der spionSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 1. Juli 2021 Teil 6

Redaktion

London (Weltexpresso) - Am 16. Oktober 1962 wurden dem US-amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy Fotos vorgelegt, die von U2-Flugzeugen über Kuba gemacht worden waren und belegten, dass sowjetische Soldaten auf der Insel mit nuklearen Sprengköpfen bestückte Raketen installierten. Die Vereinigten Staaten hatten zuvor Hinweise erhalten, dass die Sowjetunion wohl nukleare Waffen auf die karibische Insel verlegt hatten. Die Kubakrise rückte die Welt an den Rand eines Atomkriegs.

Im Nachgang der US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen im November 2016 begann sich Drehbuchautor Tom O’Connor intensiv mit der Geschichte russisch-amerikanischer Spionage zu befassen. „Ich habe angefangen, Geschichtsbücher zu lesen“, berichtet O’Connor. „Oleg Penkowski, der in unserem Film von Merab Ninidze gespielt wird, ist eine der legendären Quellen, die für die Amerikaner in der Sowjetunion spionierte. In einem der Bücher fand ich eine Zeile, in der es hieß, dass Oleg Penkowskis Kontakt in Großbritannien ein Zivilist namens Greville Wynne war. Das war der Punkt, als bei mir als Drehbuchautor alle Alarmglocken zu schlagen begannen.“

O’Connor brachte so viel über Wynne und Penkowski in Erfahrung, wie er konnte. Ihre Beziehung wird in mehreren Büchern erwähnt, aber nur sehr fragmentarisch behandelt. „Da steckte in jedem Fall genug drin, um die Grundzüge zu verstehen“, meint der Drehbuchautor. „Viele der Ereignisse standen – und stehen immer noch – unter Geheimhaltung. Manchmal war es eine Herausforderung herauszufinden, was wirklich passiert ist, weil es gezielt gestreute Fehlinformationen von beiden Seiten gibt. Es gibt Leute, denen es ein Dorn im Auge wäre, wenn alles öffentlich zugänglich gemacht wird.“

Außerdem hatte Wynne im Jahr 1967 eine Autobiographie geschrieben, „The Man from Moscow: The Story of Wynne and Penkovsky“. O’Connor war freilich bewusst, dass die Zuverlässigkeit der Informationen in dem Buch schon damals in Zweifel gezogen worden war: „Ich habe ein paar Berichte gelesen, in denen Punkt für Punkt widerlegt wurde, was Wynne in seinem Buch geschrieben hatte. Vieles wurde schlicht und einfach als nicht möglich angesehen.“

Mit Hilfe verschiedenster Quellen setzte O’Connor eine Geschichte zusammen und verfasste daraufhin aus eigenem Antrieb ein Drehbuch, das er an Produktionsfirmen schickte. Unter anderem landete es auf dem Schreibtisch von Ben Pugh von der Management- und Produktionsfirma 42. Der wusste sofort, dass es genau der richtige Stoff für 42 war.

„Einen Film wie diesen wollte ich schon seit langer Zeit machen“, erklärt Pugh. „Ich liebe diesen Zeitabschnitt. Ich mochte sofort die Idee, einen Otto Normalverbraucher in den Mittelpunkt einer solchen Geschichte zu stellen und mit einer Welt zu konfrontieren, in der alle diese aufregenden Dinge geschehen, und das vor dem Hintergrund einschneidender weltpolitischer Ereignisse. Und doch geht es immer um ihn und seine Familie. Und seine Entschlossenheit, das Seine dazu beizutragen, die Welt zu retten.“

Pugh präsentierte O’Connor seine Firma als perfektes Zuhause für sein Drehbuch. Als 42 den Zuschlag als Produzenten bekommen hatten, schickte Pugh das Drehbuch an Regisseur Dominic Cooke, der von 2006 bis 2009 Künstlerischer Leiter und Vorsitzender des Royal Court Theatre gewesen war und gerade erst AM STRAND („On Chesil Beach“, 2017) gedreht hatte, eine Adaption von Ian McEwans gleichnamigem Roman mit Saoirse Ronan und Billy Howle, der Weltpremiere beim Toronto International Film Festival gefeiert hatte.

