Bildschirmfoto 2021 08 14 um 23.45.32Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 12. August 2021, Teil 17

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ab Beginn ist man lange begeistert, daß man schon kennt, was man auf der Leinwand sieht: daß die kleine Maus Jerry aussieht wie früher, wenngleich nicht wie vor 80 Jahren, als sie zum ersten Mal im Kurzfilm auftauchte, aber in der Version, in der wir sie kennen, was auch für Kater Tom gilt. Mein Gott, ist man froh, daß die Gestalten vertraut sind und das Scharmützel zwischen beiden auch die alten Kämpfe fortsetzt.

Hinreißend der Beginn, wenn Tom, dem ja immer übel mitgespielt wird, sich als Wohnungsloser als genialischer Klavierspieler

Man müsste Klavier spielen können
Wer Klavier spielt, hat Glück bei den Frau'n
Weil die Herr'n, die Musik machen können
Schnell erobern der Damen Vertrau'n

herausstellt, der für seine Jazzphantasien auf einem Keyboard im New Yorker Central Park die begeistert zuhörenden Menschen dazu bringt, ihm kräftig Geld zu spenden. Das ist wirklich stark und steigert sich, wenn nun der ebenfalls wohnungslose Jerry des Weges kommt, die Situation überblickt, den vollen Geldtopf ein wenig weiterschiebt, wo er seine eigene Bühne errichtet, auf der er zur tollen Musik von Tom Pirouetten dreht, auf jeden Fall mit seinem Ausdruckstanz das Publikum kräftig zum Spenden motiviert. Alles Geld nun seins. Die Folge ist ein Wutausbruch von Tom, die Fetzen fliegen, wir sind genau in einem der herrlichen Grabenkämpfe der beiden, in dem sein Keyboard  in Stücke zerspringt.Toms Wut ist grenzenlos. Doch Jerry kennt das ja schon, jetzt ist Wegtauchen das Sinnvollste. Er verschwindet und als er bei einem Nobelhotel vorbeikommt, weiß er, genau, hier wird er sein Auskommen finden. So geschieht es. Der arme Tom dagegen verkommt zum Straßenkater und darbt.

Statt wie bisher und erfolgreich als Hauptsujet des Films das Miteinander-, besser Gegeneinanderagieren der beiden Tiere in Geschichten und Bilder zu zeigen, kommen jetzt und auf Dauer aufdringlich die Menschen ins Spiel. Erst einmal durchaus gekonnt, wie die mittellose Kayla (Chloë Grace Moretz), die wie vom Portier entsprechend kommentiert, mal wieder das Hotel betritt, um sich kostenlos am abgegessenen Frühstücksbuffet zu bedienen, die Situation nutzt, als sie mitbekommt, daß eine Sonderaktion läuft, nämlich die befristete Einstellung von zusätzlichem Personal für eine Mega-Prominenten-Hochzeit, die größte Hochzeit des Jahrhunderts!, die im glitzernden Nobelhotel ausgetragen wird. Gekonnt, weil sie die überqualifizierte, aus London angereiste Bewerberin durch Lügen vergrault, jedoch deren Bewerbungsblatt, das dieser auf den Boden gesegelt war, aufhebt und für sich behält und sich gegenüber dem Hotel als Bewerberin ausgibt. Als sie das Bewerbungsgespräch beginnt und ihre Papiere vorzeigen soll, übergibt sie diese Zusammenstellung der angeblich von ihr erfolgreich durchgeführten Großereignisse nonchalant den Herren. Kein Wunder, daß sie vom Hotelmanager Mr. DuBros (Rob Delaney) sofort engagiert wird und dann als eine der ersten Aufgaben die im Haus gesichtete Maus vertreiben soll, von der wir wissen und es sehen, daß es Jerry ist.

Höchste Zeit, denkt man, daß Tom wieder ins Spiel kommt! Obwohl, das konstatiert man beim Schauen, das bisher gut gegangen ist, diese hybride Veranstaltung, daß echte Filmmenschen und die beiden gezeichneten Kontrahenten nun gemeinsam eine Geschichte erzählen. So liegt es auch nahe (Drehbuch!), daß Kayla bei ihrer Aufgabe der Mäusejagd sich an den Straßenkater Tom erinnert, ihn findet und ihn als Mäusevernichter ins Hotel bringt. Endlich gehen jetzt die gewohnten Revierkämpfe und grundsätzlichen Vernichtungs- und Überlebensstrategien der beiden los und wir fühlen uns  zunehmend im Tom- und Jerry-Rausch, denn das Chaos im Hotel wird von beiden gezielt und erfolgreich durchgeführt, so daß der Zuschauer auf seine Tom & Jerry-Kosten kommt als Höhepunkt des Films. Und was zu lachen hat. Einige Zeit. Doch dann machen die Menschen im Film uns den Spaß kaputt. Immer stärker überlagert nun die Erzählung von der Hochzeit das tierische Geschehen. Wir lernen das zukünftige Ehepaar so gut kennen, wie es uns überhaupt nicht interessiert. Er ein erfolgreicher dümmlicher Sportler, sie eine erfolgsverwöhnte zukünftige reiche Erbin, über deren Kopf hinweg der Verlobte längst mit ihrem Vater ihr Leben und auch die Modalitäten der Hochzeit ausbaldowert. Und damit auch die kulturelle Diversität gesichert ist, hat sie einen indischen Hintergrund. Klar, da liegt ein reicher Vater nahe!?

