Serie: Feierliche Verleihung im Rahmen der Buchmesse am 11. Oktober in der Alten Oper Frankfurt, Teil 2
Rebecca Rein und Anna von Stillmark
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Schon beim Niederschreiben der vielen Preise verliert man leicht die Übersicht. So geht es erst recht denen, die im Publikum das erste Mal dabei sind. Aber, wer sich inzwischen auskennt, weiß einfach, daß nach den Kinopreisen die Fernsehpreise drankommen – und witzigerweise sind diese Preisträger vom Gesicht her über das Fernsehen oft sehr viel bekannter als die Filmstars, auch wenn diese öfter in der Zeitung stehen.
Zweite Abteilung: HESSISCHER FERNSEHPREIS
FERNSEHPREIS-JURY
Liane Jessen (Fernsehspielchefin, Hessischer Rundfunk)
Herbert Knaup (Schauspieler)
David Ungureit (Drehbuchautor)
Tanja Ziegler (Produzentin)
Christel Schmidt (Jury-Vorsitz, Co-Geschäftsführerin Hessische Filmförderung - Hessischer Rundfunk Filmförderung)
Hessischer Fernsehpreis: Beste SCHAUSPIELERIN
Preisträgerin: Lisa Wagner
Preisgeld: undotiert
Laudator: Florian Bartholomäi
Ausgezeichnet für ihre Rolle in KOMMISSARIN HELLER - TOD AM WEIHER
Regie: Christiane Balthasar, 89 Minuten, Deutschland 2012/2013
Jurybegründung:
Das Besondere an der von Lisa Wagner gespielten Kommissarin Heller sticht nicht sofort ins Auge. Da ist kein augenfälliges körperliches Gebrechen, keine Sucht und auch kein anderweitiges Handicap, das sonst so gerne zur Charakterisierung deutscher Kommissare verwendet wird. Umso höher muss man Lisa Wagners Leistung einschätzen, diese Winnie Heller vom ersten Moment an so unverwechselbar zu spielen, wie sie es tut.
Dies gelingt, weil die Ermittlerin zuallererst ein Mensch ist und auch so dargestellt wird. Nichts wirkt aufgesetzt oder behauptet, nichts plotgeschuldet oder konstruiert. Winnie Heller ist eine ziemlich normale Frau bei der Arbeit. Zu ihren markantesten Wesenszügen gehören Misstrauen, und Ungeduld sowie ein trockener, bisweilen etwas schroffer Humor. Nicht viel, scheint es. Aber Lisa Wagner erschafft daraus eine zutiefst menschliche Figur, die gefällt, ohne gefallen zu wollen, die mitreißt, ohne reißerisch zu sein und die uns nahe kommt, ohne sich jemals anzubiedern.
Stets macht sie die Verwundbarkeit und Unsicherheit hinter der äußeren Ruppigkeit sichtbar, durch ein kleines Zögern, ein Verschleppen der Sprache oder ein Zucken des Mundwinkels. In ihrem Gesicht spielt sich die Wahrheit ab, auch wenn die Gestik und die Dialoge etwas ganz anderes behaupten. Das ist spannend und faszinierend, denn Lisa Wagner macht uns zu Zeugen des inneren Kampfes ihrer Figur, die manchmal spielt, anders zu sein, als sie eigentlich ist. Lisa Wagners Kommissarin Heller ist der seltene Fall eines Filmcharakters, der einem immer dann, wenn man glaubt, ihn verstanden zu haben, eine neue, unerwartete Seite zeigt – ganz so, als wäre sie ein echter Mensch.
Hessischer Fernsehpreis: Bester SCHAUSPIELER
Preisträger: Thomas Thieme
Preisgeld: undotiert
Laudatorin: Anna Thalbach
Ausgezeichnet für seine Rolle in DAS LETZTE WORT
Regie: Didi Danquart, 88 Minuten, Deutschland 2012
TV-Erstausstrahlung: 23.08.2013, arte
Jurybegründung:
Die Figuren von Thomas Thieme haben alle etwas gemeinsam: Sie sind unumstößlich wie eine Naturgewalt. Stark und kraftvoll, so dass sogar ein geflüsterter Satz mehr Wucht hat, als das Gebrüll seines Gegenübers.
