Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 24. Oktober 2013, Teil 1

Hanswerner Kruse

 

Berlin (Weltexpresso) – Caroline Link drehte ansehnliche Filme wie „Nirgendwo in Afrika“ oder „Jenseits der Stille“. Jetzt kommt ihr neues Werk „Exit Marrakech“ in die Kinos, kein umwerfender, aber ein schöner Film, über den zudem ein Gespräch mit dem Filmvater Ulrich Tukur möglich war.

 

EXIT MARRAKECH

 

„Du interessierst Dich für nichts, mach was aus Deiner Marokko-Reise“, fordert der Internatsdirektor vom Schüler Ben (Samuel Schneider), der zu seinem Vater nach Marrakesch fahren soll. Theaterregisseur Heinrich (Ulrich Tukur) inszeniert dort im Kulturaustausch Lessings „Emilia Galotti.“ „Warum müsst ihr die Marokkaner mit dieser Klassikscheiße belästigen?“, pöbelt Ben im Theater herum oder giftet seinen Vater im Luxushotel an, „Du könntest Dir mal das echte Marokko ansehen!“.

 

Ben dagegen „macht was“ aus seiner Reise, treibt sich im „echten Marokko“ herum - kifft mit einem Schwulenpärchen, verliebt sich spontan in die junge Prostituierte Karima (Hafsia Herzi), die ihn bald wieder verlässt: „Eine Rose gebrochen, ehe der Sturm sie entblättert", heißt es ja in „Emilia Galotti.“

 

Der fremde Vater und der Sohn, der sonst im Internat und bei seiner Mutter lebt, finden nicht zueinander. Ben wirft ihm vor, du hast dich nie für mich interessiert, und haut nach wenigen Tagen einfach ab. Natürlich nähern sich die beiden irgendwann einander an, aber bis dahin erlebt Ben einige dramatische Abenteuer…

 

Hanswerner Kruse im Gespräch mit Ulrich Tukur

 

„Daß Sie aussehen wie Hellmuth Karasek hat man Ihnen schon mal gesagt?“, fragt der Schauspieler zu Beginn des Gesprächs. Dann wird er sehr persönlich, aber den Vater-Sohn-Konflikt in „Exit Marrakech“ hat er sich nicht ausgesucht: „Es ist Caroline Links Thema“, meint er, „in ihren Filmen spielen Generationenkonflikte und familiäre Verwerfungen immer eine große Rolle. Ich wollte gerne einmal mit dieser großartigen Regisseurin zusammenarbeiten, die ihre Schauspieler sehr sicher inszeniert und gute Dialoge schreibt.

 

Als ich das Drehbuch bekam, dachte ich, ‚holla’, da gibt es ja viele Berührungspunkte mit meinem eigenen Leben. Ich habe selbst viel Theater gespielt und kenne den Typus des Regisseurs sehr gut, diese Egozentriker, diese Götter des künstlichen Raums. So einer ist ja Heinrich, der Vater im Film, der die Familie seiner Karriere opfert. Das habe ich auch getan und ebenso wie Heinrich die Rechnung dafür serviert bekommen. Den schmerzhaften Kampf um die Nähe, die man verloren hat oder nie hatte, den kann ich sehr gut nachvollziehen.“

 

Die ersten Annäherungen von Heinrich und Ben sind schwierig?

Die beiden versuchen einander näher zu kommen, aber das gelingt ihnen nicht, sie sind zu verkrampft, wollen zuviel und finden nicht die richtigen Worte. Ich kenne das von meinen Töchtern und auch von meinen Eltern. Generationen, die unmittelbar aufeinander folgen, haben es fast immer schwer miteinander.“

 

Vieles wird nicht erklärt, die Kamera begleitet die beiden einfach ein paar Tage. Haben Sie vorher über die Geschichte der Familie nachgedacht?

Nein, haben wir nicht, das ist eine gescheiterte Ehe, aus welchen Gründen auch immer. Ob die nun aufgrund ihrer Lebenskonzepte oder charakterlich nicht zusammen passen, das wissen wir nicht. Das muss man auch nicht. Heinrich hat sich bewusst für seine Karriere entschieden und interessiert sich anfangs kaum für seinen Sohn. Aber der Mann ist kein ‚kalter Fisch’; der liebevolle Vater in ihm erwacht in dem Moment, wo er seinen Sohn in echter Gefahr weiß. Und dann ist es eine vorsichtige, zögerliche und schmerzhafte Annäherung, die wir im Film zu sehen bekommen. Beide lernen sehr viel aneinander.

 

Er entdeckt auch, dass das Theater ohne ihn weiter geht…

…kaum zu glauben, aber auch er ist ersetzbar. Ganz sinnlich erfährt er, dass das Leben auch anders sein kann: Insofern haben wir einen optimistischen, hoffnungsvollen Film gemacht!

 

INFO:

„Exit Marrakech“ D 2013, 122 Minuten ab 6 Jahre, Buch und Regie Caroline Link, mit Ulrich Tukur, Samuel Schneider, Hafsia Herzi u. a.