Dann gibts da noch den gemeinen Terrance (Michael Peña), Hotelangestellter, der ursprünglich die Megahochzeit verantworten sollte und der nun als Kaylas Vorgesetzter sie durch Intrigen als dumme und unfähige Trine dastehen läßt, die so eine Hochzeit einfach nicht stemmen kann. Und kaum denkt man, jetzt aber haben Tom und Jerry wieder ihre Solo- bzw. Duo-Auftritte, kommen schon wieder ärgerlicherweise die Menschen daher und machen alles kaputt. Denn jetzt stehen die Hochzeitsmodalitäten im Mittelpunkt und es ist nicht mehr zivilisations- oder kapitalismuskritisch, sondern nur noch albern, wenn jetzt für die Superhochzeit Elefanten eingeflogen werden, ein Tiger sowieso, und der ganze Spaß darin bestehen soll, daß diese Tiere mitsamt den Abwehraktionen der Hotelbediensteten das ganze Hotel demolieren, von den zersplitternden Kristalleuchter bis zum Einstürzen des Eingangsfoyer, der Hotellobby etc. Ein bißchen Untergang macht Lust, aber der Einsturz von Rom, hier des Hotels, ist maßlos übertrieben und macht einfach keinen Spaß.

Der Schluß ist dann noch oberpeinlich. Denn als das Hotel durch die Verwüstungen der Gäste: Elefanten und Troß, nicht mehr bespielbar ist und die Hochzeit von der Braut abgesagt wird, eben auch, weil sich die Braut durch Vater und Verlobten mit Recht bevormundet sieht, sind die kampferprobten Tom und Jerry zu Versöhnern verkommen. Eigentlich ist er ja doch ein guter Kerl, der Ex-Verlobte und flugs wird im Gebäude gegenüber dann doch die Hochzeit gefeiert, als ob nie etwas gewesen wäre. Total verlogen das Ganze. So schade, daß die Filmemacher nicht auf die Kraft der beiden Tiere vertraut haben, die durch ihre Gegnerschaft und ihre Kapriolen uns herzhaft zum Lachen bringen können, was allerdings heute angesichts der Moralapostel allerorten sowieso nur noch Ad usum Delphini erlaubt scheint. Aber nicht mal das bekommt man geboten, stattdessen Menschenkram, Menschenzwist. Auch daß nicht nur der weiße Mann, sondern weitere in den USA verbreitete Kulturen seit neuestem in jedem US-Film eine Rolle spielen, macht den Kohl nicht fett, sondern wirkt konstruiert, einfach unangenehm gewollt. Daß weitere Tiere u.a. Taube und Fisch animiert im Film eine Rolle spielen, wäre doch ausbaufähig und sehr viel eher im Sinne der Tom und Jerry-Geschichten.

Bildschirmfoto 2021 08 14 um 23.44.08Die aus den TV-Serien bekannte Bulldogge Spike, Schoßtier des verlobten Paares, die im Hotel plötzlich eminent gefährlich als Raufbold und Katzen-und Mäusefresser auftaucht (links im Bild), erweist sich hier allerdings als eine Fehlbesetzung. Kein echter Gegner für Tom und Jerry, die sich nun zusammentun. Sie wissen eh, daß sie gemeinsam unschlagbar sind. Ach, hätten Buch und Regie den beiden nur vertraut und nicht mit Menschengeschichten den ganzen Film ruiniert!

P.S. Es bleibt allerdings die berechtigte Frage, ob nicht Kurzfilme das richtige Format für Tom und Jerry-Geschichten bleiben und eine Zusammenstellung verschiedener Episoden der beiden Kampfhähne, auf 60 – 80 Minuten ausgedehnt, langt. 101 Minuten ist Menschenmaß, kein Tom und Jerry-Maß und dementsprechend daneben.

Foto:
Kayla (CHLOË GRACE MORETZ) und Tom
©Verleih

Info:
August 2021 Im Kino / 1 Std. 41 Min. / Animation, Komödie, Familie

Regie: Tim Story
Drehbuch: Katie Silberman, April Prosser

Darsteller
Kayla         CHLOË GRACE MORETZ
Terence     MICHAEL PEÑA
Tom           HIMSELF
Jerry          HIMSELF
Cameron   JORDAN BOLGER
Mr Dubros ROB DELANEY
Joy the Bell Girl    PATSY FERRAN
Preeta                   PALLAVI SHARDA
Ben                       COLIN JOST
Mrs Mehta             SOMI DE SOUZA
Mr Mehta              AJAY CHHABRA
Mr Jacobson Snr. PATRICK POLETTI
Mrs Jacobson      ANIS AHERN