Hanswerner Kruse
Frankfurt/Berlin (weltexpresso) - Tom liebt die kritische Wissenschaftlerin Alma und liest ihr alle Wünsche von den Augen ab. Aber sarkastisch weist sie seine Avancen zurück, denn der charmante Beau ist lediglich ein für sie geschaffener Android, ein humanoider Roboter.
„Du wärst glücklicher, wenn Du Dich mehr öffnen würdest“, behauptet der künstliche Tom mit den schönen blauen Augen (Dan Stevens), doch sie kontert: „Ich schreibe nur ein Gutachten, ob ihr Dinger heiraten dürft.“ Von ihrem Chef hat sich Alma (Maren Eggert) breitschlagen lassen, drei Wochen mit diesem künstlichen Menschen zu verbringen. Der sieht wahrlich anders aus, als das einst von Doktor Frankenstein geschaffene Monster, mit dem er die Welt beglücken wollte. „Mein Algorithmus soll Dich glücklich machen“, behauptet Tom, seiner Bestimmung folgend. Jedoch die unaufhörliche Perfektion dieses Wesens - das selbstlos alles für sie tut, höflich alles richtig macht - gebiert für sie keinen Traummann sondern einen Alptraum.
„Kannst Du nicht mal was Verrücktes machen?“, herrscht sie ihn an, als er versucht sie logisch und liebevoll zu verführen, so wie er es gelernt hat: Mit Sekt und roten Rosen möchte er sie in der Badewanne verwöhnen. „93 Prozent der deutschen Frauen lieben das“, weiß der digitale Schlaumeier. Sogar beim einmal passierenden Sex deklamiert er höflich: „Du darfst dabei gerne an einen Menschen denken“. „Und Du an eine Roboterin“, giftet Alma zurück. Die erotische Begegnung mit ihm gefällt ihr allerdings gut, aber hinterher fühlt sie sich wie eine Schauspielerin: „Ich spiele Theater ohne Publikum, nur für mich.“
Im Film geschehen noch einige unerwartete Wendungen, die Konflikte zwischen den beiden sind komplexer als hier angedeutet. Auch Almas Biografie, die ihr Handeln beeinflusst, spielt eine Rolle. „Ich bin dein Mensch“ ist kein romantisches Robotermärchen, kein Science-Fiction-Film. Sondern eher eine melancholische Komödie über zwei einander fremde Wesen, die miteinander ringen und sich dadurch annähern. Ganz offensichtlich brauchen sie nicht (nur) unaufhörliche Einfühlung und großes Verständnis, sondern ebenfalls Reibung und Widersprüche. Das scheint irgendwann sogar der Android zu kapieren.
Und wir wissen oder erinnern uns, dass unerfüllte Sehnsüchte oder verrückte Akte gegen jede Vernunft, zum Menschsein dazugehören: Was macht uns Menschen zu Menschen? Diese Frage wirft der Film mit großer Leichtigkeit auf, ohne populistische Anbiederung oder schnöde philosophische Ergüsse.
Die behutsame Komik und das offene Ende machen den Film des diesjährigen Berlinale-Wettbewerbs zu einem Juwel. Die Schauspielerin Maren Eggert bekam für die Wandlungsfähigkeit in ihrer Darstellung der Alma den Silbernen Bären (Beste darstellerische Leistung). Auch das Publikum wählte den Streifen zu seinem Lieblings-Spielfilm im Wettbewerb.
Regisseurin Maria Schrader („Liebesleben“) hat ein romantisches Märchen entworfen, ihr künstlicher Mensch gerät nicht außer Kontrolle, wie in vielen dramatischen Erzählungen. Tom unterscheidet sich nicht mehr von uns und ist keine Bedrohung. Im Gegenteil, als Mensch 2.0 sei er zivilisierter als wir, mit einem rundum guten Charakter, meinte die Filmemacherin in einem Tagesspiegel-Interview. Und sie verwies auf die gesellschaftliche Prägung von Gefühlen: „Alma nimmt Tom nicht ernst, weil er keine echten Gefühle hat, aber was sind denn echte Gefühle? Wir sagen ja oft: Ich kann nicht anders, das ist meine Natur. Eifersucht, Wut, Angst, sind wir uns selbst wirklich ausgeliefert? Oder ist es nicht auch soziale Verabredung, eine Art Programmierung?“
Info:
„Ich bin dein Mensch“, D 2021, 102 Minuten, Filmstart 1. Juli 2021
Regie Maria Schrader mit Maren Eggert, Dan Stevens, Sandra Hüller u.a.
Foto:
Fasziniert beobachtet Alma (Maren Eggerti) den für sie persönlich programmierten Androiden Tom (Dan Stevens) beim ersten Treffen in einem Tanzclub. (©Christine Fenzl/Majestic)