Redaktion
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Hatten Sie denn auch Lieblinge unter Ihren Protagonist*innen und solche, mit denen Sie vielleicht weniger anfangen konnten? Nicht persönlich, sondern was deren Träume betrifft...
Also, mit dem Traum des Marsianers hatte ich durchaus meine Schwierigkeiten. So extrem, wie die Frauen bei uns im Team, reagierte ich zwar nicht. Die fragten, ist der Typ wahnsinnig, der verlässt deswegen seine Kinder? Aber ich stehe eher auf dem Standpunkt, dass wir uns um die Rettung unseres Planeten kümmern sollten, statt uns einen neuen zu suchen. Andererseits kam er dann mit Fragen, die mich überraschten – etwa: Braucht es auf dem neuen Planeten eigentlich Hierarchien? Braucht man da Geld, wenn man eine neue Gesellschaft aufbaut? – und so hat er mich gepackt.
Welcher Traum lag Ihnen besonders nah?
Eigentlich konnte ich mit allen etwas anfangen und hatte aus unterschiedlichen Gründen mit jedem meinen Spaß. Tief berührt hat mich die Geschichte mit den Freilernern – auch weil die Mütter nicht so apodiktisch waren, dass sie sagten, das muss jeder so machen. Aber in meiner Schulzeit habe ich zehn Jahre gebraucht, um zu begreifen, warum ich da überhaupt lerne. Irgendwann habe ich die Kurve gekriegt, doch die Motivation kam von außerhalb, nicht aus der Schule selbst.
Apropos: Line Fuks, die Mutter der Freilerner, ist die einzige Frau unter den fünf Träumern. Träumen Frauen seltener... oder warum sind in Ihrem Film die Männer in der Überzahl?
Wir haben tatsächlich mit einer zweiten Frau gedreht. Doch das hat dann letztlich nicht geklappt, weil ihr Projekt nicht in die Pötte kam. Andererseits ergab sich bei unseren Recherchen wirklich ein starkes Männer-Übergewicht. Wir haben versucht, bewusst dagegen zu steuern, aber es erwies sich als nicht so einfach. Wenn wir mehr Zeit gehabt und viel länger gesucht hätten, hätten wir womöglich mehr Frauen gefunden.
Sie haben drei Jahre lang mit Ihren Protagonist*innen gedreht...
Das lag zum Teil daran, dass die unterschiedlichen Projekte so lange brauchten. Die einzelnen Drehs waren unterschiedlich lang. Bei den Frauen in Portugal haben wir zweimal eine Woche gedreht, das war sehr kompakt. Beim Marsianer hingegen wollte und wollte sich nichts einstellen, wir haben uns immer wieder gesagt: Jetzt muss doch endlich die Challenge kommen von diesem ominösen Mars-One-Projekt. Aber sie kam und kam nicht. Und uns wurde immer klarer, die sind irgendwie auch halbseiden.
Es erleichtert die Arbeit als Regisseur vermutlich nicht, wenn man seine Protagonist*innen über einen so großen Zeitraum und mit langen Unterbrechungen begleiten muss?
Ja, das macht es schwieriger. Man muss zwischendurch immer Kontakt halten, weil sich ja die Dinge und auch die Menschen ändern. Und man muss sich die Zeit nehmen, um hin und wieder hinzufahren und zu reden, und zwar ohne Kamera.
Als Sie mit Ihren Protagonist*innen drehten, hatten Sie da sehr genaue Vorstellung davon, was Sie an Bildern einfangen wollten?
Klar hat man eine Shotliste und eine Vorstellung davon, was man filmen möchte. Manches von dem, was passierte, war einigermaßen vorhersehbar, doch vieles überhaupt nicht. Wenn wir dachten, der Dreh wird einfach, lief es besonders chaotisch – und umgekehrt. Aber wenn dann etwas klappte – etwa nach stundenlangem Kaffeetrinken, reden oder frieren – entstanden häufig sehr geile, intensive Szenen. Dokumentarfilmer*innen wissen, was Warten bedeutet, dass man schon mal umsonst für einen Tag nach Berlin oder wo auch immer man drehen will, fährt. Aber beim nächsten Mal wird man dann belohnt.
Haben Sie es beim Schnitt gern mit sehr viel Rohmaterial zu tun – oder ertrinken Sie dann in den Möglichkeiten?
Ich neige dazu, schon beim Drehen zu überlegen, dass es wenig bringt, wenn man es einfach laufen lässt, sondern sinnvoll ist, sich auf bestimmte Dinge zu konzentrieren. Dabei ist ein gutes Skript, das mir zeigt, wo ich hin will, schon sehr hilfreich. Aber meine Cutterin Birgit Köster, mit der ich schon an „Taste the Waste“ zusammenarbeitete, legte Wert darauf, das gesamte Material zu sichten. Und sie hatte Recht. Denn natürlich ist es wichtig, nicht nur die tollen Inhalte und Zitate zu beachten, sondern auch kleine, emotionale Gesten, etwa einen scheinbar unbedeutenden Lacher.
Wussten Sie von vornherein, dass Sie die Geschichten Ihrer Protagonist*innen untereinander mischen würden – oder ergab sich diese Struktur erst beim Schnitt?
