Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 7.November 2013, Teil 1
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Woody Allen ist ein fleißiger Mann und außerdem in vielen Künsten zu Hause. Da gibt es die Liebhaber, die alles von ihm gut finden, aber doch auch in der Regel viele Mäkeleien, an diesem und jenem. Nur diesen Film finden alle gut. Wir auch.
BLUE JASMINE
Das Unglaubliche passierte bei der Filmvorführung. Da saßen zwei Kollegen, der eine ein strenger Kritiker, der andere ein menschlich spontan Urteilender und beide weinten am Schluß. Na ja, nur der eine hat es zugegeben, der andere sprach davon, daß ihm etwas in die Augen flog. Wird wohl die Jasmine gewesen sein, diese Frau, die es zur Park-Avenue-Gattin geschafft hatte und dann selbst, als sie vom strahlenden Finanzmogul und Ehemann 'entsorgt' werden soll, ihm und auch sich den Boden unter den Füßen wegzieht.
Der Film handelt davon, wie eine Frau, die uns eigentlich nicht interessiert, in ihrer gesellschaftlichen und persönlichen Abwärtsspirale durch Ignorieren und Willenskraft gleichzeitig diese lange aushebeln kann, bis auch die letzten Reserven und Chancen schwinden und die Endstation der auf der Bank vor sich hinbrabbelnden Jasmine sich andeutet, wir aber längst durch diesen Fuchs Woody Allen auf ihrer Seite sind – und auch durch die Schauspielkunst der Cate Blanchett hier einfach Mitgefühl mit einem Menschen empfinden.
Daß sie sich das selbst miteingebrockt hat, ist ein logisches, kein psychologisches Argument. Wir erleben diese Jasmine - die eigentlich Jeanette heißt, klingt doch auch nicht schlecht? - , wie sie bei ihrer derb-lebenslustigen Schwester mit proletarischen Zügen Unterschlupf sucht und findet und würde Woody Allen nicht die Geschichte der einen Schwester so stringent durcherzählen, würden wir uns mit Sally Hawkins viel mehr beschäftigen, denn die bleibt als Schwester lieb, obwohl der Schwager auch sie und ihren Ehemann um den Lotto-Gewinn von 200 000 Dollar brachte. Geld weg, der Ehemann auch, aber die Schwesternliebe bleibt.
Wirklich zu komisch, wenn zu Beginn die aufgedonnerte – ach nein, aufgedonnert ist Cate Blanchett nie, denn zum Lebensstil der Superreichen gehört es, ästhetisch perfekt eher mit Unterstatement durchs Leben zu stöckeln, dafür aber die Taschen und Schuhe, Uhren und Schmuck auf Anhieb als Luxusmarken taxiert zu sehen – wenn also die schöne und zeitlos elegant gekleidete Jasmine mit den vielen Luxuskoffern aus New York in die mit Kitsch und Gemütlichkeit vollgestopfte kleine Wohnung der Schwester nach San Francisco kommt. Was wir über die Personen und deren bisheriges Leben wissen, entwickelt Woody Allen über Rückblenden. Dabei muß man durchaus gut aufpassen, an welchem Lebensabschnitt wir uns befinden, aber irgendwie navigiert uns der Regisseur wie von alleine durch das Leben der Jasmine, die den Kleinbürgersatz verwirklicht: Nie zu hoch hinaus, es geht übel aus.
Einfach toll die Szenen vom Luxusleben der Lady, die den ganzen Tag nur damit zu tun hat, die Luxustermine für ihren Ehemann (Alec Baldwin) zu arrangieren und bei diesen perfekt auszusehen. Ein Leben wie aus dem Katalog. Warum er endet, wollen wir nur halb verraten. Der Ehemann hat eine Neue und will Jasmine standesgemäß ver- und entsorgen. Was sie dann tut, erfahren wir erst ganz am Schluß und es gibt wirklich welche, die das nicht mitbekommen, dabei ist das, was Jasmine sagt, wenn sie zum Telefon greift das Ende für ihren Goldjungen, aber auch für ihr Luxusleben. Er wird eingesperrt, sie wird mittellos. Sie bemüht sich halbherzig, eine Stelle zu finden, sie hat ja nichts anderes gelernt, als zu repräsentieren, und geht allen, mit denen sie bei ihrer Schwester zu tun hat, auf die Nerven. Bis die nächste Chance ihres Lebens da ist: ein kommender Diplomat (auch richtig gut: Peter Sarsgaard), unverheiratet, der sich in sie verliebt und sie mit nach Wien nehmen und ihr die Stadt zu Füßen legen will.
Sie aber spielt die perfekte zukünftige Diplomatengattin zu gut, verschweigt ihm ihr Leben, auch einen Sohn, und aus ist es mit der strahlenden Zukunft für Jasmine, die sie aus ihrem Elend herausholen sollte, hat sie doch immer nur gelernt, daß dafür ein Mann, ein reicher Mann nötig ist. Der Film erzählt daneben so viele andere Geschichten, ist bevölkert mit skurrilen Personen, die in uns weiterleben, aber wir folgen hier – auch wenn das ungerecht ist – der Strategie des Regisseurs und belassen es beim Ende der Jasmine, wenn sie verloren auf der Bank sitzt und mit sich selbst spricht. Da hat sie sich auch viel zu erzählen und sowieso ist längst der Alkohol ihr einziger Begleiter.