Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 9. September 2021, Teil 1
Redaktion
Paris (Weltexpresso) - Es ist das erste Mal, dass die Kreation einer neuen Rosenart im Mittelpunkt eines Films steht. Woher kommt die Idee?
Von der Liebe, die ich seit meiner Kindheit zu Blumen habe. Ich war ungefähr elf Jahre alt, als meine Großeltern mir und meinem Bruder einen Teil ihres Gartens schenkten. Wir hatten die Erlaubnis, damit zu tun, was wir wollten. Als Kind ein Stück Land zu haben – was für ein wunderbares Geschenk!Wir begannen sofort mit der Gestaltung unseres idealen Gartens. Es sollte wie im Garten Eden sein. Wir planten einen Eingang, einen Weg und einen Ort mit einer Bank, um die Blumen zu betrachten, zu träumen oder sich auszuruhen. Hier und da sollte es viele Überraschungen geben und einen großen lichtdurchlässigen Bereich. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dies auch meine erste Erfahrung mit Szenografi e und Inszenierung war. Obwohl ich sie wahrscheinlich schon vorher inne hatte, wurde meine Leidenschaft für Blumen und Gärten zu dieser Zeit ganz bewusst geboren und hat mich seither nie verlassen. Sie existiert neben meiner Leidenschaft für das Kino, die ich auch sehr früh entdeckte. Im Inneren ernähren sie sich von derselben Quelle: die Suche nach einer Ästhetik und einer Inszenierung.
Was war der Auslöser, diese beiden Leidenschaften zusammenzubringen?
Eines Tages erfuhr ich ganz zufällig, dass die Züchtung von Rosen eine französische Spezialität ist. Von den rund vierzig Rosenzüchtern, die es heute noch auf der ganzen Welt gibt, stammen mehr als zwanzig aus Frankreich. Und die meisten sind in der Region um Lyon ansässig. Das hat mich fasziniert. Ich habe dann viel über das Thema gelesen: die unterschiedlichen Zuchtstadien, die Wettbewerbe, die Liebe und Selbstaufopferung der Rosengärtner. Ich lernte, dass beim Heranziehen dieser Blumen nichts dem Zufall überlassen wird, sondern im Gegenteil alles auf einer sehr sorgfältigen Auswahl beruht: Die besten „Väter“ (Staubblätter) und „Mütter“ (Stempel), die mit bemerkenswerten Eigenschaften hinsichtlich Farbe, Duft und Resistenz gegen Krankheiten, werden „verheiratet“ oder hybridisiert, in der Hoffnung, dass ihre Kreuzung Sorten hervorbringt, die es wert sind, in Wettbewerben präsentiert zu werden. Da ich mich schon immer für gesellschaftsrelevante und soziale Themen interessiert habe, sah ich hier eine bemerkenswerte Parallele zu der sehr auf Wettbewerb ausgerichteten Gesellschaft, in der wir heute leben, mit ihrer Neigung zum Elitismus. Diese Ähnlichkeit schien mir das Substrat, auf dem ich meinen Film aufbauen konnte. Ich dachte über ein Drehbuch nach.
Wie sind Sie vorgegangen?
Ich besuchte einige Rosenzüchter, um in ihre Arbeitswelt einzutauchen. Dazu gehörten kleine Familienbetriebe wie das Maison Dorieux, dessen handwerkliche Produktion von hoher Qualität ist. Jedoch haben sie unter der Konkurrenz größerer Betriebe zu leiden, in denen Rosen auf fast industrielle Weise „hergestellt“ werden. Nicht nur in Frankreich, sondern auch in vielen Ländern, wo Arbeitskräfte billiger sind. Ich versuchte zu verstehen, wie die Einen gegen die Anderen überleben könnten. Auch ging ich zu Wettbewerben, um die Auswirkungen eines Preises auf die Karriere einer neuen Rosensorte einschätzen zu können. Ich wollte verstehen, warum diese Blume so viel Leidenschaft, auch exklusiver Art, hervorruft. Mir wurde klar, dass alle Züchter, Schöpfer und Enthusiasten ausnahmslos in unterschiedlichem Maße denselben Traum hatten: eines Tages eine Kreation zu fi nden, die noch prächtiger ist und umwerfender duftet als die vorherigen. In dieser unendlichen, ja hartnäckigen Suche lag für mich eine verrückte Poesie, und diese sollte der Film aufgreifen.
Ein ambitionierter Versuch, die Schönheit einer Blume fi lmisch spürbar zu machen und gleichzeitig eine soziale Dimension zu vermitteln. Ihr Drehbuch war sicher nicht einfach aufzubauen und zu schreiben ...
Ja, aber ich nahm mir Zeit und recherchierte viel. Vor dem Schreiben benötige ich immer ein umfassendes Verständnis für mein Thema. Eine wichtige Referenz für mich war der Film ANGELS‘ SHARE - EIN SCHLUCK FÜR DIE ENGEL von Ken Loach, der einerseits die Kleinkriminellen in einer von Armut beherrschten Region porträtiert und uns anderseits mit der wunderbaren Welt des Whiskys vertraut macht. Ich stellte mir den Charakter einer Rosenzüchterin vor, die kurz vor dem Bankrott steht und nicht in der Lage ist, ausgebildete Fachkräfte zu bezahlen. Sie muss die Hilfe von drei Arbeitslosen im Resozialisierungsprogramm annehmen – drei, die nicht das gleiche Glück hatten, in die richtige Familie hineingeboren zu sein. Es sei auch darauf hingewiesen, dass sich der Gartenbausektor seit den 1980er Jahren in einer Krise befi ndet, insbesondere die Rosenzüchtung, deren goldenes Zeitalter vorüber ist. In nur wenigen Jahren ist der Rosenmarkt erheblich geschrumpft, was zu zahlreichen Insolvenzen führte, insbesondere bei kleineren Betrieben.
Fortsetzung folgt
Foto:
©Verleih
Info:
Der Rosengarten von Madame Vernet (Frankreich 2020)
Genre: Tragikomödie
Filmlänge: ca. 104 Minuten
Regie: Pierre Pinaud
Drehbuch: Pierre Pinaud, Fadette Drouard
Darsteller: Catherine Frot, Melan Omerta, Fatsah Bouyahmed, Olivia Côte, Marie Petiot, Vincent Dedienne u.a.
Verleih: Neue Visionen Filmverleih