Thiemes stoischer Gesichtsausdruck – mit den nach oben verlaufenden Augenbrauen und den nach unten zeigenden Mundwinkeln – gibt oft wenig preis, von dem was in seinen Figuren vorgeht, wirkt gleichzeitig fragend und ratlos, aber auch wissend, als verberge er ein Geheimnis. Genau das macht sein Spiel so spannend: Wir können den Blick von diesem Gesicht nicht abwenden – in der Hoffnung, doch einen Einblick in das Innenleben und die Geheimnisse zu erhalten.
Auch als Bischof Lorenz in „Das letzte Wort“ lässt er sich so schnell das Heft nicht aus der Hand nehmen. Auch dann nicht, wenn der vermeintliche Mörder seines Bruders plötzlich vor ihm steht und ihn in seinem eigenen Haus als Geisel nimmt. Er verwickelt den jungen Eindringling in ein Gespräch – ruhig, unaufgeregt und kontrolliert. Doch dann offenbart der junge Mann ein dunkles Detail aus Lorenz‘ Vergangenheit und langsam zerfällt das selbstsichere Äußere. Er bleibt zurück als Häufchen Elend, in der Ecke kauernd, schwitzend und schnaufend. Thomas Thieme taucht tief in seine Figuren ein – und als Zuschauer halten wir den Atem an.
Hessischer Fernsehpreis: Sonderpreis der Jury
Preisträger: Rainer Ewerrien und Carsten Strauch
Preisgeld: undotiert
Laudatorin: Lisa Maria Potthoff
Ausgezeichnet für ihre Rollen in GÖTTER WIE WIR
Regie: Carsten Strauch, Co-Regie: Piotr J. Lewandowski, Sechs Episoden / jeweils
15 Minuten, Deutschland 2012
Jurybegründung:
Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein - vor allem, wenn man dabei zu zweit ist.
Inge und Renate, zwei Damen mittleren Alters, sind zusammen Gott. „Das klingt erstmal ein bissl komisch, es ist aber so“, wie uns Inge in ihrem Ost-Thüringischen Idiom erklärt. Diese Heilige Zweifaltigkeit hat das Bedürfnis, sich mal vorzustellen, „so von Schöpfer zu Geschöpf“, und dabei einige Missverständnisse aufzuklären, die im Verlauf der Weltgeschichte entstanden sind.
Wir erfahren zum Beispiel, dass die Schöpfung der ersten Menschen offenbar ein wenig anders war, als überliefert, denn Renate spricht logischerweise hessisch, und da klingt das Wort „Menschen“ eben genauso wie das Wort „Männchen“. So kam es, dass das Paradies zunächst von Adam und Klaus bewohnt wurde – ein Umstand, der im Hinblick auf das beabsichtigte Bevölkerungswachstum eher suboptimal war.
Rainer Ewerrien und Carsten Strauch spielen nicht nur Inge und Renate Gott, sondern auch noch über ein Dutzend weiterer Rollen in der von ihnen und Nina Werth erfundenen Serie. Sie brillieren als Noah, Moses, Judas oder Jesus und tun dies stets mit untrüglichem Gespür für Feinheiten. Ihr Humor setzt nicht auf die brachiale Pointe, sondern auf Charme, Ironie und Überraschung. Jede einzelne von Ewerrien und Strauch gespielte Figur wird sofort zu einem Charakter. Mit größter Liebe zum Detail erwecken diese beiden Meister des Komischen ihre Schöpfungen zum Leben und zeigen uns aufs Allersympathischste deren unbekannte Seiten. Dies tun sie mit einem traumwandlerischen Gespür für Timing, Tragik und theologische Tücken. Wenn ein Frankfurter und ein Offenbacher gemeinsam solch eine Schöpfung präsentieren, kann man dies ohne Wenn und Aber als Gottesbeweis anerkennen.