Bildschirmfoto 2021 09 09 um 01.08.59Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 9. September 2021, Teil 2

Redaktion

Paris (Weltexpresso) - Grundsätzlich erzählt der Film eine Geschichte à la „David und Goliath“ mit sozialen und emotionalen Auswirkungen ... Teilweise. Die Geschichte beginnt zunächst mit dem hartnäckigen Kampf, den eine Rosenzüchterin allein gegen die Industriellen und die Gesetze des Marktes führt. Sie ist resistent gegen moderne Techniken und Methoden, da sie ihrer Meinung nach die Qualitätsstandards aushebeln. Im weiteren Verlauf öffnet sich Eve Vernet gegenüber der Welt, dank der Menschen, die sie zunächst herablassend behandelt, weil sie von ihrem Metier, dem Gartenbau, keine Ahnung haben.

Und weil das Motiv der Übertragung für mich eine große Rolle spielt, endet der Film mit der Hand, die diese Frau einem jungen Mann hinhält, der von seinem Weg abgekommen ist, um ihm endlich eine Zukunftsperspektive zu geben. Ich würde sagen, dass sich der Film nach dem Prinzip der russischen Matroschka-Puppe entfaltet – oder wie die vielschichtigen Blütenblätter einer knospenden Rose. Eine der schönen Überraschungen des Drehbuchs ist die unerwartete Sequenz, in der Eve zusammen mit ihren Schützlingen den Einbruch bei ihrem Konkurrenten plant. Wenn das Rosenuniversum im Unterbewusstsein Schönheitsbilder erzeugt, hat es auch den Nachteil, oft mit etwas Konservativem in Verbindung gebracht zu werden. Um dies zu umgehen, musste der Film kleinere Umwege nehmen. Diese Suche nach Schönheit, die Eve ziemlich akribisch verfolgt, könnte im Grunde genommen wie die Suche nach dem Gral sein. Daher wollten wir ein wenig Spannung einführen. Gleichzeitig ist wichtig zu wissen, dass auch die Pfl anzenwelt der Privatisierung und Vermarktung unterliegt: Heute lagern wir Pfl anzensorten und privatisieren sie somit. Also erfand ich die Figur des industriellen Rosenzüchters, der seltene und erhabene Sorten für seine ausschließliche Verwendung aufbewahrt und so gegen die Tradition des Kreuzens und des Teilens zwischen den Rosenzüchtern verstößt. Eve stiehlt ihm eine seltene Rose, denn sie ist überzeugt davon, dass die Rückgabe einer alten Rosenart an die Allgemeinheit kein Diebstahl ist, sondern ein Akt sozialer Gerechtigkeit. Wo fanden die Dreharbeiten statt? Ich wollte inmitten von Rosenfeldern in einer ländlichen Gegend fi lmen. Es stellte sich jedoch heraus, dass aufgrund der raschen Urbanisierung der Region Lyon, in der sich die Mehrheit der französischen Rosenzüchter konzentriert, die meisten von ihnen gezwungen waren, ihre Felder zu teilen. Sie sind heute häufi g umzingelt von Wohn- oder Gewerbegebieten. Maison Dorieux, ein kleines Familienunternehmen, bot die Landschaft, von der ich träumte. Es liegt in Montagny, im Herzen der noch sehr unberührten Küstenregion von Roanne. Wir mussten jedoch die Ästhetik der Gebäude überarbeiten, Gewächshäuser nachbauen und auch die Innenräume entsprechend der Umgebung umgestalten. Diese präzise und schwierige Arbeit meisterte unser Szenenbildner Philippe Chiffre. Wir sehen die Farbenpracht, wir können die Duftintensität erahnen ... Ihr Film ist eine Hymne an die Sinnlichkeit und die Schönheit der Natur. Genau das wollten wir erreichen. Wir dachten viel über das Licht in den Innenräumen nach sowie die Ausstattung. Wir wollten, dass Eves Haus vollgestopft ist, dass dort Unordnung herrscht. Es sollte verdeutlicht werden, wie ihre Suche nach Schönheit – ein Erbe ihres Vaters – den ganzen Raum und auch Eve selbst völlig vereinnahmt hat. Daher diese Auswahl an dunklen Farben und das Chaos aus Fotos, Gemälden, Büchern, Notizbüchern, Möbeln des letzten Jahrhunderts und all diesen mit Glasfl äschchen gefüllten Kisten aus kostbarem Holz, in denen sich Parfüm-Extrakte befi nden. In Ihrem Film, dessen Thematik sehr zeitgenössisch ist, fi nden wir fast überall auch Verweise auf die Vergangenheit, und das gibt ihm eine etwas kuriose, skurrile Seite ... Eve ist geprägt von der Erinnerung an ihren Vater, die sie wie einen Schatz in sich aufbewahrt. Dieses Erbe und diese Loyalität sollten sich auch in ihrem Erscheinungsbild widerspiegeln, in ihrer Kleidung, dem manchmal etwas burschikosen Auftreten, ihrem Gentleman-Farmer-Look mit Cowboyhut und Pfeife. Eve selbst hatte auch eine glorreiche Vergangenheit. Sie war als Rosenzüchterin unglaublich erfolgreich und hängt an dieser Erinnerung. Um dies visuell zu übertragen, haben wir mit Kameraobjektiven gearbeitet, die ein wenig Körnung oder Streulicht erzeugen, in Scope gefi lmt und bestimmte Bilder gesättigt. Diese Vintage-Seite des Films sollte auch für das Ohr wahrnehmbar werden.

