Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das ist ein Film, bei dessen Schauen Sie hin und her gewendet werden, ständig ihre Perspektive auf die beiden Hauptpersonen, Jakob Störr (Gjs Naber) und Lizzy (Léa Seydoux) verändern, sprich emotional reagieren, lange dem Manne zuneigen, sich dann fragen...es ist Ihnen der Boden Ihrer eigenen Wahrnehmung entzogen. Sie haben keine verläßliche Kontrolle, es herrscht Unsicherheit. Und damit sind Sie genau in der Situation, in der Jakob Störr sich befindet, die logischerweise DIE GESCHICHTE MEINER FRAU heißt, weil diese Geschichte, dieser Film rein aus der Perspektive des Jakob erzählt wird.
Die Regisseurin Ildikó Enyedi konnte ich auf der Berlinale mit ihrem Gewinnerfilm KÖRPER UND SEELE, erleben, der ebenfalls eine höchst ungewöhnliche, ja faszinierende Liebesgeschichte erzählt. Ihrem Konzept, zwei völlig unterschiedliche Menschen zusammenzutun, was dort gut ausging, folgt sie auch in diesem Film, dessen Stoff sie sich aussuchte und der auf das Scheitern hinausläuft. Nur kurz zum Roman des Mílan Füst, der 1942 in Ungarn geschrieben, dort zum Kultroman wurde und blieb. Man muß dies nicht wissen, aber wenn man es weiß und den Roman kennt, der in den Zwanziger Jahren spielt, dann fällt eine Kleinigkeit auf, die die Regisseurin geändert hatte und die wir goldrichtig finden. Statt in London (Buch) spielt der zweite Teil des Films in Hamburg. Das ist für die Figur des Jakob Störr wie die Faust aufs Auge (neue Sprachdeutung). Wir lernen den niederländischen Schiffskapitän in seinem Reich kennen, wo er auf hoher See verantwortlich für alles, in eiserner Disziplin seine Leute und die Schiffsfracht aus jeder heiklen Situation rettet. Dafür braucht er wenig Worte, aber viel Mut und Kraft, eine ständige Anwesenheit, um den Überblick zu behalten und sich die Autorität zu sichern, von der seine Leute wiederum in ihrem eigenen Tun geleitet werden und alle seine Anordnungen ausführen. Die Qualität seiner Arbeit hat sich herumgesprochen. Er könnte sich die Frachtschiffe und deren Gesellschaften auf der ganzen Welt aussuchen.
Und dann kommt diesem gradlinigen, aber auch in den Fallstricken der menschlichen Kommunikation auf gleicher Ebene Hilflosen und Ungewohnten, das Leben dazwischen, zu dem natürlich eine Frau gehört. Das auf jeden Fall ist seine Analyse, als er auf seinem Frachter dem Schiffskoch über seine ständigen Magenschmerzen berichtet, von denen er weiß, daß diese als Seekrankheit gelten. Der jedoch antwortet ihm, das kenne er nicht, allerdings sei er verheiratet, das helfe.
Als Jakob in Paris seinen nächsten Kontrakt eingehen will und dort seinen alten Freund, den Italiener Kodor (Sergio Rubini) in einem besseren Café trifft, erzählt er ihm spontan, die nächste Frau, die das Etablissement betritt, werde er heiraten. Und er tut es. Es ist eine schöne Frau, die etwas rätselhaft wirkt. Nicht nur auf Jakob, auch auf uns. Sie findet den durchaus schmucken Kerl durch seine direkte Frage interessant und sagt: „JA“. Und als der Mann, mit dem sie wohl verabredet war, auftaucht, Dedin (Louis Garrel), kanzelt sie diesen ab, sie sei verlobt.
Die Schwierigkeiten kommen danach. Nach der Hochzeit. Denn beide sind unsicher, wie mit dem anderen umzugehen ist. Jakob – noch einmal – der Film wird konsequent aus seiner Perspektive erzählt, keine einzige Szene zeigt ihre Sicht – ist von ihrer Schönheit hingerissen, kann sich gleichzeitig überhaupt nicht vorstellen, warum die Französin seine Frau wurde, ist potentiell eifersüchtig. Sie erleben wir doppeldeutig, sie richtet die gemeinsame elegante Wohnung in der Stadt der Liebe ein, kocht, wundert sich, daß der Gatte gut küssen kann, was den wiederum verwundert nach ihren Vergleichsmöglichkeiten fragen läßt. Durchaus Liebe, aber auch Verunsicherung. Auf beiden Seiten. Dann muß er fort, vier Monate auf See.