„Das Drehbuch sprang mich förmlich an“, erinnert sich Cooke. „Es war so wunderbar geschrieben und packend, eine brillante Geschichte, deren Existenz mir überhaupt nicht bewusst gewesen war.“

Während der Lektüre des Drehbuchs konnte sich Cooke gleich wunderbar vorstellen, dass Benedict Cumberbatch die Rolle des Greville Wynne spielen könnte. Sie hatten bereits mehrfach zusammengearbeitet, im Theater und für die BBC-Produktion „The Hollow Crown“, basierend auf Shakespeares Geschichtsstücken, in der Cumberbatch die Rolle von Richard III. gespielt hatte. O’Connor und Pugh hatten gehofft, dass Cooke den gefragten Schauspieler für die Rolle haben wollen würde.

„Cooke traf sich mit mir, um über die Rolle und das Projekt zu reden. Es bestand für mich überhaupt kein Zweifel, dass ich wieder mit ihm arbeiten wollte“, erzählt Benedict Cumberbatch, den die Figur des Greville Wynne faszinierte. „Ich fand den Bogen spannend, den die Figur durchmacht. Je weiter unsere Diskussionen fortschritten, desto mehr drängte ich darauf, den Prozess zu unterstützen, indem ich mit meiner Produktionsfirma SunnyMarch und meinem Kollegen Adam Ackland als weiterer Produzent an Bord kam.“

Ackland fand es aufregend, an einer Spionagegeschichte zu arbeiten. „Wir wollten gar nicht mal so sehr einen Agententhriller machen“, meint der Produzent. „Uns überzeugte einfach, in diesem Genre eine starke Geschichte mit guten Figuren, einer Aussage und Menschlichkeit gefunden zu haben.“

Mit dem Regisseur und dem Hauptdarsteller unter Dach und Fach griff Pugh im nächsten Schritt die eigentliche Produktion an. „Mit der Hilfe von UTA schickten wir das Drehbuch an FilmNation. Sie sind die führenden Produzenten für derartige Filme in der entsprechenden Größenordnung. Und sie kamen tatsächlich als Finanziers und Produzenten dazu. Wir hatten ein wirklich umwerfendes Team mit drei Firmen – 42, SunnyMarch und FilmNation.“

Ben Browning, President of Production and Acquisitions bei FilmNation, sagt: “Wir machen viele Filme in dieser Art und arbeiten damit gezielt immer nur mit den besten Leuten zusammen, um weltweit ein möglichst großes Publikum erreichen zu können. Wir hatten mit Autor Tom O’Connor an einem Film gearbeitet, der dann schließlich nicht zustande kam; mit Benedict hatten wir bei THE IMITATION GAME – EIN STRENG GEHEIMES LEBEN („The Imitation Game“, 2014) gearbeitet; Dominics Arbeit kannte ich aus dem Theater – und sein erster Film hatte mir auch gut gefallen.“

FilmNation nahm das Paket 2018 mit auf den Filmmarkt von Cannes, wo man sofort auf helle Begeisterung stieß. „Die Reaktion war sehr ermutigend, weil es sich um einen Spionagefilm handelt, von dem wir den Eindruck hatten, dass er etwas Neues und absolut Zeitgemäßes zu erzählen hätte“, findet Browning. „Es gibt eine lange Geschichte erfolgreicher Kalter-Krieg-Thriller. Der Unterschied bei uns ist, dass es nicht um undurchschaubare Menschen mit undurchschaubaren Motiven geht. Unser Stoff hat ein sehr emotionales Herz; essenziell geht es um zwei Männer, die etwas absolut Außergewöhnliches geleistet haben.“