nebenanSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 15. Juli 2021, Teil 3

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Während Daniel Brühl seiner Wohnung in Barcelona die Treue hielt, zog er in Berlin mehrmals um: „Im Stadtteil Prenzlauer Berg fand ich mich in einer Hinterhofsituation wieder und dachte mir, dass das eine noch viel bessere Grundidee für einen Film ist. Im Haus gab es Menschen, die schon immer in diesem Viertel gelebt hatten, und Zugezogene wie mich, denen man vorwerfen könnte, dass sie den Prozess der Gentrifizierung verkörpern.“  

Gentrifizierung geht auf das englische Wort „gentry“ für „niederer Adel“ zurück. Es bezeichnet den sozioökonomischen Strukturwandel großstädtischer Viertel: Wenn Wohnungen renoviert werden und die Mieten steigen, rücken oft zahlungskräftige Eigentümer an die Stelle der bisherigen Mieter, die wiederum in günstigere Stadtteile oder Randbezirke ziehen müssen. Damit einher geht auch ein Wandel in der Geschäftswelt und Gastronomie, die sich auf die Bedürfnisse der besserverdienenden neuen Kunden einstellen. „In Städten wie Paris oder London ist der Prozess schon viel weiter fortgeschritten als in Berlin, da gibt es ganz uniforme Viertel, in denen nur noch Menschen leben, die es sich leisten können. In meinem Berliner Stadtteil gibt es noch die Alteingesessenen, die dort schon in DDRZeiten gelebt haben, aber auch viele Zugezogene wie mich.“ In dieser Bestandsaufnahme des gegenwärtigen Berlins erkannte Daniel Brühl einen enormen Mehrwert für seine Filmidee: „Plötzlich habe ich keine Sekunde mehr daran gedacht, die Geschichte in Barcelona spielen zu lassen, sondern fand das Konzept tausendmal stimmiger in Berlin.“

Willi Geike gefiel die kammerspielartige Konfrontation zweier Menschen an einem Ort. Mit der Gewissheit, bei seinem Regiedebüt auch gleichzeitig Produzent und Hauptdarsteller zu sein, wollte Daniel Brühl nicht auch noch das Drehbuch im Alleingang schreiben: „Ich glaube schon, dass ich in der Lage bin, recht gute Ideen zu entwickeln, aber diese dann als Drehbuch aufzuschreiben, ist eine andere Liga. Deshalb habe ich all meinen Mut zusammengenommen und Daniel Kehlmann gefragt, ob wir uns unverbindlich auf einen Kaffee treffen können.“

Der Schriftsteller, der zuvor ausschließlich Drehbücher auf Grundlage seiner eigenen Werke oder fremder Romane verfasst hatte, erinnert sich: „Daniel Brühl sagte in seiner zurückhaltenden, netten Art, dass er mir eine Idee für sein Regiedebüt vorstellen möchte. Was er mir dann erzählte, fand ich von der ersten Sekunde an fantastisch. Ich mag Geschichten über die Absurditäten des Ruhms, ich mag richtig böse Psychothriller und Duelle zwischen zwei starken Figuren. Insofern war dieser Stoff wie für mich geschaffen.“

Die Figur des mysteriösen Gegenspielers und Ostberliners Bruno entstand im Zuge eines längeren Schreibprozesses, für den Daniel Kehlmann und Daniel Brühl im ständigen Austausch standen. Dagegen war sehr früh klar, dass der Protagonist namens Daniel viele Parallelen zu Daniel Brühl aufweisen sollte: ein berühmter und vielsprachiger Schauspieler, der kurz nach der Jahrtausendwende von Köln nach Berlin gezogen ist und der neben 9 über die produktion | nebenan seiner nationalen Karriere auch den Sprung nach Hollywood geschafft hat. „Ich ahnte, dass der Film nur gut werden kann, wenn ich von einer Welt erzähle, in der ich mich auskenne und in der ich selbst schon viele Erfahrungen gesammelt habe“, sagt Daniel Brühl, der den Daniel im Film allerdings nicht als exakte Kopie seiner selbst verstanden wissen möchte: „Wenn ich von Menschen aus meinem Umfeld hören werde, dass dieser Typ genauso ist wie ich, werde ich das ganz sicher nicht als Kompliment auffassen. Diese Gockelhaftigkeit, die wir am Anfang genüsslich überhöhen, liegt hoffentlich nicht in meiner wahren Natur.“

Daniel Kehlmann ergänzt: „Im Laufe des Films bröckelt die Fassade dieses Schauspielers. Ein Teil seines Lebens ist auf einer Illusion und einer Lüge aufgebaut. Wir wollten auf keinen Fall eine Situation schaffen, in der das Publikum den armen Schauspieler dafür bemitleiden soll, dass er mit seinem Ruhm und Erfolg in einer schwierigen Situation ist. Das wäre lächerlich. Vielmehr haben wir diese exponierte Stellung, in der ein bekannter Schauspieler wie Daniel Brühl sich befindet, als willkommene Zielschiebe für einen recht bösen Humor verwendet.“ Daniel Brühl spricht von einer schwarzen Komödie: „Mir war immer wichtig, nie den komödiantischen Ton zu verlieren, auch wenn der Film ernste politische, soziale und moralische Themen aufgreift.“

Die gemeinsamen Schreibsitzungen fanden im Sommer 2018 in Daniel Kehlmanns Wohnung und in seinem Büro am Spreeufer statt – umgeben von hohen Bücherwänden und mit sehr viel Kaffee auf dem Tisch. „Wir haben Sparring betrieben“, sagt Daniel Brühl. „Ich habe einfach rausgeblubbert, was mir gerade einfiel, und Daniels Kopf hat das blitzschnell gefiltert, verarbeitet und für die entsprechende Szene umgesetzt.“ Auch Daniel Kehlmann erinnert sich gern an die gemeinsame Arbeit: „Es war ein ständiges Gespräch zwischen uns, ein ständiges Miteinander. Manchmal habe ich ihn gefragt, was Bruno oder Daniel im Film wohl als Nächstes tun würden. Dabei zeigte sich Daniels großes Improvisationstalent. Ich habe einfach mitgeschrieben, was ihm einfiel, und das dann an der passenden Stelle im Drehbuch aufgegriffen. Um ehrlich zu sein, habe ich Daniels Hilfe richtig vermisst, als ich hinterher wieder allein im Büro saß und Drehbücher für andere Projekte schrieb.“

Produzent Malte Grunert bewundert das enorme Tempo, mit dem Daniel Kehlmann gearbeitet hat: „Die erste Fassung des Drehbuchs war schon nach wenigen Wochen fertig und unwahrscheinlich gut.“ Daniel Brühl ergänzt: „Dank dieser wunderbaren Schreibkunst konnten wir Warner und unsere Koproduzenten schnell überzeugen, bei unserem Projekt mitzumachen.“

Foto:
© Verleih

Info:
Darsteller

Daniel Brühl, Daniel
Peter Kurth, Bruno
Rike Eckermann, Wirtin
Aenne Schwarz, Clara
Gode Benedix, Micha.

Regie, Koproduktion, Idee:  Daniel Brühl
Drehbuch: Daniel Kehlmann

Abdruck aus dem Presseheft