traum5Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 30. September 2021, Teil 6

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - War es schon immer Ihr Traum, Filme zu machen?


In meinem Film geht es ja auch darum, wie sich Träume entwickeln. So war es bei mir nämlich auch. Schon in meiner Kindheit habe ich gern Filme gesehen, aber dass ich selbst welche mache, das hat sich ganz langsam entwickelt. Meinem späteren Beruf habe ich mich über das Zeichnen und die Fotografie genähert, bis ich schließlich beim Bewegtbild landete. Dass ich Dokumentarfilme und keine Spielfilme drehe, hat sicher auch damit zu tun, dass ich mir schon immer sehr viele Gedanken über den Zustand der Welt gemacht habe. Natur- und Umweltschutz waren Dinge, die mich schon mit 13, 14 bewegten. Etwa als ich sah, wie das Wäldchen vor unserer Haustür wegen einer Autobahn abgeholzt wurde und die Tiere und die Tümpel darin verschwanden. Anfangs dachte ich, dass reale Geschichten viel mehr verändern als imaginäre. Bis ich begriff, dass die realen und imaginären Geschichten ganz eng zusammenhängen. Mir machen Dokumentarfilme Spaß, die beim Dokumentarischen nicht nur das Faktische sehen, sondern auch hinter die Kulissen des Realen schauen, also Grenzgänger zwischen beiden Welten sind...


Idealerweise erzählt ein Dokumentarfilm also auch eine spannende Geschichte?

Nicht nur das. Er lässt auch Emotionen spüren, die hinter den Bildern und den Protagonist*innen stehen. Natürlich bilden wir die Realität ab, aber nicht eins zu eins. Wir schaffen auch etwas Neues.


Können Sie Ihre Arbeitsweise beschreiben und wie Sie zu den Ideen ihrer Filme kommen?

Sollte sich im Lauf der Jahre eine Art Muster entwickelt haben, dann vielleicht, dass ich bei jedem Film versuche, mit dem vorigen zu brechen, thematisch wie ästhetisch. Es ist nämlich nichts langweiliger, als sich selbst zu wiederholen. Dabei kommt nichts wirklich Neues zustande. Vielleicht enttäusche ich ja die Erwartungen der Leute, die meine beiden letzten Filme kennen. Aber dann ist es eben so. Diesmal ging es mir darum zu zeigen, dass sich in unserer Gesellschaft und in der Politik, auch auf beruflicher und privater Ebene, kaum noch etwas bewegt, alles ist wie fest zementiert. Aber der Zug fährt definitiv gegen die Wand, wenn wir in dieser Haltung verharren, das wissen wir – diese Erkenntnis ist längst in unser aller Bewusstsein gedrungen. Mit TRÄUM WEITER! wollte ich dem Gegensatz auf den Grund gehen, weshalb trotzdem nichts Neues entsteht, obwohl der Bedarf dringend da ist. 


Was ist für Sie das Schwierigste und was das Befriedigendste an der Arbeit an Dokumentarfilmen?

Die Konzeption des Ganzen empfinde ich am schwierigsten. Als ich TRÄUM WEITER! entwickelte, fühlte ich mich selbst wie in einem Hamsterrad und stellte mir die Frage, wie kommt man da wieder raus? – eine Frage, davon war ich überzeugt, die viele andere Menschen bewegt. Aber wie bekomme ich dieses Thema in 90 Minuten erzählt? Wie erzähle ich eine solche Geschichte, damit sie die Menschen erreicht und vielleicht sogar dazu animiert, ihren eigenen Träumen hinterherzujagen? Bei einem Projekt wie diesem gibt es ja kein Drehbuch, es handelt sich eher um eine Annäherung an ein Drehbuch, das von der Realität geschrieben wird.


Was macht Ihnen am meisten Spaß?

Die Arbeit mit den Protagonist*innen, ohne jeden Zweifel. Die zu finden und mit ihnen Kontakt aufzunehmen, empfinde ich als sehr befriedigend. Und natürlich die Dreharbeiten. Wie haben Sie im Fall von TRÄUM WEITER! Ihre Protagonist*innen gefunden? Wir haben sehr viel recherchiert und hatten am Ende rund 20 Leute, die in Frage kamen. Das waren nicht nur Menschen, die man googeln kann und die schon in den Medien waren, sondern teilweise nur irgendwo durch einen kleinen Blogeintrag vertreten waren. Sie sollten aktiv mit der Verwirklichung ihrer Träume befasst sein, denn wir wollten nicht nur retrospektiv erzählen. Die meisten Leute aus unserer Produktionsfirma haben ihre Fühler ausgestreckt, haben im Bekanntenkreis herumgefragt. Suchanzeigen hätten wahrscheinlich nicht so viel gebracht, denn nach was hätten wir suchen sollen: nach Leuten, die träumen? In vielen Fällen waren es Freund*innen von Freunden von Freunden, die uns weiterhalfen.


Haben Sie die möglichen Kandidat*innen schlußendlich einer Art Casting unterzogen?

Offenbar reduzierten Sie den Kreis der Leute, die in Frage kamen, ja von 20 auf fünf... Zunächst haben wir für jeden so etwas wie einen Steckbrief angelegt. Neulich fiel mir wieder ein, dass sich auch Christian Drosten unter den Kandidaten befand. Er war uns als Virologe aufgefallen, der als einer der ersten seine Forschungsergebnisse ins Netz stellte, damit andere Forscher*innen daran weiterarbeiten können, also quasi uneigennütziges Knowledge-Sharing, nach dem Motto: Das Wissen der Menschheit entsteht durch Zusammenarbeit. Es wäre filmisch nicht so einfach gewesen, das zu zeigen. Deshalb haben wir uns schließlich gegen ihn entschieden. Ob Leute gut reden können oder nicht, war für uns auch ein Kriterium bei der Auswahl. Aber wir haben sie nicht ins Studio gebeten und Probeaufnahmen gemacht. Ob sie sich eignen, haben wir stattdessen durch Gespräche am Telefon oder bei persönlichen Treffen herausgefunden.


Wie wichtig war es Ihnen, dass die Träume Ihrer Protagonist*innen auch optisch etwas hermachen?

Klar, das war von großer Bedeutung. Aber wir wollten auch eine interessante Mischung aus Alt und Jung hinbekommen, wollten handfeste Träume zeigen und solche, die sagen wir mal, etwas mehr abdrifteten, nicht nur politische, sondern auch sehr persönliche Träume. Um dem Publikum zu zeigen, dass jeder Traum es wert ist, ausgelebt zu werden, damit sich die Zuschauer*innen in dem einen oder anderen Protagonisten wiederfinden. So ging es uns im kleinen Team ja auch schon: Der eine fuhr total auf den Marsianer ab, während der andere sich mehr mit der Frau identifizieren konnte, die mit ihren Kindern nach Portugal ausgewandert war.

Foto:
©Verleih

Info:
Stab
Regie und Buch Valentin Thurn
Coautor Sebastian Stobbe
Sprecherin Dagmar Manzel
Kamera Gerardo Milsztein

Abdruck aus dem Presseheft