green3Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. Juli 2021, Teil 6

Redaktion

London (Weltexpresso) - Das im Original 2.500 Wörter umfassende, in Stabreimen gehaltene Poem wurde im 14. Jahrhundert auf den Britischen Inseln von einem unbekannten Autor verfasst und schlägt seitdem seine Leser nachhaltig in Bann. Die surreale Mär dreht sich um Ritterlichkeit, Zauberei, Versuchung, Transformation und Selbstfindung. Aus vielerlei Perspektiven kann „Sir Gawain and the Green Knight“ betrachtet und interpretiert werden. Wunderbar vielschichtig ist die Handlung, dabei gleichermaßen symbolreich, allegorisch und mysteriös – ohne irgendwie den Lesegenuss zu trüben.

Die Geschichte von Sir Gawain, weniger populär als die Erzählungen um Lancelot, Guinevere, Magier Merlin und die Suche nach dem Heiligen Gral, wurde 1925 von J.R.R. Tolkien neu herausgegeben, später dann vom „Herr der Ringe“-Schöpfer für eine breite Leserschaft neu übersetzt. „Im Kern ist „Sir Gawain and the Green Knight“ ein faszinierendes und unerklärliches Mysterium“, weiß Mittelalterforscher Jim Knapp, der an der University of Pittsburgh lehrte. „Die Geschichte offenbart uns zig Details über das Mittelalter, Pferde und Rüstungen spielen eine Rolle, aber nie wird wirklich von der Realität berichtet.“

„Im Prinzip geht es um den Kampf zwischen Natur und Zivilisation. Camelot steht für die Zivilisation, der Green Knight, der Grüne Ritter, für die Natur, in dessen Person er Camelot stürmt. Ihm hackt Sir Gawain den Kopf ab“, erläutert Wissenschaftlerin Peggy Knapp, die in ihren Vorlesungen auf der Carnegie Mellon University das Gedicht behandelt hat. „Es ist ein sehr christliches, hoch moralisches Poem – und gleichzeitig ein ur-keltisches Poem über Helden, die im Einklang mit der Natur leben und sich mit ihr identifizieren“.

Das Poem bezieht seine Kraft aus den Spannungen zwischen Christen- und Heidentum. Die dunkle Seite wird vom geheimnisvollen Green Knight repräsentiert, der um die Weihnachtszeit aus dem Nebel auftaucht. Ein Freiwilliger wird gesucht, der dem Green Knight mit einer Axt den Kopf abschlägt. Dafür muss er sich opfern, ein Jahr später in der Green Chapel, der „Grünen Kapelle“ einfinden, wo ihn wiederum der Green Knight enthauptet. Dieser Mission stellt sich Sir Gawain, junger Ritter am Hofe König Artus.

„Das Konzept der Ritterlichkeit bzw. der persönlichen Integrität war für mich der Schlüssel zur Geschichte“, sagt Lowery. „In diesem Fall diese Suche eines Mannes, der sich auf den Weg macht um herauszufinden, wer er ist, was in ihm steckt. Das ist ein zeitloses Thema. Im Film wie in der Vorlage muss er dafür zahllose Abenteuer bestehen und sich auch durch sexuelle Verlockungen nicht von seinem Weg abbringen lassen.“

Diese Sicht der Dinge teilt Peggy Knapp: „Das Gedicht ist nichts anderes als eine Coming-ofAge-Story mit einem unglaublichen Helden. Heutzutage wäre wohl James Bond sein Äquivalent. Zigfach wird er in Versuchung geführt, aber er widersteht (fast) allen Verlockungen. Er gleicht heutigen Männern. Er versucht perfekt zu sein, will ein großer Krieger werden. Dafür kämpft er, dafür jagt er. So wie Männer eben sind. Er will stark sein, muss sich beweisen“.