borgaafrSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 28. Oktober, 2021, Teil 8

Redaktion

Frankfurt am Main  (Weltexpresso) -  Ghana ist ein westafrikanischer Staat, der an die Elfenbeinküste, Burkina Faso, Togo sowie im Süden an den Golf von Guinea (Atlantischer Ozean) grenzt. Die Mehrheit der Ghanaen wird zu der Gruppe der Akan gezählt. Ihre kulturellen Wurzeln gehen auf das 14. Jahrhundert zurück. Die Akan sind traditionell matriarchalisch organisiert. So nehmen Frauen in der ghanaischen Kultur eine selbstbewusste, prägende Stellung ein. Über 80% der Frauen sind neben ihrer traditionellen Rolle in der Familie auch erfolgreich beruflich tätig.

Berühmte Elemente der Akan-Kultur sind die Kente-Stoffe, die Goldgewichte der Ashanti, sowie die Adinkra-Zeichen, welchen in BORGA in Form des Sankofa Zeichens eine besondere Bedeutung zukommt.

Im 17. Jahrhundert begann innerhalb der Akan der Aufstieg des Reichs der Ashanti (Eugene Boateng, Hauptdarsteller von BORGA, ist Ashanti). Diese haben sich fast 100 Jahre lang, bis Anfang des 20. Jahrhunderts, von den britischen Kolonialisierungsversuchen nicht beugen lassen. Und nicht mal 50 Jahre später, als eines der ersten Länder Subsahara-Afrikas, erlangte Ghana 1957 wieder seine Unabhängigkeit in Form einer Präsidialrepublik.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass man bis heute bei den Ghanaen eine außergewöhnliche Liebe und Stolz zu ihrem Land verspürt. Dies ist keine Selbstverständlichkeit auf dem afrikanischen Kontinent mit seinen im Zuge der Kolonialisierung erzwungenen Ländergrenzen.

Ghana als rohstoffreiches Land ist u.a. durch Gold, Diamanten und Öl bekannt geworden. So trägt es aus Kolonialzeiten auch den Namen „Goldküste“. Darüber hinaus ist das Land sehr fruchtbar und erzeugt eine Vielzahl an landwirtschaftlichen Rohstoffen, wie Kakao, Ananas, Tabak, Holz, usw.

Auf Basis dieses Rohstoffreichtums hat Ghana im Vergleich zu den Nachbarländern einen relativen Wohlstand erlangt. Einzig die ungleiche Verteilung stellt ein großes Problem dar.

Gesellschaftlich ist Ghana von Kultur, Religion, Familie, Geschäftigkeit und Lebensfreude geprägt. Essen, Musik, Tanz, Familienfeiern, Predigten und das sog. „Hustlen“ („Möglichkeiten suchen, Geld zu verdienen bzw. voranzukommen“) gehören zum täglichen Leben in Ghana. 


Elektroschrott in Ghana

Um das Jahr 2000 wurde eine größere Zahl an Elektrogeräten, meist alte Computer, im Rahmen von Hilfsprogrammen nach Ghana gebracht. Schnell erkannten unseriöse Händler und westliche Firmen, dass sie ihre veraltete oder defekte Technik unter dem Deckmantel der Entwicklungshilfe preisgünstig entsorgen konnten.

Die Europäische Union versuchte dem entgegenzuwirken, indem sie 2006 den Export von Elektroschrott verbot. Dies zeigte aber kaum Wirkung, da der Export von gebrauchter Technik weiterhin erlaubt blieb und es dem Zoll bei den großen Stückzahlen nicht möglich ist zu gewährleisten, dass kein Elektroschrott exportiert wird.

In Ghana entwickelte sich daraus ein florierender Handel, der allein aus Deutschland jährlich über 100.000 Tonnen Elektromüll umfasst. Dieser kommt meist im Hafen von Tema an, wo Händler die Ware abnehmen.

Die Container bestehen erfahrungsgemäß aus 20-30% funktionierender Ware, welche u.a. in Accras Stadtteil Nima weiterverkauft wird. 70-80% der vermeintlichen Gebrauchtware ist defekt. Sie wird nach Agbogbloshie geliefert, wo mit einfachsten Mitteln und unter toxischen Bedingungen die Rohstoffe von einzelnen Personen bzw. kleinen Werkstätten aus dem Schrott zurückgewonnen werden. Die Rohstoffe werden dann wiederum an Großhändler verkauft, die sie über Tema in die ganze Welt vertreiben.

Seit über 10 Jahren wird versucht, den Elektroschrott-Handel in Agbogbloshie zu unterbinden bzw. weniger schädliche Verfahren der Rohstoffgewinnung zu etablieren; mit geringem bis keinem Erfolg.