Was waren die schwierigsten Szenen für Sie? Alle Szenen im Parc de Bagatelle, weil wir dafür sehr viele Statisten brauchten. Im Sinne der Authentizität der Geschichte war es ohne Alternative, dort zu drehen. In diesem Park, den es seit dem 18. Jahrhundert gibt, fi ndet seit 113 Jahren der renommierteste Rosenwettbewerb der Welt statt. Ich wollte, dass die Geschichte dort beginnt, im Herzen dieses Ortes, der Rosenliebhaber auf der ganzen Welt zum Träumen bringt. Warum haben Sie Catherine Frot für die Rolle der Eve besetzt? Ich wollte einen sehr „französischen“ Film machen. Und ich sagte mir, dass keine Schauspielerin dies besser verkörpern würde als Catherine. Die Rolle erfordert sowohl Finesse, Eleganz, Sinnlichkeit als auch Charakter, zudem Humor und viel Fantasie. Ich hatte Catherine in DIE KÖCHIN UND DER PRÄSIDENT gesehen. In dieser Rolle der Périgord-Köchin, die für die persönlichen Mahlzeiten des Präsidenten verantwortlich war, fand ich sie sensationell, sehr „französisch“, mit dem richtigen Biss, den ihre Figur erforderte. Ich kannte die breite Palette ihres Schauspiels. Die Rolle der Eve verlangt sehr viel Nuancen. Man muss in der Lage sein, die Autorität einer Geschäftsführerin darzustellen als auch die Zerbrechlichkeit eines jungen Mädchens, das seinen Vater bewundert. Catherine ließ uns das alles und noch viel mehr fühlen, weil sie noch eine weitere wichtige Eigenschaft besitzt: Sie hat eine starke Präsenz. Sie besitzt eine unglaublich authentische Präzision. Als Madame Dorieux ihr zeigte, wie man eine Blume hybridisiert, konnte sie ihre Gesten perfekt nachspielen. Dies beeinträchtigt jedoch nicht ihre Fähigkeit, ihr Schauspiel zu poetisieren. Der Film ist Ihrer Mutter gewidmet ... Über einen langen Zeitraum habe ich mich ausschließlich dem Schreiben hingegeben und nicht

gedreht. Meine Mutter wurde zu diesem Zeitpunkt krank und ich habe mich bis zu ihrem Tod um sie gekümmert. Ich habe ihr von DER ROSENGARTEN VON MADAME VERNET erzählt. Sie hat mich sehr ermutigt, dieses Projekt zu verwirklichen. Und so habe ich es ihr gewidmet. Welche Zuschauerreaktionen wünschen Sie sich? Mein Traum wäre es, wenn das Publikum das Kino verlässt und sich sagt, dass die Suche nach Schönheit es rechtfertigt, ihr sein Leben zu widmen. Wenn ich einen Satz in meinem Film hervorheben müsste, wäre es dieser des belgischen Rosenzüchters Louis Lens: „Wer eine Leidenschaft für Schönheit hat, wird niemals sein Leben verschwenden.“

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©Verleih

Info:
Der Rosengarten von Madame Vernet (Frankreich 2020)
Genre: Tragikomödie
Filmlänge: ca. 104 Minuten
Regie: Pierre Pinaud
Drehbuch: Pierre Pinaud, Fadette Drouard
Darsteller: Catherine Frot, Melan Omerta, Fatsah Bouyahmed, Olivia Côte, Marie Petiot, Vincent Dedienne u.a.
Verleih: Neue Visionen Filmverleih