Dem Zuschauer wird mit dem Gezeigten auch durch sieben Kapitelüberschriften eine Deutung mitgeliefert. So heißt die nun folgende zweite: „Über das Labyrinth des gesellschaftliche Lebens“, in dem sich Jakob völlig verheddert. Er kommt mit der Situation, daß Männern um Lizzy herumschwänzeln, was ihr gefällt, nicht zurecht. Wir verstehen sie auch nicht ganz, allerdings wird nie angedeutet, daß sie ihn betrügt. Das aber ist die Furcht von Jakob, zumal seine Seemänner ihm vormachen, wie das ist, in vielen Häfen eine Frau zu haben und Koch Habib ihm auftischt, daß er nicht nur verheiratet, sondern sogar drei Frauen hat, die ihn jedesmal sehnsüchtig erwarten. Denn er sperrt sie ein, wenn er wieder auf See geht; seine alte Mutter bewacht sie.
So geht es im Hin und Her weiter, für unseren Geschmack werden etwas zu lange die zuspitzenden Konflikte ins Bild gebracht, auf die wieder Versöhnungen folgen, er folgt ihrer Bitte, die für ihn interessanten Frachtschiffe zu lassen und einen Vergnügungsdampfer nach Afrika zu übernehmen. Punkt. Dann weiß er die Lösung, um Lizzy von Dedin, der wieder aufgetaucht, täglich um sie ist. Und wir sind in Hamburg, wo er angeheuert hat. Dorthin paßt Jakob perfekt. Er fühlt sich wohl. Die Wohnung ist düster und mit all den Vorurteilen eingerichtet, die Leute aus dem Süden hegen. Man sieht es Lizzy an, wie unwohl sie sich fühlt. Mehr wollen wir jetzt nicht verraten, aber noch über die Schauspieler sprechen, auch über die, die jetzt noch auftauchen: die Creme deutscher Schauspielkunst in kleinen Rollen, aber für deutsche Zuschauer ein Hingucker: Herr Blume (Josef Hader), Herr Lange (Ulrich Matthes), Herr Voss (Udo Samel).
Das Wichtigste am Film ist wirklich das Wunder der Besetzung der Hauptrollen. Manchmal ist einem die Stimmigkeit der jeweiligen Rollen fast zu viel. Fast zu perfekt. Gjs Naber darf sich ein wenig entwickeln, aber er bleibt eingesperrt in seinen Körper und seine Fasson davon, wie ein Mann zu sein hat und was ein Mann zu tun hat. Doch ist man einverstanden, er muß einfach bei seiner Rolle des Seebären bleiben, der an Land unsicher wird. Das Rätsel bleibt Lizzy. Denn wir sehen sie erst als kokett, dann als liebende Ehefrau, aber sie bleibt eng verbunden mit Dedin, die Qualität dieser Beziehung kann man genauso wenig einschätzen, wie der Ehemann. Gleichzeitig gibt es den Film über keine konkreten Hinweise, daß sie dem leichten Gewerbe entstamme oder durch dieses angezogen ist. Es bleibt dem Zuschauer nur übrig, siehe unser Anfang, die Vagheit, die Unsicherheit auszuhalten.
Foto:
©Verleih
Info:
BESETZUNG
Lizzy LÉA SEYDOUX
Jakob GIJS NABER
Dedin LOUIS GARREL
Kodor SERGIO RUBINI
Viola JASMINE TRINCA
Grete. LUNA WEDLER
Herr Blume JOSEF HADER
Herr Lange ULRICH MATTHES
Herr Voss UDO SAMEL
STAB
Regie & Drehbuch ILDIKÓ ENYEDI
Romanvorlage MILÁN FÜST
©Verleih
Info:
BESETZUNG
Lizzy LÉA SEYDOUX
Jakob GIJS NABER
Dedin LOUIS GARREL
Kodor SERGIO RUBINI
Viola JASMINE TRINCA
Grete. LUNA WEDLER
Herr Blume JOSEF HADER
Herr Lange ULRICH MATTHES
Herr Voss UDO SAMEL
STAB
Regie & Drehbuch ILDIKÓ ENYEDI
Romanvorlage MILÁN FÜST