Fly1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 14. Oktober, 2021,  Teil 4

Margarete Ohly-Wüst

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die 20jährige Bex (Svenja Jung) sitzt im Gefängnis wegen eines von ihr verursachten Autounfalls, bei dem sie selbst und der Unfallgegner in der Spree gelandet sind. Ihre Verteidigerin Dr. Goldberg (Katja Riemann) eröffnet ihr, dass sie verpflichtet ist, an einem der Resozialisierungsprogramme des Gefängnisses teilzunehmen.

Die Programme werden von der Gefängnispädagogin Sara (Nicolette Krebitz) koordiniert. Allerdings hat sie gerade Pech mit ihrer Idee, den jungen Leuten mit Hilfe des Tanzlehrers Grzibowski (Andreas Pietschmann) Standarttänze beizubringen. Sara erinnert sich an ihre alte Freundin Ava (Jasmin Tabatabai), die zurzeit als Taxifahrerin arbeitet. Ava war früher eine bekannte Hip-Hop Tänzerin, die nach einem schrecklichen Unfall mit dem Tanzen aufgehört hat.

Nach einigem Nachdenken stimmt Ava zu und versucht, die jungen Strafgefangenen um Jay Winter (Ben Wichert), Fahid (Majid Kessab) oder Happy (Sebi Jaeger), die alle gerne tanzen, nicht nur mit ihrer eigenen Leidenschaft für Hip-Hop anzustecken, sondern sie möchte die bisherigen Einzelkämpfern zu einer Gruppe und damit zu einer Tanzformation formen.

Bex sieht sich auch als Einzelkämpferin und hat selbst keine Lust, an dem Programm teilzunehmen. Sie hat nachts immer wieder Albträume, in denen ihre Zelle vom Wasser überflutet wird. Doch langsam findet sie Interesse an den Bewegungen, auch weil den Teilnehmern Vergünstigungen im Gefängnis und beim Freigang gewährt werden. Durch das Tanzen beginnt Bex sich langsam in die Gemeinschaft einzufügen. Daneben kommt sie vor allem auch Jay näher, der schon vorher ihr Interesse geweckt hat.

Der verantwortliche Mitarbeiter des Berliner Senats Herr Hartmann (Aleksandar Jovanovic) möchte das Projekt gerne beenden. Ava versucht ihre Schützlinge für ein Dance-Battle mit einer ihr bekannten Tanz-Gruppe fit zu machen, um Hartmann von dem Tanz-Projekt zu überzeugen.

Eigentlich geht es um ein viel größeres Projekt, das Ava vor vielen Jahren aufgegeben hat und das sie jetzt gerne zusammen mit ihren Schützlingen wieder aufnehmen würde. Doch nicht nur Bex wird von ihrer traumatischen Vergangenheit eingeholt, auch Jay, Fahid und besonders Ava müssen sich nicht nur der Vergangenheit stellen, sondern die Tänzer müssen auch entscheiden, was sie mit ihrem weiteren Leben anfangen wollen und ob sie wirklich in der Lage sind, ihr kriminelles Umfeld zu verlassen und ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen...


Fly2"Fly" ist nach "Into the Beat - Dein Herz tanzt" (2020) innerhalb kurzer Zeit der zweite deutsche Tanzfilm, ein Genre, das vor allem bei jungen Leuten sehr beliebt ist.

Regisseurin ist Katja von Garnier, die nach den drei "Ostwind"-Pferdefilmen (2013, 2015, 2017) sich jetzt der Resozialisierung durch ein Tanz Projekt widmet. Für das Drehbuch zeigen Katja von Garnier, Paula Romy und Daphne Ferraro verantwortlich. Das Thema Gefängnis und Musik wurde von der Regisseurin ja bereits 1997 in ihrem Film "Bandits" behandelt. Drei ihrer vier Hauptdarstellerinnen aus Bandits - Jasmin Tabatabai als Ava, Nicolette Krebitz als Sara und Katja Riemann als Dr. Goldberg - haben im hier besprochenen Film wieder Rollen übernommen.

Klar folgt das Drama dem üblichen Ablauf eines Tanzfilms: Da sind junge schwierige Leute, die anfangen sich für den Tanz - hier Hip-Hop - zu begeistern, gleichzeitig sollen sie aber auch lernen, nicht mehr Einzelkämpfer zu sein, sondern als Team zu arbeiten. Natürlich hat auch die Tanzlehrerin eine Geschichte in der Vergangenheit, die dazu geführt hat, dass sie das Tanzen aufgegeben hat. Es gibt Personen, die ihnen Steine in den Weg legen und es gibt die üblichen Unstimmigkeiten untereinander, die das Projekt beinahe scheitern lassen.