Die erste Version bestand tatsächlich aus fünf abgeschlossenen Blöcken. Und die Idee mit der Sandmalerei, die für Übergänge sorgt, hatten wir erst sehr spät. Am Anfang überlegten wir sogar, ob wir den Film in einzelne Kapitel unterteilen. Doch während der Montage wurde uns klar, dass eine Art intuitiver Schnitt dem Material am ehesten gerecht würde.
Hatten Ihre Protagonist*innen eine Art Mitspracherecht bei dem, was Sie von Ihnen zeigen?
Da es sich um sehr persönliche Geschichten handelte, bot ich das natürlich an. Dem einen war es wichtiger, anderen nicht.
Würde es Sie reizen, Ihre Held*innen in fünf oder zehn Jahren noch einmal zu besuchen?
Klar. Zu erfahren, ob beispielsweise der Mann mit den Cargoliftern eine neue Generation von Zeppelinen entwickelt hat oder endgültig Pleite gegangen ist, wäre schon spannend...
Zuletzt die Frage, ob es einen konkreten Traum gibt, den Sie sich persönlich noch nicht erfüllt haben?
Ja, doch, ich habe noch Träume. (lacht) Kreativität entsteht ja nur dadurch, dass man ab und zu nichts tut und einfach nur ins Grüne schaut. So sehr meine Arbeit mir Spaß macht, so sehr kommt man schnell in eine Situation, wo man nicht mehr zur Ruhe findet. Insofern ist mein Traum, die Tretmühle zu verlassen. Mit anderen Worten: Eine Weile nichts tun, um etwas Neues zu finden.
Foto:
© Verleih
Info:
Stab
Regie und Buch Valentin Thurn
Coautor Sebastian Stobbe
Sprecherin Dagmar Manzel
Kamera Gerardo Milsztein
Abdruck aus dem Presseheft
Als Sie mit Ihren Protagonist*innen drehten, hatten Sie da sehr genaue Vorstellung davon, was Sie an Bildern einfangen wollten?
Klar hat man eine Shotliste und eine Vorstellung davon, was man filmen möchte. Manches von dem, was passierte, war einigermaßen vorhersehbar, doch vieles überhaupt nicht. Wenn wir dachten, der Dreh wird einfach, lief es besonders chaotisch – und umgekehrt. Aber wenn dann etwas klappte – etwa nach stundenlangem Kaffeetrinken, reden oder frieren – entstanden häufig sehr geile, intensive Szenen. Dokumentarfilmer*innen wissen, was Warten bedeutet, dass man schon mal umsonst für einen Tag nach Berlin oder wo auch immer man drehen will, fährt. Aber beim nächsten Mal wird man dann belohnt.
Haben Sie es beim Schnitt gern mit sehr viel Rohmaterial zu tun – oder ertrinken Sie dann in den Möglichkeiten?
Ich neige dazu, schon beim Drehen zu überlegen, dass es wenig bringt, wenn man es einfach laufen lässt, sondern sinnvoll ist, sich auf bestimmte Dinge zu konzentrieren. Dabei ist ein gutes Skript, das mir zeigt, wo ich hin will, schon sehr hilfreich. Aber meine Cutterin Birgit Köster, mit der ich schon an „Taste the Waste“ zusammenarbeitete, legte Wert darauf, das gesamte Material zu sichten. Und sie hatte Recht. Denn natürlich ist es wichtig, nicht nur die tollen Inhalte und Zitate zu beachten, sondern auch kleine, emotionale Gesten, etwa einen scheinbar unbedeutenden Lacher.
Wussten Sie von vornherein, dass Sie die Geschichten Ihrer Protagonist*innen untereinander mischen würden – oder ergab sich diese Struktur erst beim Schnitt?
Die erste Version bestand tatsächlich aus fünf abgeschlossenen Blöcken. Und die Idee mit der Sandmalerei, die für Übergänge sorgt, hatten wir erst sehr spät. Am Anfang überlegten wir sogar, ob wir den Film in einzelne Kapitel unterteilen. Doch während der Montage wurde uns klar, dass eine Art intuitiver Schnitt dem Material am ehesten gerecht würde.
Hatten Ihre Protagonist*innen eine Art Mitspracherecht bei dem, was Sie von Ihnen zeigen?
Da es sich um sehr persönliche Geschichten handelte, bot ich das natürlich an. Dem einen war es wichtiger, anderen nicht.
Würde es Sie reizen, Ihre Held*innen in fünf oder zehn Jahren noch einmal zu besuchen?
Klar. Zu erfahren, ob beispielsweise der Mann mit den Cargoliftern eine neue Generation von Zeppelinen entwickelt hat oder endgültig Pleite gegangen ist, wäre schon spannend...
Zuletzt die Frage, ob es einen konkreten Traum gibt, den Sie sich persönlich noch nicht erfüllt haben?
Ja, doch, ich habe noch Träume. (lacht) Kreativität entsteht ja nur dadurch, dass man ab und zu nichts tut und einfach nur ins Grüne schaut. So sehr meine Arbeit mir Spaß macht, so sehr kommt man schnell in eine Situation, wo man nicht mehr zur Ruhe findet. Insofern ist mein Traum, die Tretmühle zu verlassen. Mit anderen Worten: Eine Weile nichts tun, um etwas Neues zu finden.
Foto:
© Verleih
Info:
Stab
Regie und Buch Valentin Thurn
Coautor Sebastian Stobbe
Sprecherin Dagmar Manzel
Kamera Gerardo Milsztein
Abdruck aus dem Presseheft