02 herr bachmann RWD 775 KopieDie Publikums-Berlinale als Open-Air-Kino , Teil 4  (Schluss)

Hanswerner Kruse

Berlin (Weltexpresso) - Das Summer Special, der mächtig ausgedünnte zweite Teil der Berlinale für das allgemeine Publikum, wurde am Sonntagabend mit dem Publikumspreis für den Dokumentarfilm "Herr Bachmann und seine Klasse" beendet.

Zehn Tage im Grünen und an der frischen Luft in den Open-Air-Kinos, das hat manche Filmfans begeistert, auf Liegestühlen, Bänken und Klappstühlen kam Biergartenstimmung auf. Alle Streifen des Wettbewerbs starteten auf der Museumsinsel, hier wurden nun endlich die Gold- und Silberbären vergeben, deren Gewinner bereits im Frühjahr feststanden.

In den weiteren, mit der Berlinale kooperierenden Freiluftkinos gab es zahlreiche Premieren in diversen Sektionen: wie Panorama, Generation oder Kurzfilme. Hier sollten ebenfalls schmale rote Teppiche für Promis und mickrige Press Lines Festivalgefühle suggerieren. Doch dieser improvisierte Notbehelf mit 120 Filmen, den einige Medien schnell zum „leichten Sommermärchen“ hochstilisierten, hatte seine Tücken: Die meisten Aufführungen begannen im Dämmerlicht des Abends und waren zunächst nur sehr schlecht zu sehen. Es gab bei weitem nicht so viele Gäste wie sonst, weil tagsüber keine Filme laufen konnten. Durch Regen und Sturm mussten zudem einige Vorstellungen ausfallen.

Aber das Summer Special bediente das private Publikum und bewies: das Kino lebt! Allerdings wurde diese Berlinale nach ihrem Start in der Öffentlichkeit kaum noch wahrgenommen: keine Übernachtenden vor den Ticketschaltern, keine langen Schlangen vor den Spielstätten, keine Bären-Plakate in der Stadt und nur wenig berühmte Prominenz. Nicht einmal die Berliner Zeitungen berichteten nach dem Start des Festivals noch viel darüber.

Die jetzt von einigen Medien - etwa ZDF oder Dlf - geforderte, dauerhafte Teilung und Verlegung der Berlinale in den Sommer ist abwegig. Zum einen aufgrund der oben geschilderten Unbilden, zum anderen wurden die Festspiele einst bewusst im Februar terminiert, um Überschneidungen mit ähnlichen Ereignissen zu vermeiden. Im übrigen lässt sich das größte Publikumsfestival der Welt, im Jahr 2020 mit gut 400 Filmen und über 330.000 Besuchern, nicht wirklich auf offenen Waldbühnen organisieren und auf keinen Fall vom Branchentreff loslösen. Es war gerade das Verdienst des langjährigen Berlinale-Leiters Dieter Kosslick (2001 bis 2019), künstlerisches Arthousekino, kommerzielle Filmverwertung sowie den Austausch zwischen jungen und arrivierten Professionellen zu verknüpfen. Und einem breiten Publikum die Teilhabe zu ermöglichen.

Ach ja, und der Februar ist so eine kalte, brutale Jahreszeit, da ist es doch wunderbar im warmen Kino träumen zu können! Freuen wir uns also auf die echte Berlinale im nächsten Jahr.

Nicht vergessen:
Aufgrund der Pandemie fand die 71. Berlinale in zwei Teilen statt: mit dem meist digitalen Branchentreff Europäischer Filmmarkt als „Industry Event“ im Februar und als „Summer Special“ vom 9. bis 20. Juni für die Öffentlichkeit in den Open-Air-Kinos.

Der Publikumspreis wurde nur in diesem Jahr einmalig vergeben, um den Besuchern und Besucherinnen noch mehr Beteiligung zu ermöglichen. Erwartungsgemäß belegten zwei deutsche Filme, die bereits Bären gewannen, die ersten beiden Plätze. Der Dokumentarfilm „Herr Bachmann und seine Klasse“ sowie die Roboterromanze „Ich bin dein Mensch“, der nächste Woche in den Kinos anläuft (Besprechung folgt).

Foto:
Herr Bachmann spielt dem Premierenpublikum was vor...
(c) Alexander Janetzko / Berlinale 2021




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