Agbogbloshie

Agbogbloshie ist ein Stadtteil der Millionenmetropole Accra, der Hauptstadt Ghanas. Es ist am Ufer der Korle-Lagune gelegen, welche vor der Jahrtausendwende ein beliebter Badeort war.

In wenigen Jahren entwickelte sich der idyllische Ort zu einer ökologischen, medizinischen und humanitären Katastrophe. Heute leben in Agbogbloshie über 50.000 Menschen auf einer Fläche von 1600 ha unter zum Teil unerträglichen Umständen.

Die Lagune, ihr Abfluss und ihre Zuflüsse sind zum Stehen gekommen und bilden ein toxisches Sammelbecken von organischen und chemischen Giftstoffen (u.a. Phosphor, Cadmium, Quecksilber, Arsen). 2013 wurde Agbogbloshie von der Umweltorganisation Blacksmith Institute zu einem der am schlimmsten verseuchten Orte der Welt erklärt.

Der Stadtteil ist in mehrere Bereiche aufgeteilt, die von den sog. „Chiefs“ kontrolliert werden. Wegen der hohen Kriminalität und Umweltverschmutzung wird der Ort auch „Sodom und Gomorra“ genannt.

Widersprüchlicherweise besitzt Agbogbloshie aber auch einen der größten Gemüsemärkte des Landes, sowie eine Abfüllanlage für Pepsi Cola.

Humanitär befindet sich der Stadtteil in einem Teufelskreis. Der Ort ist äußerst geschäftig und stellt für die dort wohnenden und arbeitenden Menschen die Lebensgrundlage dar. Diverse Umsiedlungsprogramme sind gescheitert und haben zum Teil zu Aufständen vor Ort geführt.

Darüber hinaus wächst Agbogbloshie ständig an, besonders in Jahren, wo es zu schlechten Ernten kommt. Dann machen sich viele, oft aus dem agrarfokussierten Norden, auf den Weg, in der Hoffnung, schnell Geld zu verdienen.

Agbogbloshie wird dabei von vielen als Durchgangsort angesehen. Ein Ort, wo man ein paar Jahre hart arbeitet, um sich die Chance auf ein besseres Leben zu ermöglichen. Dies ist oft ein Trugschluss und viele verlassen Agbogbloshie nicht mehr. 


Straßenkinder in Ghana

Mehr als 60.000 Straßenkinder leben in Ghanas Hauptstadt Accra. Davon ein Großteil in Agbogbloshie. Meist finden sich mehrere Kinder zusammen und schaffen so einen Familienersatz. Die Abgrenzung ist aber nicht immer leicht. Manche Kinder leben nur zeitweise auf der Straße. Manche haben noch Eltern, andere haben nur die Gruppe. Tagsüber treffen sie sich dann oft mit Kindern aus normalen Familien.

Aber auch hier kommt es immer wieder zu Widersprüchen. So sind die Kinder meist den Älteren ausgeliefert, kommen früh mit Willkür, Drogen, Gewalt und Sexualität in Kontakt. Und trotzdem ist es ein typisches Muster, dass Kinder von ihren Familien weglaufen, um auf der Straße zu leben. Häufige Gründe dafür sind, dass sie sich vom Leben auf der Straße nicht so sehr eingeengt fühlen und dass die Bindung zur Gruppe stärker ist als zur eigenen Familie.

Je länger die Kinder auf der Straße leben, desto mehr entwickeln sich psychologische Muster, die es ihnen schwerer machen, ein „normales“ Leben zu führen. Beispielsweise entsteht ein Muster dadurch, dass viele Straßenkinder keine Möglichkeit haben, Eigentum aufzubewahren und zu schützen. D.h. sie besitzen nur das, was sie im Augenblick am Körper bzw. im Bauch haben. Damit wird die weiter entfernte Zukunft für sie irrelevant. Die Kinder leben nur noch im Hier und Jetzt. „In die Zukunft investieren“ empfinden sie als anstrengend.

Mehr als die Hälfte der Straßenkinder hat die Grundschule nicht abgeschlossen. Mangelnde Hygiene fördert die Ausbreitung von Krankheiten. Fehlende Aufklärung und sexuelle Gewalt führen oft zu ungewollten Schwangerschaften. In der Gesellschaft von Accra ist für Straßenkinder kein Platz vorgesehen und der Staat kümmert sich wenig. All dies führt dazu, dass sich u.a. Moral und Werte bei den Kindern verschieben. 

Foto:
© Verleih

Info:
BORGA
von York-Fabian Raabe, GH/D 2021, 107 Min.
mit Eugene Boateng, Christiane Paul, Jude Arnold Kurankyi, Lydia Forson, Adjetey Anang, Emmanuel Affadzi
Drama / Start: 28.10.2021

Abdruck aus dem Presseheft