr die zwei Hunde. Zur Beerdigung von Veras Ziehvater Karl (Milan Peschel, der am Schluß mit einer dann doch übertriebenen Altersmaske irritiert, ist auch die um einiges jüngere Halbschwester Marlene (Nina Kunzendorf) gekommen. Wie immer gibt es zwischen den Schwestern, den Halbschwestern würde Vera betonen, Zoff. Als Unbeteiligter sieht man, daß daran beide ihren Anteil haben.
Vera mißgönnt ihr die Lebenschancen, Marlene tritt von einem Fettnäpfchen ins andere. Marlene ist die verhinderte Pianistin, die aber zwei begabte Kinder hat, den von ihr favorisierten, talentierten Sohn, der inzwischen in der Welt ein aufstrebender Stern am Pianistenhimmel ist, und die Tochter Anne (Svenja Liesau), die in Hamburg mit einem in Marlenes Augen talentlosen drittklassigen Schriftsteller liiert ist und den Sohn Leon hat. Beide müssen sehen, daß der Vater sich eine Neue angelacht hat, die betrogene Marlene haut mit Leon zur Tante ab. Doch da sehen wir die Kaltschnäuzigkeit der Tante Vera, die mir nichts, Dir nichts, die beide vor der Tür des Bauernhauses stehen läßt.
Jetzt erkennen wir, daß das alte Haus das Zentrum des Geschehens ist und eigentlich sollte die Verfilmung nicht ALTES LAND, sondern ALTES HAUS heißen. Denn wir sind von der gegenwärtigen Geschichte immer wieder in der Nachkriegszeit gelandet, wo man sieht, welche harten Bedingungen Vera in diesem Haus hatte. Warum dann die Nichte mit Enkel doch einziehen darf, wissen wir nicht, aber das Zusammenleben macht die grantige Tante weicher und für Leon ist ein solches Haus ein guter Spielplatz.
Wir haben inzwischen verstanden, daß das kein Film von Flucht ist, also keiner, wo wichtig ist, woher man kommt, sondern ein Film, wo unaufhörlich jemand ankommt und nun zurechtkommen muß. Wie jetzt die Nichte und immer wieder deren Mutter Marlene, ein echter Stachel im Fleisch der Vera. Aber die Zeit heilt auch hier Wunden.
Das ist nur die Grundgeschichte, von der nachzuholen ist, daß die junge Vera von Maria Ehrich putzmunter dargestellt wird und den Flüchtling, die fünfjährige Vera von Emilia Kowalski verkörpert wird. Karoline Eichhorn muß eine böse Mutter und Schwiegermutter darstellen, was ihr gelingt. Sie ist zusammen mit der Adligen Hildegard von Kamcke die erste Generation, die wir als Erwachsene mit Kindern sehen.Die Kinder, hier Vera, bildet die zweite Generation und Veras Nichte gleich die dritte. Die vierte ist mit Leon, dem Sohn, auch schon auf der Welt. Aber dieser bleibt klein.
Wer die ganzen Nachbarn sind, interessierte uns so wenig, wie sie Vera interessieren, die sie mehr als unhöflich vor der Türe stehen läßt, oder, wenn Ihr ein Kuchen gebracht wird, die Nachbarn stehen läßt und mit dem Auto abfährt. Ziemlich kalt im Alten Land.
Regisseurin Sherry Hormann , die auch das Drehbuch schrieb, betont: „Der Zweiteiler erzählt keinen Plot im üblichen Sinn. Es ist dieser unsichtbare Rucksack, den wir mit uns tragen, der über die Jahre voller und voller wird an Erlebtem, aus dem Erinnerungen werden. Die wir uns manchmal trauen auszugraben, uns manchmal davor fürchten, sie gar vergessen – und doch: Es braucht nur einen Anlass, bis die zur Seite geschobenen Bilder sich innerlich auftürmen und eine Welle an Veränderung losschlagen (können). Manche nennen das auch Leben.“
Also, ich bin damit zurecht gekommen, aber wer nicht aufpaßt und gut interpretiert, sieht alt aus. So alt wie Vera.
Foto:
Cover
Info:
Nach dem Bestseller von Dörte Hansen zeigte das ZDF am Sonntag, 15., sowie Montag, 16. November 2020, jeweils 20.15 Uhr, den Zweiteiler "Altes Land". In der ZDFmediathek waren beide Filme bereits ab Samstag, 14. November 2020, zu sehen, was sehr genutzt worden sein soll.
Die zum 11.Dezember herausgekommene DVD
Anzahl 2
FSK. Freigegeben ab 12 Jahren
Erscheinungsdatum. 11.12.2020
Regisseur. Sherry Hormann
Sprache Deutsch
EAN 4260428052968
Genre Unterhaltung/Deutscher Film/Romanverfilmung/Literaturverfilmung/Drama
Studio. Pandastorm Pictures (Edel)
Spieldauer. 180 Minuten
Bildformat. 16:9 Widescreen
Tonformat. Deutsch: DD 2.0