Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 23. September 2021, Teil 7
Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die junge bildende Künstlerin Frances (Jenny Slate) hat gerade eine richtige Pechsträhne. Zuerst werden ihre Bilder von snobistischen New Yorker Kritikern verrissen, dann macht auch noch ihr Freund Robert (Dan Puck), mit dem sie nach Japan gehen wollte, mit ihr Schluss. Zur gleichen Zeit verkünden ihre jugendliche Schwester Gaby (Elise Kibler), dass sie heiraten wird, und ihre Eltern Levi (David Paymer) und Mirela (Jessica Hecht), dass sie sich scheiden lassen wollen.
Frances will nur noch weg aus New York. Da bietet ihr der Künstler Nils (Fridtjov Såheim) aus Norwegen an, ihm bei seiner Arbeit zu helfen. Frances nimmt das Angebot eines Stipendiums an, da sie auch hofft, für ihre eigene Arbeit neue Inspirationen zu bekommen. Doch leider geht die Reise nicht nach Oslo, sondern auf die nördlich vom Polarkreis liegende Insel Vestvågøy, die zu den Lofoten gehört.
Frances muss sich dort nicht nur mit dem wortkargen einzelgängerischen Künstler Nils herumschlagen, der seine Helferin in einem alten Wohnwagen unterbringt, sondern sie hat auch Probleme mit dem Einschlafen, denn im hohen Norden bleibt es auch nachts taghell.
Frances Aufgabe hat eigentlich wenig mit Kunst zu tun, sie muss von morgens sieben bis abends sieben die Innenwände einer alten Scheune mit gelben und roten Farbtönen anstreichen, während Nils die Scheune draußen anmalt. Beide stehen unter Zeitdruck, denn das (Kunst)-Projekt muss in vier Wochen abgeschlossen sein.
Aber Frances nimmt sich auch Zeit, um die Gegend zu erkunden. So entdeckt sie das Wikingermuseum von Borg. Dort wurden bei Ausgrabungen die Reste eines Langhauses entdeckt, das originalgetreu nachgebaut wurde. Jetzt arbeiten im Museum überwiegend ausländische Mitarbeiter unter der Leitung eines Amerikaners namens Haldor (Zach Galifianakis), die Interessenten zeigen, wie die Wikinger auf der Insel einst lebten.
Dort trifft sie auch auf Yasha, einen jungen Mann (Alex Sharp), der den letzten Willen seines russisch-stämmigen Vaters erfüllen und ihn in einer Scheiterhaufen-Zeremonie nach Wikinger-Art beisetzen will. Kurze Zeit später taucht auch noch Yashas Mutter Olyana (Gillian Anderson) mit ihrem neuen Freund Ian (Justus von Dohnányi) auf der Insel auf.
Durch eine Begegnung mit einer Einheimischen beginnt Frances auch selbst zu malen. Doch was wird Frances am Ende ihrer Zeit auf den Lofoten für ihre Zukunft zu Hause in New York mitnehmen?
"The Sunlit Night" beruht auf dem gleichnamigen Roman von Rebecca Dinerstein Knight, der 2015 veröffentlich wurde. Sie hat darin eigene Erfahrungen während eines Stipendiums in Norwegen verarbeitet. Sie hat auch selbst das Drehbuch geschrieben. Regisseur ist der Deutsche David Wnendt in seinem ersten englischsprachigen Film.
Frances führt als Erzählerin aus dem Off durch den gesamten Film. Dabei wirft sie immer wieder lakonische Kommentare ein. Denn zugegeben einige der Charaktere - sowohl in ihrer jüdischen Familie in New York als auch auf den Lofoten - sind schon etwas schrullig überzeichnet. Aber das macht eigentlich den Charme des Films aus.
Doch der interessanteste Aspekt der Tragikomödie ist eigentlich die Auseinandersetzung von Frances und Nils über den Wert der Kunst für das Leben des Einzelnen. Frances lernt dort, obwohl sie eigentlich nur Wände anmalt, langsam ihren eigenen Stil kennen (z.B. wenn sie eine junge Verkäuferin malt). Jenny Slate schafft es, dass man als Zuschauer Frances trotz ihrer etwas nervigen Art auch sympathisch findet.
Leider sind die meisten der weiteren Charaktere - evtl. mit Ausnahme des Malers Nils - nicht sehr gut ausgearbeitet und haben auch nur ganz wenig Screen-Time wie z.B. Gillian Anderson als Mutter von Yasha, der nicht nur versucht, den letzten Willen seines Vaters zu erfüllen, sondern der endlich auch aus dem alltäglichen Trott seiner Familie auszusteigen will. Daneben gibt es auch eine kurze Liebesgeschichte, die aber nur am Rande interessant ist.
Ein ganz wichtiger Teil des Filmes ist der Drehort. Kameramann Martin Ahlgren konnte die beeindruckende Landschaft der Lofoten mit dem meist wolkenverhangenem Himmel, den hellen Nächten, den schroffen Bergen, auf denen teilweise auch im Sommer Schnee lag, und dem leicht gräulichen Tageslicht wundervoll einfangen.
Insgesamt ist "The Sunlit Night" ein netter kleiner Film mit originellen Charakteren und tollen Bildern einer außergewöhnlichen Landschaft, die ganz sicher zur Stimmung des Films beiträgt. Die Tragikomödie mag etwas überzeichnet und artifiziell sein, aber die Romanverfilmung sorgt für sympathische Unterhaltung, die man sich sehr gut im Kino ansehen kann.
Foto 1: Jenny Slate als Frances und Alex Sharp als Yasha © W-film
Foto 2: Zach Galifianakis als Haldor und Gillian Anderson als Olyana © W-film
Info:
The Sunlit Night (Deutschland / Norwegen 2019)
Originaltitel: The Sunlit Night
Genre: Tragikomödie, Arthouse Film, Romanverfilmung
Filmlänge: ca. 92 Min.
Regie: David Wnendt
Drehbuch: Rebecca Dinerstein Knight nach ihrem gleichnamigen Roman (2015)
Darsteller: Jenny Slate, Alex Sharp, Fridtjov Såheim, Gillian Anderson, Zach Galifianakis, Justus von Dohnányi u.a.
Verleih: W-film Distribution
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 23.9. 2021