Wie in den anderen Tanz-Filmen auch gehen das erste Battle (hier gegen eine Straßen Hip-Hop Gruppe) und die erste Choreographie schief. Letztendlich sind die Tänzer aber bereit, sich zusammen zu raufen, entwickeln eine eigene - viel spannendere - Choreographie und sind damit am Ende erfolgreich.

Auch bei "Fly" wurde das Rad nicht neu erfunden, sondern auch hier wurde der Film nach diesem Schema aufgebaut. Aus welchem Grund sollte man sich den Film trotzdem ansehen?

Neben der Hauptdarstellerin Svenja Jung als Bex ist in einer kleinen Rolle als Jays Bruder André Winter der französisch-deutsche Schauspieler Farba Dieng zu sehen, der gerade für seine Rolle in "Toubab" (Kinostart war am 23.09.2021) mit dem Bayerischen Filmpreis 2021 in der Kategorie "Bester Nachwuchsdarsteller" ausgezeichnet wurde.

Weiter treten in "Fly" vor allem Tänzer und Tänzerinnen auf, von denen viele zum ersten Mal in einem Film mitspielen. Dies führt dazu, dass die Tanzeinlagen beeindruckend sind. Da die meisten Darsteller selbst getanzt haben, konnte Kameramann Torsten Breuer, der bereits mit Katja von Garnier bei "Bandits" und bei den ersten beiden Ostwind-Filmen zusammen gearbeitet hat, spektakuläre Bilder einfangen.

Für die Rollen von Jay Winter und Fahid konnte die Regisseurin mit Ben Wichert, dem bekannten Wuppertaler Tänzer und Choreografen der Hip-Hop Freestyle Tanzszene, sowie mit Majid Kessab, der eine Tanzschule in Krefeld betreibt, zwei absolute Asse der Hip-Hop Tanzszene gewinnen. Beide haben bereits internationale Tanztitel im Hip-Hop gewonnen. So war Ben Wichert z.B. der erste deutsche Tanzweltmeister in der Kategorie Hip-Hop Freestyle.

Für die Tanzszenen wurden weiterhin die Tänzer der Flying Steps gecastet, einer Tanzgruppe aus Berlin, die sich auf Breakdance, Popping und Locking spezialisiert hat und die bereits mehrere Breakdance-Weltmeisterschaften gewonnen hat. Die Flying Steps Academy hat auch schon bei dem Film "Into the Beat" an der Choreographie und mit Tänzern mit gearbeitet.

Der berufliche Hintergrund der Darsteller führt dazu, dass vor allem Svenja Jung - sowohl schauspielerisch als auch als Tänzerin - überzeugen konnte, aber auch Jasmin Tabatabai, Nicolette Krebitz und Aleksandar Jovanovic. Katja Riemanns Rolle war kaum mehr als ein Cameo. Die übrigen Darsteller der Haupt- und Nebenrollen waren nicht herausragend, aber sie konnten vor allem in den hervorragend choreographierten Tänzen überzeugen, bei denen immer wieder auch eine Geschichte erzählt wurde.

Insgesamt muss sich "Fly" durch die gelungenen Tanz-Choreographien, den hörenswerten Sound, die mehrheitlich guten schauspielerischen Leistungen und die angesprochenen Probleme nicht hinter ähnlichen Filmen aus dem Ausland verstecken. Das Drama bringt nichts Neues und mag von der Story her konventionell sein, aber es ist trotzdem für Jugendliche und Erwachsene sehenswert, die an Tanzfilmen Interesse haben.

Zusatz: Unbedingt während des Abspanns sitzen bleiben, denn da dürfen sich die Hauptdarsteller noch einmal "tänzerisch" vorstellen.

Foto 1: Jay (Ben Wichert) hält Bex (Svenja Jung) beim Tanz in seinen Armen. © Studiocanal
Foto 2: The Battle is on - und Fahid (Majid Kessab) mittendrin! © Studiocanal

Info:
Fly (Deutschland 2021)
Genre: Tanzfilm, Drama
Filmlänge: ca. 110 Min.
Regie: Katja von Garnier
Drehbuch: Katja von Garnier, Paula Romy, Daphne Ferraro
Darsteller: Svenja Jung, Ben Wichert, Jasmin Tabatabai, Nicolette Krebitz, Majid Kessab, Aleksandar Jovanovic, Katja Riemann u.a.
Verleih: Studiocanal GmbH
FSK: ab 6 Jahren
Kinostart: 14.10.2021